„Ja“, sagt der Beamte knapp. „So, und jetzt weisen Sie sich bitte aus, oder wollen Sie lieber mitkommen auf die Wache?“
„Moment“, meint Lorenzo und wühlt weiter in seinen Taschen, obwohl er genau weiß, dass er keinerlei Ausweise eingesteckt hat. Zwischendurch blickt er auf. „Was ist denn mit denen los? Mit der Familie?“
„Wir verfolgen da mehrere Hinweise.“
Lorenzo kapiert gar nichts. „Was für Hinweise? Wissen Sie denn, wohin die Familie verschwunden ist?“
„Wie erwähnt, wir forschen nach.“
„Aha“, sagt Lorenzo. „Aber es ist kein Verbrechen geschehen, oder?“
„Über laufende Ermittlungen kann ich leider nur begrenzt Auskunft geben“, erwidert der Mann. „Aber wir haben nicht die Vermutung, dass es sich um ein Verbrechen handelt.“
Lorenzo fühlt einen Anflug von Erleicherung. Immerhin etwas. Hätte ja sein können, dass irgendetwas Schlimmes vorgefallen ist. Und es ist beruhigend, dass die Polizei schon eingeschaltet ist und sich bemüht, Majas Spur aufzunehmen.
„Wir tun unser Bestes, um die Familie zu finden.“ Abwägend blickt der Mann Lorenzo an, mustert ihn von oben bis unten, als wolle er ihn mit diesem Blick einscannen. „Und Sie? Wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie kein gewöhnlicher Einbrecher, richtig?“
Lorenzo ist erleichtert. Sieht so aus, als würde er heute doch nicht mehr verhaftet, jedenfalls wenn er ein bisschen Glück hat. Spontan sagt er die Wahrheit: „Ich bin der Freund von Maja Köttnitz. Lorenzo Jaschke.“
„Ah.“ Der Mann deutet mit dem Kinn auf die Haustür, in der noch der Dietrich steckt. „Dann würde ich sagen, wir vergessen das jetzt mal. Kurzschlussreaktion, richtig?“
„Absolut“, bestätigt Lorenzo eilig. So langsam wird ihm dieser Kerl doch noch sympathisch.
Jetzt ist es der Beamte, der in seinen Taschen kramt; schließlich zieht er einen Zettel und einen Stift hervor. „Ich gebe Ihnen meine Nummer – rufen Sie mich bitte an, wenn Sie irgendwelche Hinweise finden. Wir tun unser Bestes, der Familie zu helfen, und wenn Sie uns unterstützen, dann haben wir vielleicht eine Chance.“
„Okay. Mach ich.“ Lorenzo nimmt den Zettel, steckt ihn ein und wundert sich dabei kurz, warum der Typ keine Visitenkarte hat. Aber schließlich ist es spät nachts, und er ist nicht in Uniform, sondern in Zivil; vielleicht hat er vergessen, welche einzustecken.
„Und jetzt ab mit dir.“ Der Mann deutet mit dem Kinn auf die Treppe.
Lorenzo zögert, wirft einen kurzen Blick auf die feststeckenden Dietriche. Tja, die müssen wohl hierbleiben. Haben ihm eh kein Glück gebracht. Nichts wie weg hier.
Auf dem Weg nach unten nimmt der Junge zwei Stufen auf einmal. Einen Moment blickt Robert Barsch ihm noch nach, dann erlaubt er sich ein Lächeln. Das war ja wirklich ein Volltreffer.
Irgendwie imponiert ihm, was der Junge sich getraut hat. Dazu gehört schon eine ordentliche Portion Frechheit. Vielleicht hätte er es sogar geschafft, das Schloss zu knacken, wenn er nicht unterbrochen worden wäre. Er selbst hat so was als Jugendlicher auch gemacht, ein paar Jahre lang ist er unzählige Male in verlassene Gebäude eingedrungen. Sie zu durchstreifen und nach Spuren der früheren Bewohner zu durchsuchen, war spannender als alles andere. Seine Eltern haben nie etwas davon erfahren, es hätte sie sowieso nicht interessiert.
Als Robert das Zuklappen der Eingangstür hört, überprüft er kurz, ob ihn jemand aus der Wohnung nebenan durch den Türspion beobachtet. Nein. Alles okay. Rasch streift er sich dünne Latexhandschuhe über, entfernt die Metallhaken aus dem Türschloss – diese Dietriche taugen nichts! – und macht sich daran, das Ding selbst zu knacken. Zwei Minuten später ist die Tür offen. Meine persönliche Fundgrube, denkt Robert vergnügt, tritt ein und schließt sorgsam die Tür hinter sich.
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