Was brauche ich's zu schildern, als die gute Frau ihre vornehmen Gäste erkannte, wie sie mit dem nächsten Knicks, die Hände ehrerbietig auf der Brust, sich vor dem Bischof und seinem Begleiter verneigte, was sie sprach von der außerordentlichen Ehre, solche Gäste in ihren Mauern zu sehen, von ihrem Bedauern, nicht darauf vorbereitet zu sein, von dem schlechten Wetter, wo man keinen Hund ausjagen möchte, und Diener der Kirche müssten wie Räuber und Spitzbuben durch Wind und Wald reiten; wie sie dem Bischof, als er abgestiegen, den Rock küssen wollte, er aber freundlich ihr die Hand drückte und sie mit etwas heiserer Stimme bat, ihn in ein warmes Zimmer zu führen, da er sich wohl etwas verkühlt habe; wie sie ihn darauf bis zur Halle führte, aber dann fortstürzte, Jahre, Schlaf und Kälte vergessend, um ganz wieder Frau von Bredow zu sein!
Es war der Bischof Hieronymus von Brandenburg selbst, und Valentin, der Abt von Lehnin, nebst zwei Rittern, die, von Wittenberg zurückgekehrt, in der Heide sich versprengt hatten. Wie dies zugegangen und was ihnen zugestoßen, wusste jeder früher als Frau Brigitte, denn wenn sie auch nicht alle Hände und noch mehr ihre Gedanken voll gehabt, so hätte ihr Gefühl für altes Gastrecht ihr doch nicht erlaubt, nach dem Grunde zu fragen, wo die Ehre ihr genügen musste. Noch schienen die verdrießlichen und verstörten Gesichter der Herren selbst geneigt, es einem jeden zu sagen, was sie zu so ungewohnter Stunde in dieses abgelegene Haus geführt. Aber das Gesinde wusste, noch ehe die Pferde im Stall an der Krippe standen, dass eine Rotte hungriger Wölfe den Reitern auf den Fersen, dass es ein schreckliches Jagen und Treiben gewesen, dass die Herren endlich im Schneegestöber den Weg verloren, und statt auf Kloster Lehnin, waren sie auf Burg Hohenziatz zugeritten.
Nun aber, da sie am prasselnden Kamin einen guten Trunk getan, der nach guter Sitte für Reisende dem Abendimbiss vorangeht, schien die Verstarrung ihrer Glieder sich zu lösen, und der Bischof, den Humpen wegsetzend, sagte, wenn er's nicht eben erlebt, hätte er es für einen Traum gehalten. Und der Abt von Lehnin setzte hinzu, es sei ihm noch nicht fürkommen, dass sie in Rudeln durch die Zauche streiften; noch könne es der Winter sein, der sie aus Polen rübertrieb, da er erst so spät anfange rau zu werden.
Der eine Ritter, ein hagerer Mann, dem das an Länge zu gut kam, was die Prälaten an Breite über Not hatten, und mit einem Gesicht, das fast wie ein Totenkopf aussah, wenn das des Bischofs wie ein Vollmond glänzte, der schüttelte den Kopf:
„Halten die Herren Prälaten zu Gnaden, bei uns am hohen Flemming wissen wir's anders. In den Schluchten, die von den dicken Buchenwäldern überhangen sind, haben sie ihre Nester oder ihre Zucht; das wimmelt und kribbelt da zu Zeiten von Dingen wie Ratten.“
„Was haltet Ihr nicht Wolfsjagden, was reutet Ihr sie nicht aus?“, sagte der Bischof, „'s ist mir kein Getier so in der Seele zuwider.“
„Heilige Jungfrau, das grausliche Geheul summt mir noch in den Ohren“, sagte der Abt.
