Heinz Gellert
Die Erdmännlein
Fantastische Geschichte
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Inhaltsverzeichnis
3. Die Erdmännlein und der Tischlergeselle
9. Eine Taschenlampe muss her!
10. Die Jagd auf die Erdmännlein
13. Der Kampf mit dem Sumpfgnomen
1. Tim fährt aufs Land
„Wir sind gleich da!“, hörte Tim seinen Vater sagen. „Mach dich fertig! Der Zug wird gleich im Bahnhof ankommen.“
Tim wandte sich vom Fenster ab, ließ für einen Moment seinen Blick durchs Abteil schweifen und schaute dann dem Vater zu, wie der die Reisetasche von der Gepäckablage herunterhob und auf den Sitz stellte. Es war seine Reisetasche. Tim Kramzow stand auf dem Anhänger geschrieben. Er würde sie auch mit an die Ostsee nehmen, wenn er zusammen mit den Eltern in Urlaub fährt, nachdem der Besuch bei den Großeltern auf dem Dorf vorüber wäre.
Wie wird es sein?, fragte sich Tim. Allein bei den Großeltern, ohne Vater und Mutter? Bisher waren sie immer zusammen zu Besuch gewesen und immer nur übers Wochenende. Jetzt sollte er zwei ganze Ferienwochen mit Oma, Opa, Onkel Bernhard und Tante Silke verbringen. Der Vater würde am Nachmittag wieder zurückfahren, weil er am nächsten Tag, genauso wie die Mutter, zur Arbeit gehen musste.
„Vergiss deinen Rucksack nicht!“, ermahnte ihn der Vater und zog seine Jacke an.
Es gab einen leichten Ruck. Der Vater schwankte und musste sich an der Rückenlehne der Sitzbank festhalten. Das waren die Bremsen, dachte Tim. Er spürte, wie der Zug die Fahrt verlangsamte. Neugierig blickte Tim wieder aus dem Fenster - den Rucksack hatte er auf dem Schoß zu liegen. Die ersten Häuser der Stadt waren zu sehen, die Kirchturmspitze mit der Uhr, der Rest der alten Stadtmauer.
Es hat sich nichts verändert, dachte Tim. So schnell verändert sich auch keine Stadt. Noch nicht einmal ein Jahr war es her, seit er das letzte Mal hier mit dem Zug ankam. Das war zu Onkel Bernhards und Tante Silkes Hochzeit. An die Feier konnte er sich noch gut erinnern. Das halbe Dorf war zu Gast gewesen. Eine große Festtagstafel gab es im Garten, und Musiker spielten zum Tanz. An diesem Tag hatte der Großvater auch verkündet, dass er von nun an nur noch Rentner sein wollte und Onkel Bernhard den Hof und die Rinderzucht überlassen würde. Sonst könnte er, Tim, jetzt wohl kaum zwei Ferienwochen bei ihm verbringen.
Als der Großvater sich noch um die Rinderställe kümmerte, hatte auch die Großmutter als Rentnerin ab und zu noch ausgeholfen. Tim wusste, dass es im Sommer immer viel zu tun gab auf dem Lande.
„He, Junge, träum´ nicht!", sagte der Vater und zog ihn vom Fenster weg. „Wir sind da!“
„Wir sind da!“, jubelte Tim, warf den Rucksack über die Schulter und drängte sich am Vater vorbei zwischen die Reisenden, die ebenfalls aussteigen wollten, um so nahe wie möglich an die Wagentür zu kommen.
Auf dem Bahnsteig warteten sein Großvater und der Onkel. Sie suchten noch nach ihm, als er sie längst entdeckt hatte.
Sie waren mit dem Auto gekommen, um ihn und den Vater abzuholen - bis zum Dorf waren fünf Kilometer zu fahren.
Ohne auf seinen Vater zu warten, lief Tim auf die beiden zu.
„Na, da bist du ja, Tim“, sagte der Großvater und fuhr ihm mit seiner kräftigen Hand durch die blonden Haare. „Und groß bist du geworden!“
Tim stellte den Rucksack neben sich und drückte seinen Opa herzlich.
„Mir willst du wohl nicht die Hand geben?“, scherzte der Onkel.
„Klar“, antwortete Tim und streckte ihm die Hand entgegen. „Guten Tag, Onkel Bernhard!“
Der Onkel erwiderte den Gruß mit einem festen Handschlag.
Tim drückte die Hand des Onkels so kräftig, wie er konnte.
„So ist´s richtig“, bemerkte der Onkel und legte ihm seine linke Hand auf die Schulter. „Ein fester Handschlag unter Männern.“
Dann war auch Tims Vater mit der Reisetasche bei ihnen angekommen. Er begrüßte seinen alten Herrn, wie er den Großvater zu nennen pflegte, und den Kleinen, seinen jüngeren Bruder Bernhard. Darauf verließen sie gemeinsam den Bahnsteig, gingen durch die Bahnhofshalle zum Ausgang, in dessen Nähe der Onkel sein Auto geparkt hatte.
Während sich die Männer bei der Autofahrt über dieses und jenes unterhielten, der Vater von seiner Arbeit als Programmierer und der Großvater und der Onkel von den letzten Ereignissen im Dorf berichteten, schaute Tim sich die Gegend an.
Rechts und links der Landstraße breiteten sich weite Felder aus. Gelbe Getreidefelder wechselten mit grünen Mais-, Rüben- und Kartoffeläckern. Manchmal verlor sich der Horizont hinter flachen Hügeln, manchmal war auch in weiter Ferne ein Streifen Wald wie eine schmale, dunkelgrüne Linie zu sehen. Und über allem stand ein strahlend blauer Himmel. Schwalben segelten durch die Luft. Oft flogen sie so hoch, dass Tim sie nur als schwarze Häkchen erkennen konnte. Auch einen Greifvogel sah er hoch über einem Kartoffelfeld in der Luft seine Kreise ziehen - vielleicht ein Habicht oder Bussard. Tim kannte sich darin nicht so genau aus.
Dann kündigte sich das Dorf an: Zuerst eine einzelne Scheune auf einer sich weit ausdehnenden, grünen Wiese, danach die ersten Ställe, Koppeln mit weidenden, weißschwarzfleckigen Rindern.
Das Auto erreichte den ersten Bauernhof hinter dem Ortsschild und bog in die Dorfstraße ein. Zu beiden Seiten der Straße reihten sich die niedrigen Häuser mit den spitzen, roten Ziegeldächern. Vor jedem dieser Häuser befand sich ein eingezäunter, bunt blühender Vorgarten. Eine Toreinfahrt war offen. Tim konnte kurz einen