Spätvorstellung. Reinhold Zobel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhold Zobel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752932348
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Wir wollen nicht zu hoch greifen. Ich arbeite, sagen wir es mal so, gern mit einer metageistigen Doppelspitze: 1.Meine Zeit ist bald abgelaufen. 2. Meine Zeit wird kommen.”

      “Hübsch. Gefällt mir. Was meinst du, mein Freund, bestellen wir etwas zu essen?”

      “Man kann hier essen?”

      “Man kann. Wenn auch nur eingeschränkt; Omelett, Salate und Ähnliches.”

      “Hunger hätte ich.”

      “Das Leben im Konjunktiv… Ich rufe mal die Bedienung.”

      Sie müssen nicht lange warten. Aufs Essen. Es dampft. Nur von Tonys Teller, Lux hat Salat mit Huhn bestellt. Tony Bratei mit Speck. Man schweigt, eine Weile; während der Mahlzeit.

      “Und wie schaut es bei dir geschlechtsspezifisch so aus, mein Freund?”

      “Du stellst Fragen… ich würde sagen, unter den Blinden ist der Einäugige König.”

      “Das heißt?”

      “Selbstversorger.”

      “Masturbation?”

      “Ja. Jeder Schuss ein Versprechen…Dabei fällt mir auf, uns fehlen noch Servietten.”

      “Ich sage dem Kellner Bescheid.”

      “Und wie lautet der persönliche Lagebericht von Tony Thadeus?”

      “Ich habe ein blühendes Weib an meiner Seite, Eva heißt die Blume, und sie könnte, den Jahren nach, meine Tochter sein.”

      “Hm. Hatte früher des öfteren den Wunsch nach einer Tochter.”

      “Komm gern gelegentlich einmal vorbei. Vielleicht kannst du meine Eva ja adoptieren.”

      “Sei nicht so gehässig, altes Haus.”

      “Willst du hören, wie ich meiner Angebeteten bei unserer ersten Begegnung den Hof machte?”

      “Nicht notwendigerweise.”

      “Ich erzähle es dennoch: In einem kurzen unbewachten Augenblick flüsterte ich ihr ins Ohr: Ich wünschte, ich wäre ein Lockenwickler in Ihrem Haar.”

      “Und sie hat das erheitert?”

      “Sie lachte, ja. Zwei Stunden später bot sie mir das Du an, und wir tauschten den ersten Kuß.”

      “Wie spätromantisch.”

      “Und mit Spätfolgen. Für das kommende Spiel.”

      “Welches Spiel?”

      “Das Spiel der Spiele, alter Hausbockkäfer.”

      “Auch, wenn du nicht Franz heißt - den Käfer nimmst du zurück.”

      “Komm, mein Junge, lass uns anstoßen - auf die alten Zeiten.”

      “Meinetwegen. Weißt du übrigens, worüber ich mich wundere?”

      “Nun?”

      “Darüber, dass deine Eva wusste, was Lockenwickler sind…”

      Kapitel 2

      “Lux, darf ich dir noch eine zweite, äußerst intime Frage stellen?”

      “Schieß los.”

      “Was hältst du vom Ende der Zeitumstellung?”

      “Ähm…”

      “Bleib ganz ruhig. Du musst nicht sofort antworten.”

      “Ich kann mir also Zeit lassen mit einer Stellungnahme?”

      “So ist es.”

      “Es ist ja auch eine sensible, hochgradig nervöse Angelegenheit.”

      “Die Zeit?”

      “Eben die…vor allem in unserer Altersliga.”

      “Ich denke, letztlich wohl für jedermann.”

      “Ja, hm, also…”

      “Ja, Lux?”

      “Also, ich schlage vor…”

      “Ja, mein Lieber?”

      “Nun, ich schlage vor, dass wir dieses Thema vorerst vertagen.”

      “Und was setzen wir an dessen Stelle?”

      “Wir könnten gemeinsam ein Lied singen.”

      “Tun wir das nicht bereits?”

      “Man könnte es so auslegen, Tony.”

      “Was schlägst du diesbezüglich vor, mein Freund?”

      “Wenn ich mir was wünschen dürfte… Komponist Friedrich Holländer. Kennst du zufällig die wunderbare Aufnahme mit Greta Keller?”

      “Keller? Ich kenne nur die wunderbare Greta Garbo.”

      “Macht nichts. Im befreundeten Ausland kennt sie sicher auch kaum jemand.”

      Lauter geworden ist es. Im Café. Die beiden Freunde wechseln daher den Tisch, was die junge weibliche Bedienung, die das Essen gebracht hat (nicht der junge Kellner, der die Getränke gebracht hat) möglich macht. Tony schaut noch lange&gern dem sich entfernenden Hüftschwung der jungen weiblichen Bedienung hinterdrein.

      “Mit elfeinhalb, was soll ich dir sagen, hatte ich den ersten Sex…sie war vierzig und unsere Putzfrau… mit achtzehn bekam ich mein erstes Auto und mit vierundzwanzig meine erste Geschlechtskrankheit.”

      “Du warst halt ein Frühentwickler, Tony. Im Gegensatz zu mir. Ich hatte mit vierundzwanzig noch Schlaf in den Augen.”

      “Ich weiß da jemand, auf den das gleichermaßen zutrifft.”

      “Ein Bekannter?”

      “Eine Romanfigur.”

      “Ja, man sollte mehr lesen.”

      “Oder gelesen werden.”

      “Du schreibst?”

      “Phasenweise.”

      “Und was, wenn man fragen darf? Tagebücher? Dramen? Mordgeschichten?”

      “Kochbücher.”

      “Das tun ja viele. Heutzutage.”

      “Man ist ja auch nur einer unter vielen…. “

      “Sonst noch was?”

      “Ja…Reiseführer. Beispielsweise. Des weiteren Bedienungsanleitungen. Ich bestreite so meinen Lebensunterhalt.”

      “Was war denn Gegenstand deines letzten Reiseführers? Beispielsweise?”

      “Detroit.”

      “Ah ja?…Ein Halbbruder von mir wollte immer gern dorthin.”

      “Soll ich ihm ein Freiexemplar zukommen lassen?”

      “Habe leider seine genaue Adresse nicht. Außerdem, er hat eine Lese-Rechtschreibschwäche.”

      Lux setzt seine Brille auf, setzt sie wieder ab. Ihm ist entfallen, warum er sie aufgesetzt hat. Er schaut um sich. Er schaut sein Gegenüber an.

      “Wie spät ist es,Tony?”

      “Dreiviertelsieben…