Cat's Rest. Gerda M. Neumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerda M. Neumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748507710
Скачать книгу
Warum…«, stammelte sie, »wie traurig, wie furchtbar.«

       »Liebe, ich wollte dich nicht erschrecken. Ursprünglich wollte ich es dir gar nicht erzählen, aber jetzt im Gehen hielt ich es dann doch für falsch. Schließlich seid ihr Geschäftspartner in gewisser Weise, auch wenn ich mehr mit ihnen zu tun habe.«

       »Ja, natürlich muss ich es wissen! Außerdem brauchst du mich nicht zu schonen. Aber es ist furchtbar. Erzähl!«

       »Gestern Nachmittag habe ich in Cat’s Rest die Wolle ausgesucht, die ich dir gerade gebracht habe. Das dauerte seine Zeit und die ganze Zeit hindurch war es vollkommen still im Laden. Als ich mit dem Aussuchen fertig war, bin ich dann doch auf die Suche nach Edith oder Helen in ihre privaten Räume gegangen, und fand Edith tot auf der Terrasse liegen.«

       »Oh mein Gott! Und Helen?«

       »Sie war nicht da. Als sie zurückkam, musste ich es ihr erzählen.«

       »Wie traurig. Und wie hat sie es aufgenommen?«

       »Der Schock war groß. Ich habe sie dann später am Abend in den Armen einer guten Freundin zurückgelassen. Es sah aus, als könnte die ihr wirklich helfen. Morgen werde ich nach ihr schauen, die Wolle hier gibt mir einen selbstverständlichen Grund, bei ihr aufzutauchen.« Olivia ging wieder zur Tür.

       »Und Richard? Richard Bates? Was hat er damit zu tun?« Wangari bemühte sich, nicht zu zittern.

       »Wir sind nicht sicher, ob sie einfach gestorben ist. Ich hoffe, ich erfahre heute Abend, wie es sich damit verhält. – Ich melde mich bei dir!«

       »Ja, bitte, ich möchte das alles wissen. Und bitte bringe Helen mein Mitgefühl.«

      ⋆

      Einige Stunden später, draußen war es inzwischen finster und die Übersetzung für den Guardian abgeliefert, saßen Olivia, Richard und Leonard vor dem kalten Kamin. Schließlich war noch immer Hochsommer, auch wenn es unbeirrt regnete und der Abend nicht mehr wirklich warm war.

       »Sie ist tatsächlich an Zyankali gestorben.« Verwundert sah Olivia die Freunde an. »Fast bin ich froh, denn ihr wäre nicht mehr zu helfen gewesen, auch wenn ich sofort zu ihr gegangen wäre. Aber vielleicht hätte sie dann nicht allein sterben müssen.«

       »Der Tod durch Zyankali läuft so rasch ab, dass sich diese Frage im Grunde nicht stellt«, beruhigte sie Richard. »Du hast es selbst miterlebt, erinnerst du dich?« Olivia nickte.

       »Übrigens wissen wir nicht, ob sie allein gestorben ist«, gab Richard zu bedenken. »Die medizinisch mögliche Todeszeit umfasst mehr als eine Stunde. Der Lunchgast, der so unauffällig verschwinden wollte, kann dabei zugesehen und doch vor deiner Ankunft den Laden verlassen haben. Schade, dass du nicht ein klein wenig früher da warst.«

       »Ja, das Glück, das man haben muss«, kommentierte Leonard nachdenklich, und noch nachdenklicher: »…aus der Perspektive des möglichen Täters.«

       »Richtig. Noch dürfen wir Selbstmord nicht ausschließen. Aber Mord ist mehr als wahrscheinlich. Leider hatte dieser Täter Glück, genau wie du sagst – bis jetzt!«

       Olivia reagierte grimmig. »Richard, wir werden ihn oder sie finden! Was ist mit der Katze?«

       »Sie wurde angefahren. Am Wahrscheinlichsten ist, dass das Fahrzeug sie gegen ein parkendes Auto schleuderte, an dem sie sich das Genick brach. Wann die Katze starb, wissen wir noch nicht genau, sie ist noch immer genauso steif wie gestern. Morgen werden wir schlauer, die Todesstarre dauert bei Katzen ungefähr achtundvierzig Stunden. Es hat sie jedenfalls bisher niemand öffentlich vermisst, kein Zettel hängt an den Laternenpfählen da unten in Chelsea. Ich hatte gehofft, sie würden uns die Suche nach dem Besitzer abnehmen, aber morgen ist ja auch noch ein Tag.«

       »Vielleicht gibt es in dem einen oder anderen Laden oben in der High Street Anschlagbretter?«

       Richard sah die Freundin an: »Ja, du hast recht, heute schienen sie mir zu weit weg zu sein für einen trauernden Katzenbesitzer in der Nähe von Cat’s Rest. Was für ein Name in diesem Kontext! Wir werden uns dort umschauen, in den Läden oben in der High Street.«

