Der Investigator. Gerhard Nattler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerhard Nattler
Издательство: Bookwire
Серия: Kommissar Behrendtsen
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915495
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dem Futteral entnahm, um den Storch zu beobachten, der gerade zum Landeanflug ansetzte. Berendtsen ergriff seine Chance, wollte die Ansichten allerdings nicht kommentieren, sondern besann sich auf die Aufgabe, diesen Zeugen zu befragen.

      »Sie gehen also häufig in der Frühe spazieren. Heute waren Sie hier unterwegs. Warum heute? Hatte das einen bestimmten Grund?«

      »Ich gehe auch hier bisweilen meine Runde. Heute allerdings gab es einen Grund. Ich war hier mit Kalle verabredet. Er wollte mir ein geschecktes Reh zeigen, das seit einem Jahr in seinem Revier lebt. So etwas ist recht selten, nicht wahr, und ich wollte es fotografieren«. Er präsentierte selbstbewusst seine Nikon mit dem beinahe Furcht einflößenden Teleobjektiv, auf das selbst ein Paparazzo stolz gewesen wäre. »Er hoffte, es mir heute oder in den nächsten Tagen zeigen zu können. Jetzt beginnt die Sprungbildung, nicht – nicht wahr, und die Wahrscheinlichkeit, es zu Gesicht zu bekommen, ist groß.«

      »Sie kennen Herrn Hillebrandt näher?«

      »Seit fünfundzwanzig Jahren. Ich habe ihn vier Jahre in Biologie unterrichtet und ein Jahr Chemie in Klasse Acht. Er hat schon früh seine Freude am Waidwerk erkannt. Sein Vater war begeisterter Jäger. Der alte Hillebrandt, Heinz, kam immer zum Elternsprechtag. Wir haben mehr über die Jagd erzählt als über die Leistungen seines Sohnes, die im Übrigen ganz hervorragend waren. Kalle ist später Journalist geworden und arbeitete bei der Ruhrzeitung. Teilweise schrieb er auch als freier Mitarbeiter für überregionale Zeitungen und Jagdjournale. Er testete Waffen und Munition und berichtete darüber.«

      »Sind Sie ebenfalls Jäger?«, wollte Hallstein wissen.

      »Ich habe keine eigene Jagd, aber einen Schein. Habe aber eine Ewigkeit nicht mehr angelegt. Zuschauen tue ich noch gerne.«

      »Wie haben Sie den Toten gefunden?«

      »Ich kam vom Parkplatz, nicht wahr, und sah seinen Wagen dort am Waldrand stehen. Ich vermutete ihn auf dem Anstand. Ich habe mehrmals mit dem Klötzchen auf den Leiterholm geschlagen, mit dem wir uns anmelden. Tack – tacktack. Rufen geht oft nicht, weil dann schnell das Wild erschreckt. Oben angekommen habe ich ihn entdeckt. Schlimm! Ich wäre beinahe rückwärts die Leiter hinuntergefallen. Nachdem ich mich einige Minuten unten im Gras von dem Schreck erholt hatte, habe ich die Polizei gerufen. Bis zum Schluss habe ich gehofft, dass es nicht Karl-Heinz ist. Es tut mir sehr leid. Ich kann es nicht fassen. Er war immer ein anständiger Kerl, nicht wahr.«

      »Haben sie eine Vermutung, wer ihn erschossen haben könnte?«

      »Um Gottes willen! Nein! Ich kenne nur Kalle, nicht sein Umfeld … außer seiner Frau und seiner Tochter und ein paar Freunden von manchem Beisammensein. Er war freundlich zu jedermann. Ich kenne niemanden, der ihm Böses gewollt hätte.«

      »Aber eine Person muss es gegeben haben. Denken Sie nach.« Berendtsen bat ihn, sich in den nächsten Tagen auf dem Revier zu melden, um das Protokoll aufzunehmen, und vergewisserte sich, dass Hallstein seine Adresse notiert hatte. Brinkhoff steckte Berendtsens Karte in sein Portemonnaie, tippte an seinen Hut und wollte schon zu seinem Auto zurückkehren, als Berendtsen noch eine Frage stellte: »Sie kannten Herrn Hillebrandt näher. Waren Sie eng befreundet? Wie war ihr Verhältnis zu dem Toten?«

      »Da gibt’s nichts zu berichten. Wir haben uns ab und an getroffen, manchmal haben wir uns hier verabredet, manchmal sahen wir uns zufällig in der Fußgängerzone. Von Zeit zu Zeit haben wir gemeinsam an Exkursionen teilgenommen. Im letzten Oktober waren wir zusammen bei einer Treibjagd im Allgäu am Forggensee. Kennen Sie Hopfen am See? Wunderschönes Örtchen. Sie sollten …«

      »Im Augenblick nicht so wichtig, Herr Oberstudienrat.«

      »A. D.«, fügte er sofort hinzu. »So viel Zeit muss sein. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Also: wenn es etwas Besonderes gab, hat er mich angerufen. In der vorigen Woche hat er mir ein Foto von seinem Reh gemailt und mich eingeladen, mit ihm auf dem Anstand danach Ausschau zu halten. Er kannte mein Vorhaben, das Buch über diese Gegend zu schreiben. Da wären ein paar Fotos von dem Tier gut angekommen. Er hat mir auch bei den anderen beiden Büchern geholfen. Er hatte Journalismus studiert und dadurch Beziehungen zu Verlegern.«

