Ich war so überwältigt von diesem bitteren Fakt, dass es mich einiges an Überwindungskraft kostete, nicht in Tränen auszubrechen.
„Natürlich, du hast Recht!“
Ich konnte es kaum als Worte aus meinem Munde identifizieren, aber ich war es tatsächlich, die sprach. Wir waren zu dritt in diesem Alptraum gefangen, wir würden auch zu dritt wieder aufwachen!
Ich erhob mich verwirrt und zitterte leicht.
Amber hatte uns die ganze Zeit zugehört und blickte zwischen Kiefer und mir hin und her. Ihr Blick sagte mir, dass sie etwas sehr skeptisch stimmte. Es dauerte nicht lang und sie verfasste meine Beobachtung in scharfe Worte: „Ach, und Ihr heißt also tatsächlich Rose?! Ich meine, da Ihr sie die ganze Zeit über so nennt, scheint Adam ja gut geschätzt zu haben, was Euren Namen anbelangt.“
Ich verstand in Sekunden und schnappte nach Luft.
„Ich … ja … nein eigentlich habe ich einen Doppelnamen … Ich heiße Julie. Julie-Rose und meine Begleiter nennen mich auch bei meinem zweiten Vornamen, weil sie der Meinung sind, dass er besser zu mir passt, genau wie auch Adam.“
Ich hoffte inständig, dass sie mir Glauben schenkte, und weil mir langsam die geistigen Kraftreserven ausgingen, begann ich wieder zu sprechen:
„Darf ich mich zurückziehen? Ich habe einiges an Schlaf nachzuholen!“
Ich achtete nicht mehr auf die Worte, die schließlich schon hinter meinem Rücken fielen. Erst als Kiefer eine viertel Stunde später zu mir gelangte, erwachte ich aus meiner hoffnungslosen Trance.
Ich hatte apathisch auf einem der vielen Heuballen gesessen, als mich seine Berührung in unsere Realität zurückholte.
„Wir haben eine gute Chance, „Julie-Rose“. Es gibt keine Automobile und keine Flugzeuge, die ihn allzu weit weg von uns bringen könnten. Also sei vernünftig und vertraue mir!“
Ich lauschte seinen Worten und der Betonung, die auf meinem Namen lag. Es konnte unangenehm für uns werden. Bis jetzt hatten sie uns alles abgenommen, was unsere Erzählungen anbelangte. Aber die Sache mit dem Namen versetzte mich fast in Angst. Selbst wenn Amber oder Adam etwas bemerkt hatten, so hatten sie sich nichts anmerken lassen. Gab es einen Grund dafür oder nicht? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Ich wusste nur, dass er Recht hatte, und es mir dennoch schwerfiel, überhaupt zu reagieren.
Er nahm neben mir Platz und Heuduft stieg mir augenblicklich in die Nase. Unvermittelt legte er seine Hand auf die meine.
„Alles wird wieder so werden wie es war.“
Ich wollte glauben und das hielt mich schließlich in den folgenden Stunden von ungeahnten Dummheiten ab. Wir sahen uns kurz an und ließen den Blick weiter herum in dieser Scheune schweifen. Das also sollte unser vorläufiges Zuhause sein? Ein altes Holzgebäude, mit Rissen im Gebälk, durch die der Wind pfiff, Heuballen, landwirtschaftliches Gerät, zugestellte Holzboxen, die früher einmal Tieren als Unterstellung gedient hatten. Ich war froh, dass die Temperaturen ein Leben ohne Heizung hier zuließen, wenigstens mussten wir uns um Erfrierung keine Gedanken machen.
Betty hatte uns Decken gebracht. Wir hatten später noch mit dieser Familie gemeinsam am Tisch gesessen, um zu essen. Ganz offensichtlich hatte Amber ihrem Bruder von unserer Geschichte erzählt und er sah nicht mehr ganz so feindlich in meine Richtung. Vermutlich war er auch Vibelle begegnet und hielt uns für genauso verrückt. Ich wusste es nicht. Er war ein Mann, der mir bis auf weiteres geheimnisvoll blieb.
