Die Colonie. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753174471
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weiß, wo." /22/

      „Das zeige ich Ihnen noch heut Abend, denn wir haben in der That keine Zeit zu verlieren. Ihre Pferde brauchen Sie dabei nicht anzustrengen, ich borge Ihnen von meinen Thieren, und Könnern hier begleitet uns; dann können Sie morgen früh mit Tagesanbruch Ihre Arbeit gleich beginnen. Was Sie von Leuten dazu brauchen, stelle ich Ihnen; ich kenne einige dazu ganz passende junge Burschen, und hätte die Arbeit schon längst selbst gemacht, wenn ich's eben im Stande wäre. Aber sehen Sie selber hier die Actenstöße an - Berichte, Klagen, Eingaben, Zänkereien, Befehle von Oben, wovon immer einer dem andern widerspricht, und Quengeleien, daß sie einen Heiligen manchmal zum Fluchen bringen könnten - und ich bin eben keiner - doch darüber sprechen wir nachher. Und außerdem noch, lieber Schwartzau - Sie waren Officier, nicht wahr?"

      „In schleswig-holsteinischen Diensten."

      „Aha - die alte Geschichte, mit der sie daheim die besten Kräfte über die Grenze getrieben haben. - Ich muß Sie noch um Entschuldigung bitten, daß mein Empfang gerade kein überfreundlicher war, aber weiß es Gott, sie treiben es hier manchmal, daß es Einem die Galle mit Gewalt in's Blut hineinjagt. Die Frau Gräfin verbessert überhaupt nie meine Laune, wenn sie mich einmal mit ihrem hohen Besuche beehrt."

      „Die Frau Gräfin," sagte Könnern, aufmerksam werdend; „war das etwa die Dame, die vorhin aus dem Hause trat?"

      „Kurz vorher, ehe Sie kamen - sie verließ mich sehr beleidigt, daß ich einen armen Teufel von Bauer, der noch drei Stunden Weges bis nach Hause hat, nicht ihretwegen vor der Thür warten ließ und ihn abfertigte, während sie bei mir war. Doch ich schwatze und schwatze. Also, Schwartzau, Sie müssen sich noch ein paar Tage im Wirthshause unterbringen, und dann werden Sie wahrscheinlich gezwungen sein, einige Wochen auszulagern, bis dahin aber hoffe ich, Ihnen Raum geschafft zu haben. Heh, Christoph - Klaas!" rief er dann aus dem Fenster - „schaff' doch einmal die Sachen des fremden Herrn in's Haus - Sattel und Taschen, oder was es ist - wo wollen Sie hin, Könnern?" /23/

      „Wenn Sie es denn nicht anders haben wollen, so muß ich wenigstens hinunter, um mein Packthier selber abzuladen, daß mir die guten Leute nichts zerbrechen?'

      „Gut, auch recht. Lassen Sie nur Alles hier herauf schaffen und draußen vor die Thür stellen; wir arrangiren es dann selber, denn ich habe hier Junggesellenwirthschaft. Indessen Sie das besorgen, schreibe ich nur noch zwei Briefe, die jener Colonist mit in eine andere neue Colonie nehmen muß, wohin sonst sehr selten Gelegenheit ist."

      „Und um wie viel Uhr ist es Ihnen recht?" fragte Günther.

      „Um aber das können wir nachher bereden," sagte der Director; „natürlich essen Sie mit uns, was gerade da ist, und nach dem Essen reiten wir in aller Bequemlichkeit hinaus. Die übrigen Geschäfte müssen warten, denn dieses ist das wichtigste. Um ein Uhr esse ich gewöhnlich, bis dahin behalten Sie also noch übrig Zeit, sich ein wenig auszuruhen. Und Sie, lieber Könnern, kommen gleich wieder zu mir hinauf, sobald Sie Ihre Sachen besorgt haben."

      Und damit, ohne irgend eine Einladung zu erwarten, setzte er sich ohne Weiteres an seinen Schreibtisch und überließ die beiden Fremden indessen sich selber.

      „Nun, wie gefällt Ihnen Ihr Director?" sagte Könnern auf der Treppe.

      „Vortrefflich!" erwiderte Günther; „im Anfang schien er ein wenig brummig, aber der Name Ihres Bruders wirkte Wunder. - Wo haben sich die beiden Herren eigentlich gekannt?"

      „In der österreichischen Armee," erwarte Könnern, „wo sie den siegreichen Feldzug in den vierziger Jahren zusammen durchgemacht haben. Mir gefällt aber Mann auch außerdem; er ist rasch, kurz angebunden wie mir scheint, aufrichtig und offen. Mit solchen Leuten ist immer am besten verkehren, denn der Böse soll die Unfreundlichen holen, die stets ein lächelndes Gesicht zeigen, und bei denen man doch nie und nimmer weiß, woran man mit ihnen eigentlich ist."

      „Mich hat es ebenfalls gefreut, daß er mich so ohne /24/ Weiteres in's Wirthshaus wies. Er hätte ja eine lange Entschuldigung machen können, aber er sagte einfach, deshalb geht's nicht, und damit Punktum. Ich glaube, ich werde mit dem Director fertig."

