Ein Lächeln schwebte um die Lippen der guten Frau und sie hob etwas den Finger: „Als wie die Drosseln nach den roten Ebereschen. Siehst Du, Deine klugen Vögel gehen auch an die Schlingen!“
Die Burgfrau horchte wie auf ein Geräusch aus der Ferne.
„War nur ein Pferdewiehern, ein Wolf ist dahinter. Von unseren sind keine draußen. Es ist nicht gut, auf derlei um Mitternacht achten.“
„Ruprecht entsinnst Du Dich? Christ Jesus, mein Herr und Heiland, steht mir's doch vor Augen wie gestern, als der Lindenberger bei uns einritt. Das stürmte auch, und was kam darauf!“
„Nichts, was nicht kommen musste.“
„Nein, nein,“ sprach Frau Brigitte, wie einen Gedanken abwehrend. „Nichts muss kommen, was nicht der Herr schickt, und was er schickt, ist gut. Wär nicht der Lindenberger bei uns eingeritten, dann hätten sie nicht meinen Gottfried nach Berlin geschleppt in Ketten, der Kurfürst wäre nicht bei uns eingekehrt, er hätte nicht Hans Jürgen gesehen und liebgewonnen, er hätte ihn nicht mit sich genommen an seinen Hof, noch wär er jetzt sein Marschall und Eva, ja und meine Eva –“,
Ein wohlgefällig Lächeln überzog das Antlitz der Alten.
„Und den Junker Hans Jochem hätte nicht der Teufel geholt!“ fiel der Knecht ein. Es schickte sich wohl nicht für einen Knecht, so zu sprechen.
„Der Teufel! Wie Du sprichst, Ruprecht! Er ist ja auf dem Wege, ein Heiliger zu werden. Es ist noch kein Bredow ein Heiliger geworden!“ Die gute Frau sprach es nicht zürnend aus. Etwas von Schalkheit mochte doch in der trüben Miene liegen.
„Es sind viel Heilige gewesen, das ist so meine Meinung,“ sprach der Knecht Ruprecht, „und haben viel getan, die Menschenkinder sind aber darum nicht heilig geworden, noch werden sie's werden. Also war's wohl eine besondere Gattung, wie die Schwäne andere Tiere sind als die Enten. Und als wie eine Bachstelze nicht sollte fliegen wollen und singen wie die Lerche, so ist das zum Exempel gesetzt, dass wir's den Heiligen nicht nachtun sollen. tun's ihnen etwa die nach, an denen es doch wäre, die Mönche und die Domherren und die Prälaten? Wird sich der Abt von Lehnin rösten lassen, wie der heilige Laurentius, oder hat die Äbtissin von Spandow Lust, dass sie sie räderten wie die heilige Katharina? Vom untersten Barfüßler bis zum obersten Erzbischof, da lässt sich keiner auch nur einen kleinen Finger abhauen, und der Papst zum wenigsten. Warum wär's denn da an uns“.
„Ruprecht, warum wären wir denn auf der Welt?“
„Hab's auch manchmal so gedacht. Warum muss der Bauer schwitzen im Sonnenstrahl bei der Ernte, dass er umfällt, warum muss der Soldat die Glieder sich zerhacken lassen im Kriege, warum muss man frieren, hungern, dursten, hinten, am Zipperlein sich schleppen, und der Vogel friert nicht, schwitzt nicht und arbeitet nicht“.
„Das ist Adams Fluch.“
„Schon gut. Es ist ein Pack auf uns geladen, das müssen wir hier mit schleppen, und jeder trägt seines, der Fürst wie der Bauer, das weiss ich recht gut, und wer seines abschmeißen will, dem wird wohl noch eins, das schwerer ist, aufgepackt. Das weiß ich auch. Und murren hilft so wenig als besser machen wollen. Darum müssen wir's geduldig tragen und im Himmelreich wird es uns abgenommen“.
„Ich denke, es wird uns schon eher ein bisschen leichter gemacht.“
„Je älter man wird, so schwerer trägt man“.
