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Die Soldaten kamen um die Mittagszeit. Sie trugen blaue Uniformen und saßen auf großen, schlanken, dunklen Pferden. Es waren Franzosen. Ihr Anführer, ein capitaine, wollte den Stammesführer sprechen. Koumamá trat aus dem Zelt und forderte ihn in passablem Französisch auf, vom Pferd zu steigen. Mit einem Mann, der auf ihn herabsah, würde er nicht sprechen. Der capitaine erhob sich aus dem Sattel, zwei seiner Unteroffiziere taten es ihm gleich und flankierten ihren Vorgesetzten. Die Männer setzten sich in den Sand, der capitaine zog eine große Papierrolle aus seiner Uniform hervor, die er vor Koumamá ausbreitete. Fatou servierte den Männern Wasser, in dem kleine Minzzweige schwammen. Die Rolle zeigte verschiedene Zeichnungen: ein großes, komfortables Haus, von außen und von innen; einen Schmied, wie er ein Hufeisen schmiedete; einen Zimmermann, der eine Holzlatte bearbeitete. Ganz unten gab es eine Darstellung, die eine Menge Geld zeigte, Scheine und Münzen. Die Besucher wollten den Nomaden die Vorteile des sesshaften Lebens schmackhaft machen. Wenn sie ihnen nach Agadez folgten, würde jeder von ihnen feste Arbeit und ein gemauertes Haus bekommen. Mit dem Geld, das sie dann bekämen, könnten sie ein ganz anderes Leben führen als hier, nicht so karg und entbehrungsreich. Ihre Kinder könnten zur Schule gehen und hätten eine Zukunft vor sich mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten. Der capitaine deutete auf den kleinen Lassad, der gekommen war und den Männern neugierig zuhörte. Dieser Junge da hätte die Chance, später ein erfolgreicher Kaufmann zu werden. Oder ein Arzt. Ein Anwalt. Er könnte ein angesehener Mann sein.
Koumamá hörte sich alles in Ruhe an. Erst als der capitaine fertig war, rückte Koumamá den tagelmust zurecht und ließ sein Gegenüber wissen, was er zu sagen hatte.
»Wenn Sie das Wasser festhalten, mon cher capitaine, was wird passieren?«
»Wie bitte?« Der Offizier sah ihn verwirrt an.
Koumamá deckte seinen Becher zu, um seine Rede zu illustrieren. »Es wird brackig. Abgestanden. Irgendwann fängt es an zu stinken. Und wenn Sie die Luft nehmen und einschließen, was passiert? Sie wird muffig.«
»Vermutlich«, sagte der capitaine.
»Das Gute bleibt gut«, sagte Koumamá, »solange es sich ungehindert bewegen kann. Sobald wir Ordnung hinein bringen und es unseren Regeln unterwerfen, verwandelt es sich in sein Gegenteil. Können Sie mir noch folgen?«
»Selbstverständlich.« In der Stimme des capitaine schwang bereits Ärger mit.
»Mein Volk empfindet Gebäude als Gefängnisse. Das ist unsere Natur. Wir heilen unsere Krankheiten selbst. Wir finden Wege, unsere Auseinandersetzungen zu lösen, ohne einen Anwalt bemühen zu müssen.« Koumamá deutete auf die Armbanduhr des capitaine, auf die der seit Beginn des Gespräches ab und zu einen Blick geworfen hatte. »Sie, capitaine, haben eine Uhr. Aber wir haben die Zeit. Sie mögen das vielleicht nicht verstehen, aber wir lieben unser Leben genau so, wie es ist.«
»Sie hatten Recht«, sagte der capitaine zum Unteroffizier, der links neben ihm im Sand saß. »So wird das nichts.« Er stand auf und klopfte sich den Sand von der Hose. »Ich möchte Ihre Pässe sehen. Von jedem einzelnen Stammesmitglied.«
Auch Koumamá erhob sich, aber ohne jede Eile. »Wozu?« wollte er wissen.
»Sie befinden sich auf französischem Hoheitsgebiet«, sagte der capitaine. »Ich muss Ihre Identität feststellen. Dazu bin ich verpflichtet.«
»Sie wissen sehr gut«, erwiderte Koumamá, »dass wir so etwas nicht besitzen. Keiner von uns.«
Der capitaine wiegte bedenklich seinen Kopf hin und her. »Das ist aber gar nicht gut. Das ist gewissermaßen ein Problem.« Er sah Koumamá lange und aufmerksam an. Koumamá erwiderte den Blick mit stoischer Ruhe.
»Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen?« fragte der capitaine schließlich und deutete noch einmal auf die Rolle, die einer der Unteroffiziere inzwischen wieder zusammengerollt hatte.
