Schilfrohr im Winde. Grazia Deledda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Grazia Deledda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752932911
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mit diesem Unsinn«, sagte Efix und stellte den Korb vor die Füße des Mädchens; aber dieses lauschte wie gebannt den Worten der Alten, und auch er glaubte, als er weiter die Straße entlangschritt, die Vergangenheit aus jedem Mauerwinkel dräuen zu sehen. Dort hinten auf der Steinbank vor dem grauen Haus des Milese sitzt ein dicker Mann in einer Samtjoppe, deren helles Braun das rote Gesicht und den schwarzen Bart klar hervorhebt.

       Ist das nicht Don Zame? Wie er sich in die Brust wirft, die Daumen in den Westentaschen, die anderen roten Finger um die goldene Uhrkette gekrampft! Den ganzen Tag sitzt er dort, um die Vorübergehenden zu beobachten und zu verspotten. Aus Angst vor seiner bösen Zunge schlägt manch einer einen anderen Weg ein, so auch Efix, um unbemerkt das Haus der Wucherin zu erreichen.

      Eine Feigenhecke umgab wie eine mächtige Mauer den Hof der Muhme Kallina. Sie saß am Spinnrocken: klein, mit bloßen, in gestickten Filzschuhen steckenden Füßen, mit aschgrauem Gesicht und golden im Schatten des zurückgestreiften Kopftuches funkelnden Raubvogelaugen.

      »Ei, lieber Efix! Wie geht's? Was machen deine Damen? Und was führt dich zu mir? Komm, nimm Platz, verschnaufe dich ein wenig!«

      Schläfrige Hennen, die sich unter dem Gefieder krauten, muntere Katzen, die hinter ein paar rosigen Schweinchen herjagten, weiße und blaugraue Tauben, ein angepflockter Esel und die Schwalben in der Luft gaben dem Hof etwas von einer Arche Noah. Das Häuschen schmiegte sich an das alte, neu instand gesetzte Haus des Milese, das wohl ein neues Dach hatte, dessen Mauern aber da und dort zerbröckelt waren wie unter den Krallen der Zeit, die sich ihre Beute nicht ungestraft rauben lassen wollte.

      »Das Gut?« sagte Efix, der sich neben der Alten an die Wand lehnte. »Das blüht und gedeiht. Heuer werden wir mehr Mandeln haben als Blätter. Und dann werde ich dir alles bezahlen, Kallina. Sei unbesorgt ...«

      Sie runzelte die kahlen Brauen und folgte mit den Augen dem Garn ihrer Kunkel.

       »Sieh an, daran habe ich nicht einmal gedacht! Wären alle wie du, dann wären die sieben Taler, die du mir schuldest, im Nu hundert.«

      Der Kuckuck soll dich holen! Dachte Efix. Zu Weihnachten hast du mir vier Taler geborgt, und jetzt sind es schon sieben!

      »Nun, Kallina,« setzte er leise hinzu und senkte den Kopf, als wenn er mit den Schweinchen spräche, die zudringlich seine Füße beschnupperten, »gib mir noch einen Taler dazu. Dann sind es im Ganzen acht, und im Juli werde ich sie dir, so wahr die Sonne scheint, auf Heller und Pfennig zurückbezahlen ...«

      Die Wucherin gab ihm keine Antwort; aber sie musterte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und ballte abwehrend die Faust gegen ihn.

      Efix zuckte zusammen und packte sie am Handgelenk, während die Schweinchen vor den Katzen flüchteten und die Hühner aufgeregt durcheinanderflatterten bei diesem Lärm.

      »Zum Teufel, Kallina! Wenn's nicht solche Käuze gäbe auf der Welt wie mich, könntest du dein Wuchergeschäft an den Nagel hängen und Blutegel fangen gehen.«

       »Lieber Blutegel fangen, als sich aussaugen lassen von einem solchen Tropf, wie du es bist! Ja, du Narr, ich borge dir den Taler. Meinetwegen auch gleich zehn oder hundert, wenn du willst. Borge ich sie doch auch anderen, angeseheneren Leuten als dir, deinen Herrinnen zum Beispiel. Aber verwünschen werde ich dich stets, solange du ein solcher Narr bleibst – mit anderen Worten, bis zu deinem Tode. Warte, ich hole jetzt das Geld ...«

      Und sie ging ins Haus und holte fünf Silberlire.

      Mit den klingenden Münzen in der Faust ging Efix fort, während die Alte ihm spöttisch nachwinkte.

      »Bestell deinen Damen einen schönen Gruß und sag, ich wünschte ihnen ewige Jugend.«

      Aber er war gewillt, allen Spott zu ertragen, um bei Ankunft des jungen Herrn Giacinto schmuck und sauber auszusehen. Ihm zu Ehren wollte er sich eine neue Mütze kaufen, und so stieg er denn in Mileses Laden hinab und ließ sich sogar herbei, den Mann zu grüßen, der auf der Bank saß. Es war Don Predu, der reiche Verwandte seiner Herrinnen.

