Stumme Zeugen. Katrin Fölck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katrin Fölck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753108001
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mach`s gut.“

       Im Weggehen höre ich, wie Jim noch mit den Polizisten spricht, die den ganzen Sonntag vor Ort verbleiben werden, um den abgesperrten Tatort zu sichern.

      3

      Als ich zurück zu meiner Wohnung fahre, ist es längst hell. Mein Magen grummelt. In Anbetracht dessen und mit dem Wissen darüber, dass mein Kühlschrank nichts Essbares mehr hergibt, beschließe ich, mir als erstes mit einem ausgiebigen Frühstück etwas Gutes zu tun. Ich habe die Wahl zwischen „Burger King“ und „Mc Donalds“. Mein Lieblingsfrühstückslokal „First Watch“ öffnet erst um sieben Uhr.

       Während des Essens versuche ich nicht an den Fall zu denken. Doch kaum zurück im Auto kreisen meine Gedanken längst wieder um die beiden außergewöhnlichen Morde. Bis jetzt waren wir davon ausgegangen, dass der Mordfall an Haley Carson vor drei Wochen eine Beziehungstat war. Dies war einzig und allein dem Fakt geschuldet, welchen uns die Statistik immer wieder aufzeigte: Fünfzig Prozent der Täter waren im engsten Umfeld der Opfer zu finden. Meist waren es deren Ehemänner, Freunde oder Geliebte.

       Zuhause angekommen, schlage ich meine Aufzeichnung, die ich zum Mordfall Carson angefertigt habe, noch einmal auf und überfliege meine Niederschrift. Vielleicht hatten wir ja irgendetwas übersehen…

       Als wir Haley Carson fanden, waren wir davon ausgegangen, dass ihre Verletzungen im Bauchraum von einem Wildtier stammten, die ihr sozusagen post mortem zugefügt wurden. Die Untersuchungen der Gerichtsmedizin ergaben jedoch, dass Haley zum Todeszeitpunkt schwanger war und ihr der Embryo herausgeschnitten wurde.

       Bei der späteren Befragung ihres Ehemannes erfuhren wir dann, dass sie bereits im siebenten Monat, er jedoch nicht der Erzeuger des Kindes war. William Carson hatte sich nach der zweiten Scheidung sterilisieren lassen, da er bereits drei Kinder aus seinen vorherigen Ehen hatte und keine weiteren Kinder mehr wollte. Damit war nicht nur uns klar, dass Haley Carson ein außereheliches Verhältnis zu einem anderen Mann geführt haben musste. Ihr Ehemann hatte uns gegenüber geäußert, dass er seiner Frau zwar ihre Untreue, nicht jedoch die Zeugung eines Kindes mit einem Anderen verzeihen könne. Um ihre Ehe zu retten, kam für ihn nur eine Abtreibung infrage, was seine Frau rigoros abgelehnt hatte. Dadurch hatte Haley nicht nur ihre Ehe, sondern vor allem sein Leben zerstört. Er hatte ein Motiv, seine Frau zu töten und das unliebsame Ungeborene gleich mit. Das stand außer Frage. Wäre da nicht ihr Geliebter: Luke Palmer.

       Bei seiner Vernehmung äußerte er, dass er, als er mit der Schwangerschaft konfrontiert wurde, die Liaison mit Haley sofort beendet habe. Auch er wollte, dass sie abtreibt. Er bot ihr Geld für ihr Schweigen. Haley jedoch wollte das Kind. Sie lauerte ihm in der Folge mehrfach auf, um ihn umzustimmen. Sie hoffte nach wie vor auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Er jedoch hatte nie vor, sich von seiner Frau zu trennen. Aus Angst, seine Ehefrau würde von seinem Verhältnis und dem dabei entstandenen Kind erfahren, hatte auch er einen Grund, seine ehemalige Geliebte für immer zum Schweigen zu bringen…

       Beide Männer hatten ein Motiv. Beide konnten die Tat begangen haben. Wir glaubten zu diesem Zeitpunkt wirklich noch, es wäre nur eine Frage der Zeit, dass einer der Männer den Mord an Haley gestehen würde…

       Doch das hatte sich heute schlagartig mit dem Auffinden des neuen Opfers mit den gleichen Merkmalen zerschlagen und machte unsere ganze Arbeit der letzten Wochen zunichte. Was hieß, alles wieder auf Anfang.

      Ich schließe die Aktensammlung und lasse sie in hohem Bogen auf den Couchtisch fallen. Ins Präsidium zu fahren, würde keinen Sinn machen. Hätte man inzwischen etwas über die Tote in Erfahrung gebracht, hätte man mich längst informiert. Also beherzige ich Jims Rat und nutze die mir noch verbleibende Zeit, um mich mal wieder auszupowern. Zum Glück befindet sich das Fitnessstudio gleich bei mir um die Ecke. Das würde mir helfen, den Kopf freizubekommen.