„Nicht alle!“ die Edelfrau schüttelte den Kopf. „Nur wer Böses hinter sich hat, meine ich. Wer auf guten Wegen ging, dem wird die Last immer leichter, ob der Fuß auch schwerer wird und die Kniee wanken. Nicht wahr, Ruprecht?“ – und sie fasste ihn am Arm und sah ihn so herzensgut an – „gutes Tun ist schon gut, wenn einer auch keines Lohnes wird. Der Lohn sitzt in ihm, wie ein Funke, der heraus will, der allimmer noch, wenn's Lämpchen erlöschen möchte, knistert und aufflackt. Trägst Du denn so schwer, Ruprecht; sieh mich an, tragen wir beide so schwer? Und wie wir, so wird's viele geben. Die können getrost der Grube zugehen, der Sargdeckel wird nicht so schwer auf sie niederfallen. Nein, nein, es bleibt schon ein Luftspalt, draus weht es und flüstert's, und sie sehen auch wohl, als selige Geister, wie das fortblüht und wächst, was sie säten. Der hochselige Markgraf, der ruht gewisslich sanft, und wenn der Herrgott ihm erlaubt, die Augen aufzuschlagen, lächelt er wohl bisweilen, wenn er die sichern Straßen sieht und die Räuber verschwunden, und der Friede und die Sicherheit, sind das nicht seine Werke? 's ist der Funke, den er zurückließ und sein Sohn hat's nur ausgeführt. Das sind die guten Werke guter Leute, die haben's besser gemacht als es war, und wenn die Leute gut bleiben, geht das so weiter, und walte Gott, dass, wenn unser Herr sich niederlegt, früh oder spat, dass er aus seinem Sargdeckel auch so hinausschauen kann und sieht, dass alles noch besser ist, als er's gekannt.“
„Wer's nur wüsste, wer einem sagte, wie's ist,“ sprach der Knecht Ruprecht, den Kopf im Arm. „Als sie die Universität gemacht haben, dazu glaubte ich doch, wäre das: „Was die Pfaffen nicht wissen, müssten die Professoren wissen.“
„O ja, da sind berühmte Gelehrte, die griechisch wissen, wie unser Herrgott denkt, und was weiß ich, aber für unsereins, klopft da einer an, sie rufen lateinisch herein und setzen uns hebräisch einen Stuhl an die Schwelle, und sonst bleibt's schmutzig und stückig und hoffärtig. Das müsste doch sein, dass mal ein Mönch oder ein Pfaff, oder ein Prälat recht fromm wäre und alles wüsste, und ein christlich Leben führte, an den unsereiner sich halten könnte, und was man ihn fragte über die Seligkeit und das gottgefällige Leben, darauf gäbe er Antwort, und den Armen umsonst. So ein Mann, ja, Ruprecht, der fehlt uns, der wäre besser als alle Deine Vögel und Deine Witterung, und als die Sterne auch, in die der Kurfürst guckt. Gott steh mir bei. Nein, der Mann müsste nur in die Schrift sehen und in Gottes Wort, und wenn zwei sich zankten oder uneins wären, wie Du und ich heute, wir gingen zu ihm hin, und dann täte er's entscheiden und was er sagte, das wäre recht. Und der Mann müsste Papst werden.“
„Und dann?“
„Was dann, Ruprecht?“
„Ist es die alte Geschichte. Er wäre Papst, und dann –“,
Sie wurden durch ein heftiges, lang anhaltendes Pochen am äußeren Tor unterbrochen. Während des Pochens riefen mehrere Männerstimmen heftig, gebieterisch und ängstlich nach Öffnung.
Knecht Ruprecht ward nicht leicht blass, jetzt war er es.
„Das sind nicht Räuber!“ sprach die Burgfrau und war aufgestanden.
„Aber es ist Mittwoch vor Invokavit!“
„Sie schreien um Hilfe.“
Der Knecht Ruprecht stand noch im warmen Zimmer, als die Burgfrau schon, die Kerze in der Hand, hinaus war und draußen an der Glocke riss, die das Gesinde zusammenrief.
Als das Gitter aufgezogen war und die Torflügel aufsprangen, was gewiss nur geschehen, nachdem die drinnen sich versichert, wer die draußen waren, sprengten vier Reiter von verschiedenem Ansehen, alle sichtlich verwildert, in den Hof. Ihre Rosse waren voll Schweiß und zitterten. Die Reiter schienen noch der Sprache kaum mächtig; dem einen saß die Kappe zur Seite, dem andern war der Hut entfallen. Die Harnisch und Panzerhemd umhatten, schnauften darunter nach Luft, bis der eine von diesen an den ältesten und vornehmsten heranritt, der in seinen weiten Mantel fest verwickelt war und mit gläsernem Auge umherschaute.
„Hochwürdigster!“ sprach der Ritter. „Das ist Burg Hohenziatz, wir sind unter guten Leuten und in Sicherheit.“
Der, an den es gerichtet, schaute sich aber noch immer wie der Sprache ohnmächtig und ungewiss um. Erst als das Gitter wieder hinter ihm fiel, und der Ritter, der ihn angeredet, selbst vom Sattel gesprungen war und sein Pferd hielt, stieg er mit Hilfe desselben vom Steigbügel.
Wir sahen schon ehedem den Burghof von Hohenziatz, auch nächtlich beim Fackelschein und Reiter ein- und ausreiten, aber es hatte sich manches geändert. Flüchtlinge kamen nicht mehr, und Abenteurer ritten nicht mehr aus; es war in der Zauche