Brennpunkt Gastronomie. Rene Urbasik. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rene Urbasik
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753181912
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Reglements trifft der Wirt. Die Öffnungszeiten, das Angebot von Speisen und Getränken, die Form des Services. Gehen wir einfachheitshalber mal davon aus, dass die meisten Unternehmer vom Fach sind und ein Kalkül hinter ihren Entscheidungen steckt. Der Restaurantbetreiber entscheidet auch, auf welche Klientel er sich spezialisiert. Sicher wird er niemanden direkt ausgrenzen, allerdings kann man oft schon anhand des Interieurs und dem Angebot der Speisekarte erkennen, welcher Gruppe sein Hauptaugenmerk gilt. Das Nichtvorhandensein einer Kinderkarte oder Spiel-Ecke, dazu Preise im oberen Sektor, sind oft ein Indiz dafür, dass der Wirt Kunden mit gut gefüllter Brieftasche und erlesenen Geschmack bevorzugt.

      Ihm jetzt Kinderfeindlichkeit vorzuwerfen und auf sämtlichen Internetforen zu diskreditieren, ist nicht fair. Wenn gastronomische Betriebe mit für den Gast unverständlichen Reservierungssystemen arbeiten, ist das ebenfalls Sache der Betreiber. Gehen wir einfach mal davon aus, dass die Manager dieser Betriebe nach empirischen Erfahrungen arbeiten und das Ganze aus ihrer Sicht durchaus Sinn macht. Es reicht vollkommen aus, dem System zu folgen, statt alles zu hinterfragen, oder in ein negatives Licht zu rücken. Warum sollte das „Reserviert“-Schild auf dem schönen Fenstertisch eine Attrappe sein, nur aus Bosheit ihnen gegenüber?

      Warum ist es in anderen Bereichen scheinbar einfacher, gewisse Regeln zu akzeptieren und einzuhalten, als in der Gastronomie? Kaufe ich eine Fahrkarte bei der Deutschen Bahn, akzeptiere ich den Preis und die Abfahrtzeit. Kaufe ich im ALDI-Markt ein, akzeptiere ich das dortige Angebot, die Preise und die Öffnungszeiten. Ich kann mich gerne schon um 7 Uhr vor die Tür stellen, aber der Verkaufsstellenleiter sperrt trotzdem erst pünktlich um 8 Uhr seine Pforten auf und um 20 Uhr wieder zu. Keine Diskussionen sind möglich, dass man im Stau gestanden hätte oder länger arbeiten musste.

      Warum gibt es so viele Debatten, um die Öffnungszeiten oder noch mehr um die Schließzeiten von Lokalen? Die sind doch meist an der Restaurant-Tür genauso deutlich verzeichnet wie an den Toren des Supermarktes?

      Wenn Ignoranz und eigenes Unvermögen aus dem Restaurantbesuch ein Fiasko machen, ist es einfach, die Schuld dem Wirt in die Schuhe zu schieben. Natürlich darf auch der anschließende, obligatorische Kommentar auf Tripadvisor nicht fehlen. Selbstverständlich werden die Geschehnisse während des Aufenthaltes im Lokal, auf diesem Forum, sehr einseitig und völlig überzogen dargestellt. Mit Fairness hat das letztendlich wenig zu tun.

      Meine kleine Lektüre soll dazu dienen, das Verhalten der Gäste zu beleuchten und kritisch zu betrachten. Nein, wir sprechen hier nicht von der breiten Masse, deren Verhalten Anlass zur Kritik gibt, sondern von einer kleinen Minderheit. Leider werden es immer mehr, die sich in Restaurants unmöglich aufführen. Schon ein paar dieser Ignoranten, Arroganten oder Respektlosen reichen, um den Mitarbeitern der Gastronomie und anderen Gästen den Abend zu ruinieren. Wenn man von dem kleinen Prozentsatz der Unzufriedenen absieht, kann die Arbeit im Restaurant durchaus Spaß machen. Um auch weiterhin Spaß zu haben, sowohl als Restaurantbesucher, als auch beim Arbeiten in der Gastronomie, sollte es erlaubt sein, den „nicht so pflegeleichten Gästen“ einen Spiegel vorzuhalten und sie zu erziehen.

      Eine Vielzahl der Erlebnisse, die ich in diesem Buch zum Besten gebe, haben sich während meiner Arbeit in diversen Ausflugslokalen ereignet.

      Ich weise explizit darauf hin, weil nicht jeder gastronomische Betrieb eins zu eins mit anderen Betrieben vergleichbar ist. Weder von den Menschen, die in diesen Häusern ihren Dienst verrichten, noch von der Klientel, die in diesen Lokalen verkehrt. Die Erwartungshaltung an einen Abend im Sterne-Lokal wird eine andere sein, als der Mittags-Snack im Asia-Imbiss an der Ecke. So mancher Serviceangestellte, der sein gesamtes Berufsleben in einem beschaulichen Museumscafé verbracht hat, wird nur ungläubig mit dem Kopf schütteln, angesichts meiner Alltags-Beobachtungen. Er hat es mit einer Kundschaft zu tun, die in der Regel geduldig und friedlich auf den Kellner wartet und keine all zu großen Ansprüche an Service und Speisen stellt. Hin und wieder wird an der Qualität des Kaffees herumgenörgelt oder erwähnt, dass die Auswahl der Kuchen größer sein könnte – aber das war es dann auch schon mit den Negativ-Kommentaren. Auch Mitarbeiter von Betriebs-Kantinen oder Baguette-Shops werden sich nicht wirklich mit meiner Lektüre identifizieren können. Die Angestellten von Restaurants, Bistros und sonstigen gastronomischen Betrieben dagegen wissen, wovon ich schreibe.