„Hochwürdigster, darüber denkt man bei uns besonders“, fuhr der lange Ritter fort. „Als ich noch ein Knab' war, ritt ich mit Dero Permiss in einer kalten Winternacht nach Haus. Die Sterne funkelten und die Luft knisterte, da wir durch einen Hohlweg kamen; aber mitten drinnen hörten wir's von den Bergen heulen, und das war Geheul, über das sich keiner täuschen mochte. Und bald stürzt es uns entgegen, schwarz über den Schnee, es mochten ihrer mehr als ein Dutzend sein, und gerad auf den Hohlweg zu, so wir passierten. Mir ward, wie Ihr denken könnt, nicht gut zu Mut, und ich sprach zum Knecht: „Lasst uns kehrt machen, Christian!“ Er schüttelte: „Junker, das hilf' uns nichts, die sind schneller als der Wind.“ Nun sah ich nach den Höhen rechts und links; aber wie sollten wir mit unsern schweren Gäulen rauf, sie waren steil und glatt vom Frost. In solchen Fällen, meine hochwürdigen Herren, schlägt die Gottesfurcht auch bei uns durch; denn wir armen Laien haben nicht immer Zeit, wie die geistlichen Herren an unser Seelenheil zu denken. Also, wie ich die Arme vor mir Kreuzschlagen will, und ein Paternoster stammle, stößt mich der Christian an: „Junker tut's bei Leibe nicht, sonst denken sie, wir sind Pfaffen. Seid ganz ruhig, uns tun sie nichts, wenn sie wittern, dass Ihr der Junker aus Stülpe seid.“
„Wie das?“, fragte ich, aber nun war nicht mehr Zeit zum Antworten; er flüsterte: „Macht's wie ich,“ und da waren sie schon heran. Ich saß wie angefroren und mein Ross unter mir wie Stein. Da sprang der vorderste, ein entsetzliches Tier, mit einem Satz, dass er mich beim Schopf hätte langen können, aber der alte Knecht hatte schon seine Mütze abgezogen und sprach: „Glück auf die Reise!“ Ich also in meiner Todesangst zieh' auch den Hut tief und sage: „Glück auf die Reise!“ Da guckt mich das Untier mit ein Paar Feueraugen an, ich hab's nicht wieder gesehen, als heute, und tut den Rachen auf, dass mir das Blut erstarrte. Nun weiß ich nicht, hatte ich was im Kopfe, oder war's ein Fieber, mir war's, als grinste es mich freundlich an und sprach: „Guten Abend, Junker von Stülpe!“ und hob die Vorderpfote, wie man grüßen tut, und dann vorbei, und hinter ihm die andern, und alle nickten: „Guten Abend, Junker von Stülpe!“ Ihr Herren, wenn Ihr die funkelnden Augen gesehen, unter Euch wimmelnd und himmelnd, wie zehntausend Irrlichter; oben die Sterne blinkten nur schwach. Und als alle vorbei waren, das Geheul! Es war wie Landsknechte, wenn ihr Obrist vorüberfliegt, ihm nachjubeln. Es dauerte eine Weile, ehe das Blut mir wieder in den Adern floss. „Nun mögt Ihr schon beten“, sagte der Knecht, „sie haben nicht mehr unsere Witterung.“
„Wie das?“, fragte ich, und da hat er mir's vertraut. Die Wölfe haben mehr Verstand, als mancher Mensch denkt, und wissen, wo Bartel Most holt. Wo Schmalhans Küchenmeister ist, brechen sie nimmer ein, sondern wo's die fettesten Zinshühner hat. Darum hat mir der Knecht gesagt, der ist nun freilich tot, und er mag's verantworten, wenn's nicht wahr ist, darum haben die Ritterhöfe bei uns nichts zu fürchten, denn was ist da noch zu suchen, wo's kahl ist!“
„Es geht itzo alles, was gut ist, zu den geistlichen Herren.“
„Unterm Krummstab ist gut wohnen“, sagt der dumme Bauer. „Das weiss ich nun nicht“, sagte der Knecht, „aber das weiß ich: wo poltert's lustiger, wo legen die Hennen mehr Eier, wo kommen die Kälber gemästet zur Welt, und wo wimmelt's von Gänsen, Enten, Truthühnern, Kapaunen, als in den Pfarrhöfen, in den Abteien und Stiften. Das wissen nun die Füchse und die Wölfe. Das Vieh ist schlau; wissen tun sie, wo nichts zu holen ist; da wird kein Huhn gestohlen, keinem Kinde ein Finger gekrümmt, und warum soll man sie fortjagen, wo sie uns nichts tun.“ Das ist nun der Grund, hab' ich gehört, dass sie bei uns am Flemming keine Wolfsjagden anstellen; denn nur wen's juckt, der kratzt sich.“
„Ihr wart wohl dazumal noch sehr jung, Herr von Hake?“, fragte der Abt.
„Zum Scherzen war's doch nicht angetan?“ sprach aber der Bischof, und zog die Brauen zusammen.
„Ich scherzen!“, rief der Ritter, und wer ihn jetzt sah, konnte wirklich nicht an Scherzen denken. Lang und hager wie er war, richtete er sich am Tische auf um drei Köpfe über die andern, und nahm die Kappe vom Haupt, das kahl war. Das Gesicht glich nicht mehr, vielmehr war's ein leibhaftiger Totenkopf, nur um so schreckhafter, da ein Paar stiere Augen groß und geisterhaft aus den tiefen Höhlungen schauten. Und zu dem blassen Gesicht passte das vertragene Lederkoller, das sich an den mageren Oberleib wie ein Gerippe schmiegte.
„Ich scherzen!, meine hochwürdigen Herren. Scherze mit dem Satan, wer Lust hat zu brennen, aber mit Priestern verscherz ich nicht meine Seligkeit. Es war ja in dem Winter 97, die Elbe und Oder standen wie Mauern; die Wölfe aus Polen kamen bis nach Erfurt. Entsinnen meine Herren sich nicht des Priors drüben von den Benediktinern, der von einem Kindtaufen aus Magdeburg zurückkehrte, er lenkte selbst den Schlitten. In der Nacht ist's gewesen, und die Wölfe waren's, die im Hohlweg an mir vorübersausten. Ein Schäfer hat's mehrmals in Magdeburg erzählt; der Schäfer stand am Wege und sah's, wie der Prior seine Rosse peitschte, aber einer hing schon mit den Zähnen hinten am Schlitten, ein Zweiter sprang dem Pferde rechts nach dem Genick. Dann verschwanden sie im Wald. Der Schäfer hat nur noch den grauslichen Schrei des Priesters gehört. Das eine Pferd kam mit dem Schlitten andern Tags abgetrieben und wie sinnlos