Sorgenvoll war ich zu Lori hinüber gegangen, um ihr unsere Variante heimlich beizubringen, damit sie nichts anderes als wir erzählen konnte, aber es stellte sich schließlich heraus, dass all die glänzenden Ideen von ihr gekommen waren und sie und Kiefer sie kurz vor ihrer Gefangennahme im Getreidefeld abgemacht hatten.
Ich schüttelte den Kopf über so viel Genialität, während sie mich aus ihrem Bett müde anblickte und lächelte.
Sie tat mir unendlich leid mit ihren verletzten Füßen und ich hoffte, dass sie bald wieder in der Lage war, laufen zu können, um Professor Vibelle endlich aufzuspüren, um ihn nach dem großen „Warum“ zu fragen.
Manitu Vibelle, der Name durchstreifte meine Gedanken wie eine unabschüttelbare Last. Wir waren später wieder in der Scheune, Kiefer und ich, um uns zur Nachtruhe zurück zu ziehen. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er mich in die Dunkelheit hinein ansprach.
„Entschuldige, was hast du gerade gesagt?“
Er zögerte lang.
„Meinst du, Lori wird es schaffen?“
Ich wusste, was er damit meinte.
„Natürlich. Sie wird diesen Schutz noch haben, außerdem war Ambers Schocktherapie ja wohl eindeutig genau das Richtige gewesen! Sie wird dies mit Sicherheit nicht das erste Mal gemacht haben!“
„Und wenn nicht?“
Ich konnte seine Zweifel und Sorge um Lori verstehen. Mir selbst ging es nicht anders.
Wenn sie tatsächlich erkranken würde, blieb uns dann noch genug Zeit, um Vibelle aufzusuchen, damit er uns zurückbringen konnte, um ihr Leben zu retten?
Diesen Gedanken behielt ich jedoch für mich. Ich war mir sicher, dass Kiefer diese Variante auch schon gedanklich durchlaufen hatte.
„Hör zu, es wird alles gut. Wir dürfen nicht aufhören, daran zu glauben.“
Es kam mir vor, als ob er gar keinen dazugehörigen Kommentar mehr erwartet hatte, denn er stellte bereits eine andere Frage.
„Weshalb hat dieser Adam uns nicht ausgeliefert? Oder schlimmer noch. Warum hat diese Amber uns das mit deinen Namen abgenommen?“
Ich zog die Decke, die mich umschlang, noch enger.
„Ich weiß nicht. Ich kann es mir nicht erklären, Kiefer!“
„Und weshalb hat uns niemand nach unserer neumodischen Kleidung gefragt?“
Ich überlegte kurz. Durch eine undichte Stelle im Dach konnte ich einen Teil des Sternenhimmels erkennen. Es würde also wieder abkühlen wie letzte Nacht und dieses Mal lag niemand neben mir.
„Nun, Lori hatte die ganze Zeit eine der Decken um sich geschlungen, das einzige, was sie hätte verraten können, hat sie rechtzeitig verschwinden lassen.“
Ich machte eine kurze Pause.
„Deine und meine Kleidung fällt weniger auf. Was weiß ich, was die Menschen momentan in Boston tragen?“
“Wenn sie diese Nacht fieberfrei übersteht, haben wir es dann geschafft?“
Allem Anschein nach war er mit seinen Gedanken zu Lori zurückgekehrt. Sein schneller Themenwechsel verriet seine Unsicherheit.
„Sie wird kein Fieber bekommen!“
Heu rieb aneinander. Bei dem Geräusch kratzte ich mich unwillkürlich im Gesicht. Nach kurzer Zeit vernahm ich seine ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge und beneidete ihn um seinen Schlaf. Dies würde mit Sicherheit die zweite Nacht werden, in der ich kaum ein Auge zu tun würde.
TRAUM ODER WAHRHEIT
Hatte sie Fieber? Es kam ihr so vor. Sie war heiß, ihre Haut fühlte sich klebrig und nass an. Es war ein Alptraum, der sie nicht loslassen wollte. Sie hockte im Schrank und es war still und dunkel. Trotzdem drangen schmale Lichtstrahlen durch die Lamellenschlitze zu ihr ins Innere, die ihr wie gleißende Blitze in die Augen stachen, und sie nahmen die hellen Bilder der Schlitze mit,