      Im Übrigen bin ich kein großer Freund des fortschreitenden Genderisierungswahns. Wer sich daran stößt, dass in Beschreibungen des Gastro-Alltags regelmäßig von Kellnern die Rede ist und nicht von Kellnern und Kellnerinnen, darf getrost eine linguistisch korrektere Literatur zur Hand nehmen. Bei der Überprüfung meines Textes stieß sich das Online-Programm an dem Ausdruck „bis sie am nächsten Morgen von der Putzfrau geweckt wurden“. Die „Putzfrau“ sollte demnach aus Gründen der Geschlechtsneutralität der weniger deplatzierten Formulierung „Reinigungsfachkraft“ weichen. Dem Diktat des Programms habe ich mich nicht gebeugt. Erfahrungsgemäß sind nun einmal 90 Prozent aller Vertreter des „Wischmob-Business“ Frauen.

      Entschuldigen möchte ich mich an dieser Stelle aufrichtig bei allen Lesern, die sich durch kritische Formulierungen und Aussagen gestört fühlen. Nicht alles ist bierernst gemeint und der Hang zur Übertreibung ist seit je her Bestandteil humoristischer Literatur. Es ist schlimm genug, täglich zu erleben, wie humorlos und verbiestert einige Zeitgenossen sind. Mein Beileid gilt all den armen Richtern, die sich permanent mit einer Fülle an Prozessen von gekränkten Egos und beleidigten Leberwürsten herumschlagen müssen.

      Die Möglichkeit von Shitstorms und Aufrufen, mein Buch zu boykottieren, habe ich bereits durchgespielt. Bevor Sie diese Literatur rituell auf dem Bürgersteig verbrennen möchten, animieren Sie doch Gleichgesinnte, das Buch ebenfalls zu kaufen und bei der Feuerbrunst mitzumachen. Nur so kann gewährleistet sein, dass bei mir die Kasse klingelt und sich mein Werk tapfer in den Bestseller-Listen hält.

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      Höflichkeit

      Ich trat aus dem Restaurant hinaus auf die Sommerterrasse und ließ meinen Blick über die Gäste schweifen, die an diesem herrlichen Samstag Mittag wieder einmal zahllos erschienen waren. Allen stand der Sinn nach leckeren Speisen und einem professionellen Service. Die Sonne und die milden Temperaturen gab es quasi als Bonus oben drauf. Die Menschen in meiner Servicestation machten einen zufriedenen Eindruck. Kein wildes Gestikulieren, keine fragenden oder gar anklagenden Blicke. Perfekt.

      „Toilette?“ schnaubte eine derbe, männliche Stimme in mein Ohr. Erschrocken drehte ich mich herum und blickte auf einen mürrischen, leicht ungepflegten Herrn in den frühen 60ern. Weil ich nicht sofort reagierte, wiederholte er unwirsch, ein paar Dezibel lauter: „Toilette?“. „Angenehm, Müller“ antwortete ich mit gespielter Ernsthaftigkeit und lief weiter. Der ältere Herr wird mir sicherlich verständnislos hinterhergeschaut haben, nur konnte ich das im Weiterlaufen nicht mehr sehen. War mir auch egal.

      Es ist in Ordnung, sich unter Zeitdruck kürzer zu fassen als sonst, aber eine Frage, die nur aus einem Wort besteht, war mir dann doch ein wenig zu knauserig. Ich gehe auch nicht zu Gästen an den Tisch und nehme die Bestellung auf, mit dem Wort: „Essen?“ oder „Trinken?“

      Wo bleiben denn da die guten Manieren? Was mich zu der Frage bringt, inwiefern die viel zitierte gute Kinderstube noch aktuell ist?

      Ich möchte kurz in meinem prall gefüllten Sack der Erinnerungen kramen und die eine oder andere Anekdote hervorholen.

      An einen ganz normalen Abend waren wir, wie fast jeden Tag während der Hochsaison, komplett ausreserviert. Natürlich gab es auch an diesem Samstag wieder jede Menge Leute, die spontan beschlossen hatten, Essen zu gehen. Meist waren das junge Pärchen oder nicht mehr ganz jugendliche Paare, die auf einen romantischen Abend mit Kerzenlicht an einem der begehrten „Wasser-Tische“ hofften. Die ganz jungen, frisch verknallten Kätzchen waren mir die liebsten. Höflich, fast schon demütig, fragten diese nach einen freien Platz. Da legte ich mich beim Oberkellner gerne ins Zeug, damit diese noch einen reservierten Tisch vorbelegen konnten oder auf der Standby-Liste landeten.

      Schlimmer war es da oft schon mit den gestandenen Restaurantbesuchern. Da an meinem Arbeitsort sowohl Küche als auch Ambiente stimmte, besaßen wir einen