»Woanders finden Sie bestimmt Leute, die Ihnen folgen«, sagte Koumamá.
»Ich habe vorhin ein oder zwei Schwerter gesehen«, merkte der capitaine an, als falle ihm das ganz nebenbei noch ein. »Das geht natürlich nicht. Sie sind nicht befugt, Waffen zu tragen. Ich muss Sie auffordern, alle Stich- und Schusswaffen einsammeln zu lassen und abzugeben.«
Lassads Vater Ibrahim, der sich zu seinem Sohn gesellt hatte, zog ohne zu zögern seine takuba aus der Scheide und hielt sie kampfbereit den Franzosen entgegen.
»Niemand bekommt meine Waffe«, sagte er auf tamascheq. »Es sei denn, er will Bekanntschaft mit der Klinge schließen.«
Im gleichen Augenblick richteten sich ein gutes Dutzend Gewehre auf ihn. Die Tuareg hielten den Atem an. Inzwischen hatten sich einige in Hörweite versammelt. Einige Männer legten die Hände auf den Griff ihrer takuba.
»Ibrahim!« sagte Koumamá mit scharfer Stimme. »Steck die Waffe weg. Sofort.«
Nach kurzem Zögern ließ Ibrahim die takuba wieder in die Scheide gleiten.
»Auf den Boden«, befahl der capitaine. »Er soll sie auf den Boden legen.«
»Tu, was er sagt«, ordnete Koumamá an.
Ibrahim warf seinem Stammesführer einen wütenden Blick zu, bevor er der Aufforderung folgte, die takuba wieder herauszog und mit der Spitze voran zu Boden warf, so dass die Klinge im Sand stecken blieb.
Der capitaine machte jetzt kurzen Prozess. Alle Männer mussten ihre takubas abgeben. Bald steckten mehrere Dutzend Schwerter im Sand, ein stählerner Wald, der in der Sonne funkelte. Der Franzose kündigte an, sämtliche Männer des Stammes in vorläufigen Gewahrsam zu nehmen, um an geeigneter Stelle ihre Identitäten zu klären - und sie täten gut daran, sich gegen diese Maßnahme nicht zu wehren. Koumamá besprach sich mit seinen Leuten. Sie waren sich einig. Darauf durften sie sich nicht einlassen. Diesen Kerlen war nicht zu trauen. Wenn die Franzosen die Männer des Stammes erst einmal in ein finsteres Loch gesteckt hatten - wer garantierte ihnen, dass man sie darin nicht verrotten ließ? Außerdem konnten sie ihre Frauen und Kinder nicht schutzlos zurück lassen. Was, wenn die Soldaten sich über ihre Frauen hermachten? Koumamá wusste, dass er es auf eine Konfrontation ankommen lassen musste. Viele von ihnen hatten noch eine zweite takuba in ihren Zelten. Es würde schwer werden, sich gegen die Gewehre der Franzosen zu verteidigen, aber andererseits waren die keine Männer der Wüste und wussten nicht, wie man sich, schnell wie ein Schakal, den Augen eines Jägers entziehen konnte. Dennoch war klar: Wenn die Franzosen anfangen würden zu schießen, würde es Verluste geben. Männer seines Stammes würden verletzt oder gar getötet werden. Aber er hatte keine andere Wahl. Koumamá wollte gerade vor den capitaine treten. Im Hintergrund waren die Frauen bereits damit beschäftigt, die takubas aus den Zelten zu holen. Da stellte Franz sich dem Stammesführer in den Weg.
»Lass mich mit ihnen reden«, sagte er.
»Wozu?«
»Ich bin Europäer. Er wird mich respektieren.«
»Von dir will er aber nichts.«
»Vielleicht kann ich trotzdem etwas ausrichten«, sagte Franz. »Lass es mich wenigstens versuchen.«
Koumamá trat beiseite, zum Zeichen, dass er einverstanden war. Auch wenn er sich von Franz‘ Bemühungen nicht viel versprach.
Franz sprach mit dem Offizier in fließendem Französisch und mit ausgesuchter Höflichkeit. Er stellte sich, seine Frau und den Zweck ihrer Reise vor und kam dann zum Punkt. »Monsieur le capitaine, ich nehme an, es geht Ihnen vor allem darum, diese Menschen zur Sesshaftigkeit zu bewegen, nicht wahr?«
Der capitaine wunderte sich. »Sind Sie jetzt hier der Unterhändler? Ein Deutscher als Sprecher eines Beduinen-Stammes?«
»Ich kenne diese Leute«, sagte Franz. »Ich denke, ich kann sie dazu bewegen, ihre Lebensweise