       »Ich könnte mir denken, dass ihr lediglich auf besseres Wetter warten müsst«, überlegte Leonard. »Bei dem heutigen Regen wären Zettel aus normalem Papier vollkommen unnütz.«

       »Auch das ist richtig, wir haben uns mit der Katze wohl noch nicht professionell genug befasst. Aber es gibt auch sonst viel Arbeit, wenn die Hälfte der Kollegen in Urlaub ist. Und die Bestätigung, dass Edith Munroe tatsächlich an Gift gestorben ist, kam erst am Nachmittag auf meinen Schreibtisch. Die Art des Zyankali gibt unseren Leuten noch die Frage nach der Pflanze auf, aus der es kommt, denn sie kennen sie nicht. Sie sind aber ganz sicher, dass Edith Munroe das Gift mit dem Essen zu sich genommen hat. Die Speisereste von den beiden Tischen haben sie analysiert, dort findet sich keine Spur.«

       »Sollte sich auch nicht, oder? Ich denke, in dem Fall hättet ihr zwei Leichen gefunden«, bemerkte Leonard.

       »Für den Fall hätten wir eine dritte Person haben müssen«, konterte Richard. »Irgendwer muss der Toten das Gift ins Essen geschmuggelt haben, in ihres, nicht in seins; spannend ist, dass er alle Spuren verwischen konnte, das Geschirr aber einwandfrei so aussieht, wie es das nach einer Mahlzeit tun sollte.

       »Keine Spur… nirgendwo…« Olivia schauderte, sie erinnerte sich erneut daran, mit welcher Geschwindigkeit Zyankali wirken konnte. »Es ist doch seltsam«, grübelte sie laut, »Edith und ihr Gast haben gemeinsam den Lunch zusammengestellt und gemeinsam gegessen. Dann, gegen Ende der kleinen Mahlzeit, wenn ich von den Resten auf dem Gartentisch rückschließe, kam das Gift ins Spiel, von dem es keine Spur außerhalb von Ediths Körper gibt. Sie hat es ohne Gewaltanwendung zu sich genommen, die Spuren hätten sich bei der Obduktion gefunden, und ohne ihr Wissen, natürlich. Hast du mit Helen Campbell gesprochen, Richard? Selbstmord ist ausgeschlossen?«

       »Ja, sie hält ihn für ausgeschlossen.«

       »Wie hat sie die Nachricht aufgenommen?«

       »Sehr ruhig und irgendwie zustimmend. Sie ist eine starke Frau. Heute auf dem Nachhauseweg habe ich ihr die Nachricht gebracht und gefragt, ob ihr Aspekte zu dem Tod ihrer Schwester eingefallen sind, die ich wissen sollte, was nicht der Fall war. Morgen früh werde ich mich in Ruhe mit ihr unterhalten.«

      Kapitel 3

      Am anderen Morgen, es war Donnerstag, saß Olivia an ihrem Schreibtisch und verfasste eine ihrer vierzehntägigen ›Londoner Skizzen‹ für die Süddeutsche Zeitung. In dieser beschäftigte sie sich mit Theodor Fontane. Er hatte Mitte des 19. Jahrhunderts drei Mal in London gearbeitet, insgesamt mehr als vier Jahre, und für die ›Preußische Zeitung‹ aus England berichtet. Vor wenigen Wochen war er mit einer Blauen Plakette an seinem damaligen Wohnhaus in Camden Town geehrt worden, eine inzwischen wahrhaft seltene Ehrung durch English Heritage und wert, nach Deutschland berichtet zu werden. Im Anschluss stellte sie die Strickmuster zusammen, für die Wangari sich bereits entschieden hatte und machte sich auf den Weg zum Wollladen. Es war inzwischen Nachmittag, die Temperatur angenehm und der Himmel leergefegt und wasserblau. Dieses Mal nahm sie den Bus.

       Als sie auf den Laden zuging und ihr das rote Samtsofa durch die Fensterscheibe entgegen leuchtete, fühlte sie Verwunderung in sich rumoren, irgendwo vom Magen aufwärts: Der äußere Anblick war völlig unverändert, obwohl im Inneren das Grauen explodiert war. Entschlossen drückte sie die Tür auf und rief auf der Stelle eine Begrüßung in die Leere. Die Verbindungstür zum hinteren Haus stand offen und Helen Campbell erschien umgehend. Olivia streckte ihr beide Hände entgegen.

       Aufmerksam sahen Helens grüne Augen die junge Frau an, endlich nickte sie: »Sie waren sehr hilfsbereit, vorgestern. Ich danke Ihnen.« Sie löste sich aus dem Handgriff, trat etwas zurück und setzte mit der ersten Andeutung eines freundlichen Lächelns hinzu: »Sie haben schon die ersten Aufträge für mich?«

       Sachlich und wieder sehr ernst sah sie Olivias Skizzen durch, stellte Fragen und rechnete Wollmengen aus, trug zusammen, was möglich war und schrieb für die fehlenden Vorräte eine Bestellung. Sie war schon beim