Stumme Zeugen. Katrin Fölck. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katrin Fölck
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753108001
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weiteren Offenbarungen machen wird und startet seinen Rückzug.

       „Danke, Jim. Ich hoffe, Ihr fangt das Schwein bald.“

      Der Fotograf nickt uns kurz zu. Er muss sich beeilen, wenn er die von ihm gemachten Fotos noch in der nächsten Ausgabe der Tagespresse unterbringen will.

       „Leben und leben lassen.“, brummt Jim gequält. „Für die Einen ist es zu Ende, bevor es richtig anfängt… Für die Anderen geht es weiter wie gehabt und Einige leben vom Geschäft mit dem Tod.“

       Ich habe ihm nichts zu erwidern und folge ihm zur Absperrung, die den Tatort vom Rest der Gegend trennt.

       Nach wie vor hält sich eine kleine Anzahl von Leuten dahinter auf und versucht, etwas von dem Ganzen, was sich hier abgespielt hat, mitzubekommen oder einfach nur, einen Blick zu erhaschen.

       Jim will dem ein Ende machen und geht in die Offensive. Er spricht sie an: „Ich bin Jim Mitchell,

      Chiefinspector des hiesigen Polizeidepartments, und das neben mir ist Detektiv Clifton Parker von der Mordkommission. Falls jemand unter Ihnen ist, der sachdienliche Hinweise zum Tod der Frau machen kann, würde ich ihn bitten, sich hier und jetzt zu melden. Jeder noch so kleine Hinweis ist für uns von Bedeutung. Also, falls jemand etwas gesehen oder gehört haben sollte, scheuen Sie sich nicht…“

       Lautes Stimmengewirr und Geraune ist die Reaktion der Anwesenden.

       „Leute, bitte!“, mahnt Jim an. „Jeder, der etwas gesehen hat, bleibt. Allen Anderen sage ich: Geht nach Hause und lasst uns unsere Arbeit machen.“

       Diesmal zeigt seine Aufforderung Wirkung. Die Ersten verlassen den Platz.

       „Chief!“, meldet sich ein junger Kerl, der etwas verdeckt steht, „ich glaube, ich habe den gesehen, der das war.“

       Jim winkt ihm zu, näher zu kommen.

      Dafür müssen ihm allerdings die vor ihm Stehenden erst einmal Platz machen, da er ein Fahrrad dabeihat.

       „Also?“, fragt Jim. „Wie sah er aus?“

      „…ich habe nur den Wagen gesehen.“, erklärt der etwa Sechzehnjährige.

       „Und wie sah der aus?“

      „… ein dunkler Lieferwagen.“

       „Welche Farbe? Schwarz, blau, grau?“

      Jim wird langsam ungehalten, weil er dem Jungen jedes Wort erst aus der Nase ziehen muss.

       „Schwarz.“

      „Ganz sicher?“

       „Ja.“

      „Kennzeichen?“

       Der Typ schüttelt den Kopf.

      „Das ging alles so schnell...“

       „Haben Sie den Fahrer gesehen?“

      „Nur flüchtig.“

       „Und?! War es ein Weißer, ein Schwarzer oder ein Latino?“

      „Weiß nicht. Ich habe ihn höchstens ein, zwei Sekunden gesehen. Wir waren gerade auf Höhe Dorian Drive, als er vom Weber Place kam. Der hatte es verdammt eilig, von hier weg zu kommen. Na ja, jetzt weiß ich auch, warum. Jedenfalls hat er mich nicht gesehen und mich beinahe über den Haufen gefahren.“

       „Haben Sie sich verletzt? Brauchen Sie medizinische Hilfe?“, fragt Jim nach.

       Der sportliche Typ schüttelt den Kopf: „Ich bin gestürzt und hab` mir die Knie aufgeschlagen, ist aber nicht so schlimm.“

       „Okay. Lassen Sie trotzdem den Arzt draufschauen… Und Ihr Name?“

       „Benjamin.“

      „Und weiter?!“

       „Benjamin Cox.“

      „Könnte ich mal Ihren Ausweis sehen?“

       „Sie informieren aber jetzt nicht meine Eltern?“

      „Warum sollte ich?“, bekommt er von Jim zur Antwort.