      4

      Montagmorgen bin ich kurz vor acht Uhr in meiner Dienststelle, in der es bereits wie in einem Ameisenhaufen zugeht.

      „Morgen, Sully.“, begrüße ich Jason Sullyvan, unseren IT-Spezialisten, der seinen Arbeitsplatz gleich im Eingangsbereich hat, im Vorbeigehen und nicke Michael Hobbs zu, der ein Telefongespräch tätigt. Ich schicke einen „Guten Morgen“-Gruß in Richtung Joao Ramirez und Luiz Sanchez, die mir entgegenkommen, um das Büro schon wieder zu verlassen. Mein Blick bleibt an Riley Leech hängen, der dem Anschein nach der einzige hier ist, der einen entspannten Eindruck auf mich macht.

       „Wo wollen die denn hin?“, frage ich ihn.

      „Die Bewohner von Weber Place und Marbury Road befragen.“, erhalte ich zur Antwort.

       „Aaah, ja.“, gebe ich von mir und frage nach, ob es schon irgendetwas Neues in unserem Fall gibt. Er schüttelt verneinend den Kopf.

       Hinter mir vernehme ich Jims markante Stimme: „Ist unser Zeuge schon da?“

       Sully antwortet ihm: „Ja, sitzt draußen. Soll ich ihn reinholen? Seiner Freundin ist in Bezug zum Tatfahrzeug übrigens noch etwas eingefallen: Am Heck des Lieferwagens befand sich ein Bild oder ein Aufkleber. Sie hat es mir aufgemalt. Jedenfalls das, was sie innerhalb der wenigen Sekunden, in der der Transporter an ihr vorbeigerast ist, erkennen konnte…“

       Papier raschelt. Er nimmt ein Blatt von seinem Schreibtisch und begutachtet die Zeichnung, indem er sie hin- und herdreht: „Weiß nicht, hat irgendwie Ähnlichkeit mit einem Krokodil…“

       Er reicht es Jim. „Hm. Na ja…“, sagt der und gibt es dann an mich weiter.

      Auch ich beschaue mir die Darstellung eindringlich. „Könnte Werbung für einen Reptilienpark, einen Zoo oder ähnliches sein.“, bemerke ich.

       Sully zuckt die Schultern. „Schon möglich. In Florida gibt es Alligatorenparks, aber hier bei uns? Ist auch nicht gerade die beste Zeichnung.“, merkt er an.

       „Das ist unsere erste Spur zum Täter.“, gibt Riley enthusiastisch von sich. „Wir sollten nach dem Lieferwagen suchen.“

       Jim blickt auf. „Klar. Und was denkst du, wie lange das dauert?! In unserer Stadt leben mehr als zwanzigtausend Menschen. Wie viele davon, glaubst du, fahren einen schwarzen Lieferwagen?“

       „Ich dachte ja nur, bis wir einen anderen Anhaltspunkt haben…“, gibt Riley eingeschüchtert von sich.

       Jim blickt in die Runde: „Noch jemand `ne Idee?“

      „Der Junge hat Recht, ist immer noch besser als nichts. Auch wenn es der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen gleichkommt.“, kommt Robert Manson Riley zu Hilfe.

       „Wäre doch einen Versuch wert.“, pflichtet ihm nun auch Michael Hobbs bei.

       „Ich weiß nicht.“, schüttelt Jim den Kopf, „Wir haben kein Kennzeichen, nur ´ne Kritzelei auf einem Blatt Papier, das ein Krokodil oder ähnliches darstellt… Wir müssten unglaubliches Glück haben, wenn uns der Täter in die Fänge geht. Vielleicht kommt er ja auch aus einem anderen County?“, merkt er an, lenkt aber dann doch ein. „Meinetwegen.“

       Er sieht auf die Uhr. „Was brauchen die in der Gerichtsmedizin denn so lange?“ Jim kratzt sich am Kinn. „Ich hoffe, dieser Perverse hat Spuren an der Leiche hinterlassen… Möglicherweise haben wir ihn ja bereits in unserer Verbrecherkartei,“ setzt er fort. „Ich will, dass wir den schnellstens kriegen.“

      „Dieses Schwein lässt die toten Frauen zurück wie eine leere Hülle. Ich frag mich die ganze Zeit, was er mit dem Fötus will?“, äußert sich Robert Manson.

       „Du hast Recht.“, erwidere ich ihm. „Er nimmt den Tod der Frauen billigend in Kauf. Sie spielen keine Rolle für ihn. Es scheint ihm einzig und allein um das Ungeborene zu gehen.“, pflichte ich ihm bei.

       Auch Jim nickt zustimmend, bevor er sich am Hinterkopf kratzt. „So einen Fall habe ich in meiner gesamten Dienstzeit noch nicht erlebt.“

       Betretenes Schweigen im Raum.

      Rosaria de Santos stößt mit dem Bericht der Gerichtsmedizin zu uns und