      »Wann haben Sie ihn das letzte Mal getroffen?«

      »Telefoniert haben wir am letzten Sonntag. Er hat mich angerufen und mir diesen neuen Termin vorgeschlagen. Ursprünglich hatten wir uns für Montag verabredet, aber den Termin hat er am letzten Dienstag abgesagt. Getroffen haben wir uns vor …« - er sah in seinem Handy nach - »vor sechs Wochen zum Grillen in unserem Garten. Er hat einen Rehrücken mitgebracht. Ja, da fällt mir ein, vor zwei Wochen habe ich ihn in der Stadt getroffen. Wir haben nur kurz gesprochen. Er hatte es eilig.«

      »Was war er für ein Mensch?«

      »Er war ein netter Kerl, sympathisch, bei allen beliebt, nicht wahr. Wer ihm das angetan hat …? Ich weiß es nicht? Es tut mir sehr leid. Er war wie ein Freund für mich.«

      »Seine Frau? Hatten Sie Kontakt zu ihr?«

      »Die Marianne? Natürlich kannte ich sie. Sie war auch beim Grillen dabei. Meine Frau und ich waren manchmal bei ihm in Sythen zu Besuch, z. B. im letzten Jahr auf seinem vierzigsten Geburtstag. Dabei habe ich nach langer Zeit den Heinz wiedergetroffen, seinen Vater. Er wohnt immer noch in Lembeck.«

      »Er hatte eine Tochter?«

      »Maike. Sie ist jetzt … ja sie wird zwanzig Jahre sein. Studiert in Münster. Schrecklich für die Familie. Er hat noch einen um zwei Jahre älteren Bruder in Nordkirchen.«

      »Danke Herr Dr. Brinkhoff. Meine Kollegen werden noch ihre Fingerabdrücke und die DNA abnehmen zum Vergleich. Sie waren am Tatort … und denken Sie an das Protokoll.« Berendtsen fischte nach Gummibärchen.

      »Herr Brinkhoff!« Hallstein rief ihm hinterher und ging auf ihn zu. »Herr Brinkhoff, besitzen Sie Schusswaffen?«

      »Zwei Büchsen, eine Flinte und eine Smith & Wessen Pistole. Warum fragen Sie? Sie glauben doch nicht, ich hätte Karl erschossen? So verrückt können Sie doch nicht sein? Aus meinen Waffen wurde seit letztem Herbst nicht geschossen. Das können Sie nachprüfen, nicht äh, nicht wahr. Bei mir …«

      Hallstein musste ihn abwürgen. »Alles nur fürs Protokoll und für die Akten. Reine Routine. Das kennen Sie bestimmt auch aus ihrem Berufsleben. Sie mussten sicher früher auch manches dokumentieren, was schon jeder wusste.«

      »Das können Sie laut sagen …«

      Hallstein überhörte die Antwort und drehte direkt ab, um nicht wieder in ein Gespräch verwickelt zu werden. Er blickte sich um und fand Berendtsen, der etwas abseitsstand und auf einem Bärchen kaute. Er erkundigte sich nach dessen Befinden, denn gesund sah Berendtsen nicht aus. »Was ist los mit dir, Albert? Ist dir nicht gut? Ich denke, du kommst aus dem Urlaub.«

      Berendtsen berichtete kurz von dem Erlebnis auf dem Hochsitz, das ihm seine ganze Bräune genommen hatte, die er sich beim Wandern in Südtirols Bergen erworben hatte. Seit Sonntag war er zurück.

      Kapitel 3.

      Der weiße Bungalow in Sythen lag abseits, von Wiesen und einem Maisfeld umgeben, an einem Waldrand als letztes von drei Häusern. Die Navigation dirigierte den Wagen über einen Wirtschaftsweg. Sie bogen links ab und sahen das Haus am Ende der Straße in der Sonne glänzen. Die Straße führte weiter in einem langen Bogen zu einem benachbarten Bauernhof.

      Hallstein bediente den Klingelknopf. Westminster, Big Ben. Die Kommissare stellten sich vor und hielten ihre Ausweise vor die Linse. Ein Summen ertönte und das Gartentor sprang auf. Hallstein ging voraus. Berendtsen registrierte drei Überwachungskameras, die den Eingangsbereich im Visier hatten.

      »Frau Marianne Hillebrandt?«, begrüßte sie Hallstein. In der Tür stand eine auf gutes Aussehen getrimmte Frau mit hochgestecktem braunem Haar. Berendtsen schätzte sie auf Mitte vierzig. Sie trug ein grünes T-Shirt und knappe braune Shorts, die ihr seiner Meinung nach nicht zum Vorteil gereichten, denn ihre Beine erschienen ihm zu dünn. Insgesamt hatte diese Frau ein paar Kilo zu wenig, was vermutlich