       „Ich bin erst sechzehn.“

      Aufgrund des Alters duzt Jim den Zeugen jetzt. „Du hast doch nichts ausgefressen, oder?“

       „Nee.“

      „Ich werde dich enttäuschen müssen: Deine Eltern werden trotzdem von deinem nächtlichen Ausflug erfahren. Du bist nämlich unser Hauptzeuge.“

       Jim blickt den Jungen an, der die Backen aufbläst und ganz langsam die Luft rauslässt.

       „Wo warst du denn noch um diese Uhrzeit?“

      „Ich war mit ein paar Kumpels unterwegs… Meine Freundin war übrigens auch dabei. Na ja, irgendwie haben wir dann die Zeit vergessen, Sie verstehen?“

       Jim nickt. „Ich war ja auch mal jung. Ihr habt aber nicht gekifft oder Alkohol getrunken?“

       „Nur ein Bier.“

      „Ok. Ich will jetzt nicht kleinlich sein. Ich war ja schließlich auch mal jung. Wie heißt denn deine Freundin?“

       „Jessica Hunter.

      „Alles klar. Dann sind wir Zwei hier fertig. Könntest du morgen mit deinen Eltern bei uns in der Dienststelle vorbeikommen, um deine Aussage zu wiederholen?“

       „Ja.“

      „Gut. Dann bis morgen. Und bring deine Freundin mit! Möglicherweise fällt euch im Nachhinein ja noch etwas ein… Jedes noch so kleine Detail ist ein Puzzleteil für das große Ganze. Und umso mehr Teile wir haben, umso schneller können wir es zusammenfügen und diesem Monster das Handwerk legen. Das ist ja wohl klar?“

       Jim entlässt den Teenager und blickt in die Runde: „Wo ist eigentlich der Mann, der die Tote gefunden hat?“

       „Der sitzt im Krankenwagen da hinten.“, erklärt einer der Polizisten. „War ein ziemlicher Schock für ihn.“

       „Das kann ich mir vorstellen.“, stimmt Jim ihm zu. Und zu mir gewandt sagt er: „Lass uns zum Krankenwagen gehen.“

       Dort angekommen, klopft er Riley Leech auf die Schulter und fragt: „Geht’s wieder?“

       Dieser nickt tapfer, ist aber immer noch ziemlich blass.

      „Ist der Mann vernehmungsfähig, Doktor?“, will Jim dann vom anwesenden Arzt wissen, während er auf den im Fahrzeug Liegenden deutet.

       „Heute auf keinen Fall mehr. Ich habe ihm etwas zur Beruhigung gegeben.“

       „Morgen?“, hakt mein Chef nach.

      „Möglich.“, kommt die lapidare Antwort.

       „Weiß man, wer er ist?“

      „Trevor Ward. Er wohnt hier in der Straße, gleich im

      übernächsten Haus.“

       Jim macht sich abermals Notizen.

      „Nehmen Sie ihn mit? Ins `Inova´?“

      „Ja. Ich denke, er wird psychologische Hilfe brauchen.“

       Jim beugt sich etwas vor, um das Namensschild des Arztes zu lesen.

       „Danke, Doktor Powell.“

      Wir gehen zur Absperrung zurück, wo immer noch genügend Schaulustige stehen. Da sich jedoch keine weiteren potentiellen Zeugen finden, sondern sich nur ein paar Spinner wichtig machen wollen, ist unsere Arbeit hier fürs erste getan.

       „Vielleicht sollten wir noch ein paar Stunden schlafen gehen.“, gibt Jim von sich. „Hier können wir eh nichts ausrichten. Der Bericht der Gerichtsmedizin wird ohnehin vor Montagmittag nicht fertig sein, wenn überhaupt. Also, fahr heim, Clifton. Versuch, noch `ne Mütze Schlaf zu bekommen oder mach mal, wozu du sonst keine Zeit hast. Wer weiß,