      Don Predu würdigte ihn nur eines verächtlichen Kopfnickens, spitzte aber neugierig die Ohren, um zu hören, was der Knecht wohl kaufe.

      »Ich möchte eine Zipfelmütze, Antonio. Aber hübsch lang muß sie sein und nicht voll Mottenlöcher.«

      »Ich habe sie doch nicht aus dem Haus deiner Damen geholt«, erwiderte Milese, der berüchtigt war wegen seiner scharfen Zunge. Und Don Predu räusperte sich draußen zum Zeichen seiner Zustimmung, während der Kaufmann eine kleine Leiter emporkletterte.

      »Alles altert und alles kann sich erneuern – so wie das Jahr«, entgegnete Efix, der mit den Blicken der ausgemergelten Gestalt Mileses folgte, der nach altem Brauch noch eine Ziegenfellweste trug.

       Das Lädchen war klein, aber gedrängt voll. Auf den Regalen leuchteten scharlachrote Stoffballen, und daneben schimmerte giftgrün der Minzenlikör in bauchigen Flaschen; die Mehlsäcke machten sich mit ihren weißen Leibern über den schwarzen Höckern der Heringsfäßchen breit, und in dem kleinen Schaufenster lächelten die nackten Frauen aus den Ansichtskarten gnädig auf das ranzige Backwerk in den Blechbüchsen und auf die bunten Seidenbänder herab.

      Indes Milese die langen schwarzen Tuchmützen aus einer Schachtel nahm und Efix mit gespreizter Hand ihre Weite maß, öffnete jemand die kleine Tür zum Hof; und in ihrem von Weinlaub umrankten Rahmen wurde eine stattliche Frauengestalt sichtbar, die auf einer breiten Truhe thronte und mit sanften Bewegungen Flachs spann, fast wie eine Königin der Vorzeit.

      »Dort sitzt meine Schwiegermutter. Frag sie doch, ob diese Mützen mich nicht selbst neun Peseten kosten,« sagte Milese, während Efix eine von ihnen aufsetzte, sie tief in die Stirn zog und die Quaste fein säuberlich auf den Scheitel legte. »Du hast dir gleich die feinste ausgesucht; du bist gar nicht so bescheiden, wie es immer heißt.«

      »Die ist zu eng.«

      »Weil sie noch neu ist. Mann Gottes! Nimm sie ruhig. Neun Peseten – das ist so gut wie nachgeworfen.«

      Efix nahm sie ab und zog sie nachdenklich glatt; schließlich legte er das Geld der Wucherin auf den Tisch.

       Don Predu sah zur Tür herein, und der Umstand, daß Efix eine so prächtige Mütze kaufte, machte auch Mileses Schwiegermutter stutzig. Mit einer stummen Kopfbewegung winkte sie den Knecht zu sich und fragte ihn feierlich, wie es seinen Herrinnen gehe. Letzten Endes waren sie doch aus adligem Hause, und nur ein Emporkömmling, ein reichgewordener Hausierer wie ihr Schwiegersohn Milese konnte es an der schuldigen Achtung vor ihnen fehlen lassen.

      »Grüße sie herzlich von mir und sage Fräulein Ruth, ich würde sie bald einmal besuchen. Wir waren doch stets gute Freundinnen, obwohl ich nicht von altem Adel bin wie sie.«

      »Herzensadel ist auch ein Adel«, erwiderte Efix höflich; doch sie drehte nur die Kunkel flüchtig in der Hand, als wollte sie sagen: Sprechen wir nicht davon!

      »Auch mein Bruder, der Pfarrer, schätzt deine Herrinnen sehr. Er fragt mich immer: ›Wann werden wir wieder einmal mit den Damen zum Marienfest pilgern?‹«

      »Ja«, fuhr sie fast wehmütig fort, »früher, als wir noch jung waren, da gingen wir immer alle zusammen zum Fest. Damals freute man sich noch über jede Kleinigkeit. Heutzutage aber scheinen die Leute sich des Lachens geradezu zu schämen.«

      Efix legte sorgfältig seine Mütze zusammen.

      »So Gott will, werden meine Herrinnen dieses Jahr auch wieder zu dem Fest pilgern – um zu beten, nicht zum Vergnügen ...«

      »Das freut mich. Und sag mal, wenn ich fragen darf: Ist es wahr, dass Lias Sohn herkommt? Man erzählte es sich heute Morgen im Laden.«

       Da Milese an die Tür gegangen war und über irgendetwas lachte, was Don Predu ihm zuraunte, rief Efix mit betonter Würde: »Ja, es ist wahr. Deshalb bin ich ja im Dorf; ich soll ein Pferd für ihn kaufen.«

      »Ein Schaukelpferd?« fragte nunmehr Don Predu und lachte dröhnend. »Ach so, deshalb sah ich dich auch vorhin aus der Höhle der alten Kallina kommen.«

      »Und