      Sic waren damit vor die Thür getreten, wo ihre Diener mit den Pferden noch hielten, und während Günther wieder aufstieg, lockerte Könnern seinem Grauen den Sattelgurt. Da schallten rasche Hufschläge die Straße herauf, Beide wandten den Kopf dorthin und Günther rief aus:

      „Hallo, wer kommt da - eine Amazone!"

      In demselben Augenblicke aber sprengten schon zwei Reiter, mehr in Carriére als in Galopp, an dem Hause des Directors vorüber, und die beiden Fremden hatten nur eben Zeit zu bemerken, daß auf dem ersten Pferde ein junges wunderhübsches Mädchen in einem knapp anschließenden, dunkeln Reitkleide saß, mit einem kleinen Amazonenhute auf, von dem eine einzelne mächtige weiße Straußfeder und ein paar lange Reiherfedern in dem scharfen Luftzuge weit auswehten. Ihr Begleiter, der etwa eine Pferdelänge hinter ihr folgte, war ein ganz junger Bursche von etwa sechzehn bis siebzehn Jahren.

      Wie eine Erscheinung flogen die Beiden an ihnen vorüber, und Günther hatte noch außerdem jetzt mit seinem eigenen Pferde zu thun, das sich, wie es schien, am liebsten dem Rennen angeschlossen hätte und herüber und hinüber tanzte.

      „Hier im Orte scheint es wirklich ganz interessante Gesellschaft zu geben," sagte Könnern, als die wilden Reiter die Straße hinab verschwunden waren, „und es wird lohnen, sich eine Zeit lang aufzuhalten und ihre Bekanntschaft zu machen."

      „Beinahe hätt' ich das Letzte gleich gethan," lachte Günther, „denn mein Rappe schien dasselbe Bedürfniß zu fühlen. Aber, Adieu jetzt, Kamerad. Um ein Uhr sehen wir uns beim Diner wieder."

      „Hoffentlich nicht im Frack, denn darauf bin ich nicht eingerichtet," nickte ihm Könnern zu, während Günther, von seinen beiden Lastthieren gefolgt, denselben Weg, aber /25/ bedeutend langsamer, einschlug, den die junge Dame eben genommen. Die Kirche lag in dieser Richtung, und er wußte gut genug, daß Könnern Recht hatte, wenn er das Wirthshaus dicht daneben vermuthete.

      Aus dem Directionshause waren indessen ein paar deutsche Arbeiter gekommen, junge Burschen in Hemdärmeln und mit ledernen Hosen und Pantoffeln, der eine eine runde blaue, der andere eine viereckig grüne Mütze auf, und beide genau so aussehend, als ob sie eben dieselben Pantoffeln nicht ausgezogen hätten, seit sie in Bremen oder Hamburg das Schiff betreten.

      Diese griffen willig mit zu, das Packthier abzusatteln, und wenn sie auch stets an den verkehrten Stricken, aber deshalb nicht minder gutgemeint, zogen, gelang es doch endlich mit Könnern's Hülfe, den Packen aufzuschnüren, und die verschiedenen Gegenstände in's Haus und in die erste Etage zu schaffen. Die Pferde brachten sie dann ebenfalls auf einen kleinen Weideplatz dicht am Hause, wo sie auch einzeln gefüttert werden konnten, und seinen Diener schickte Könnern dann mit dessen eigenem Sattelzeuge in das Wirthshaus hinüber, da er den Eingeborenen nicht mit den Deutschen zusammenbringen wollte. Er wußte, daß dies selten gut that.

      Hierbei gelang es ihm, einen Blick in den untern Theil des Directionshauses zu werfen, und es sah dort allerdings wild und wunderlich genug aus. Das ganze Haus war noch neu, ja, es stand sogar noch ein Theil des Gerüstes. Die Wände waren auch nur erst einfach geweißt und die Fensterrahmen noch nicht einmal gestrichen.

      Gleichwohl glich der Platz da unten weit eher einem indianischen Bivouak, als der Wohnung eines Directors der Colonie, denn überall in den Zimmern lagen Matratzen, überall an den Wänden standen die riesigen Kisten und Koffer der Auswanderer, mit der groß gemalten Adresse „Nach Brasilien" noch daran, und auf dem ebenfalls preisgegebenen Kochherde war auf jeder Ecke ein Feuer angezündet, über dem theils ein Kessel brodelte, theils eine Pfanne zischte. Selbst im Hofe loderte ein stattliches Feuer, /26/ um den übrigen Kochgeschirren Raum zu geben, denn heute war ja Sonntag, und die Deutschen feierten diesen, genau wie daheim, mit Essen und Trinken.

      Könnern, im Augenblick ohne weitere Beschäftigung, trat dort hinein, ohne daß die Leute jedoch besondere Notiz von ihm genommen hätten. Ein paar alte Frauen saßen auf den Kisten in der Ecke und lasen in ihren Gesangbüchern; die Mädchen und jungen Frauen waren fast alle mit einer oder der andern Arbeit für die Küche beschäftigt, und