„Seid gegrüßt, Hauptmann Mojo! Darf ich Euch Gandaros, den inoffiziellen Anführer des Bundes der Erfahrenen vorstellen?“ Mojo verbeugte sich tief. „Seid willkommen Lady Zola und auch Ihr, Ser Gandaros – seid herzlich willkommen. Und auch möchte ich die Gelegenheit nutzen, Euch als erster im Namen von Napoda für die Hilfe gegen die Piraten zu danken. Es hat sich bereits in der ganzen Stadt herumgesprochen, dass Napoda Unterstützung im Kampf durch zwei mächtige Magae erhalten hat, die auf feuerspuckenden Ungeheuern durch die Luft fliegen.“ Er warf einen Blick auf die Fledermäuse. „Sie spucken nicht wirklich Feuer – oder?“ Gandaros musste schmunzeln. „Nein, Hauptmann Mojo. Dies sind ganz normale Riesenfledermäuse, die, wenn man sich gut mit ihnen versteht, treue Gefährten und hervorragende Begleiter im Kampf sind. Feuer spucken können sie nicht, aber kein Wesen auf Tarris würde sie sich als Gegner wünschen. Sie sind hervorragende Jäger und erlegen fast alles, auf das sie Jagd machen. Vielleicht könnte der ein oder andere Drache ihnen Schwierigkeiten bereiten, aber über solche Unterstützung verfügen die Piraten zu unserem Glück nicht.“ Zola wandte sich an den Hauptmann. „Wir müssen dringen zu König Geminiano. Führt uns bitte sofort zu ihm, es eilt sehr.“ Mojo runzelte die Stirn. „Der König ist seit einiger Zeit unpässlich. Er möchte nicht gestört werden.“ „Wie bitte?“, fragte Gandaros. „Vor Eurer Stadt befinden sich feindliche Kampfschiffe, die Hafenviertel brennen und er ist unpässlich? Seid mir nicht böse, Hauptmann Mojo, aber zwei Mitglieder des Hohen Rates der Erfahrenen können nicht wie zwei Straßenkinder abgewiesen werden, wenn sie zum König möchten. Versteht mich bitte nicht falsch, aber es ist nicht akzeptabel, uns diesen Wunsch abzuschlagen. Bitte bringt uns jetzt zu ihm.“ Gandaros sendete einen Gedanken an sein Reittier, woraufhin sich dieses über den Köpfen der Wache kopfüber unter das Dach hängte. Die andere Fledermaus folgte.
„Ich bringe Euch zur Tür von seinen Gemächern. Bitte verzeiht mir, wenn ich nicht zu ihm hineingehe und Euch ankündigte. König Geminiano reagiert in letzter Zeit schnell ungehalten, wenn seine Befehle nicht wortgetreu ausgeführt werden und ich möchte mir nicht seinen Zorn zuziehen. Geht diplomatisch vor, wenn Ihr mit ihm sprecht!“
Mojo führte sie durch einen beeindruckenden Palast. Marmor und edle Hölzer waren die Materialien, aus denen das Gebäude bestand. Überall gab es kleine Springbrunnen, die die Luft befeuchteten und kühlten, so dass die Hitze, die draußen das Leben schwer machte, schnell vergessen war. Es herrschte ein geschäftiges Treiben im Palast. Schwer bewaffnete Offiziere eilten durch die Räume, während Gelehrte und Schreiberlinge sich eher gemächlich durch die Hallen bewegten. Sie suchten sich ihren Weg durch die Homuae, bis sie eine große, doppelflügelige Tür aus schwarzem Hartholz erreichten, in die in goldenen Intarsien Handelsszenen eingearbeitet waren. Zwei Soldaten in reich verzierter Rüstung standen vor der Tür, die aber nach einem kurzen Befehl von Mojo schnell zur Seite traten und den Weg zur Tür freigaben.
Ohne zu Zögern öffnete Gandaros gleichzeitig beide Türen mit erhobenen Armen und trat, dicht gefolgt von Zola, in den dahinterliegenden Raum. Zola spürte, wie Gandaros fein gewobene Magie erschuf, die unsichtbar war, ihn aber wie ein Schutzfeld umgab. Als die Wachen im Inneren, die noch prächtiger gekleidet waren als die beiden vor der Flügeltür, mit dem Magiefeld in Berührung kamen, lächelten sie Gandaros wie einen alten Bekannten an, den sie lange nicht mehr gesehen hatten, jedoch hocherfreut waren, ihn wieder zu sehen. Diese Art der Magie war für Geminiano bestimmt! Sie folgten dem langgestreckten Raum in Richtung einer weiteren prachtvollen Tür. Rechts und links befanden sich am Rand des Raumes kunstvoll aus weißem Stein gearbeitete Statuen früherer Könige von Napoda, die alle überlebensgroß dargestellt waren und ernst auf die Vorbeigehenden herunterblickten. Erneut öffnete Gandaros die Tür, nachdem er kräftig geklopft hatte und vor ihnen befanden sich die Gemächer von König Geminiano, der schweigend mit einem Berater zusammen an einem großen Tisch mit einer Platte aus schwarzem Marmor saß. Auf dem Tisch befanden sich verschiedene Torten und Karaffen mit Wein. Während der Berater nichts aß, hatte Geminiano einen Teller vor sich stehen, auf dem sich verschiedene Tortenstücke türmten. Auch in seinem dunkelblonden Bart waren Reste des Kuchens zu sehen. Geminiano hatte sich seit Gandaros letztem Besuch stark verändert. Er war fett geworden, sah ungepflegt und dreckig aus und hatte außerdem, seinem Blick nach zu urteilen, dem Wein auf dem Tisch recht kräftig zugesprochen. Er sah keinesfalls wie ein Herrscher der Südlande aus.
„Guten Tag, König Geminiano!“, begrüßte Gandaros den Herrscher. Dieser bemerkte offensichtlich erst jetzt, dass er nicht mehr mit seinem Berater alleine in dem Raum war, wandte den Kopf in Richtung der beiden Magae und lächelte freundlich, wenn er dabei auch keinen intelligenten Gesichtsausdruck zeigte. „Herzlich Willkommen Ser Gandaros. Es ist schön, dass Ihr den Weg in mein Reich gefunden habt. Auch wenn es nicht der beste Zeitpunkt ist, da wir gerade von Geaulli Drake und seinen Piraten angegriffen werden. Sie verfügen über neue Galeeren und versenken ein Schiff nach dem anderen meiner Flotte. Ich befürchte, Sie werden bald in der Stadt sein. Aber setzt Euch doch und esst ein Stück Kuchen.“ Seine Worte hörten sich weder nach Kampfeswillen noch nach Verzweiflung an, er hatte sich bereits mit seinem vermeintlichen Schicksal abgefunden und Resignation und Gleichgültigkeit zeigten sich nicht nur in seinen Worten, sondern auch in seinem Blick und seiner Körperhaltung. Dem Berater am Tisch war anzusehen, dass er mit den Worten des Königs nicht einverstanden war, jedoch zuckte er mit einem Blick auf Zola und Gandaros nur hilflos die Schultern. Geminiano ließ seinen Blick zu Zola wandern. „Und Zola – Ihr seid auch zurückgekehrt. Warum habt Ihr mich nur verlassen. Ich hätte Eure Hilfe benötigt, als die Piraten mit ihrem Angriff begonnen hatten. Vielleicht hätten wir ihnen wiederstehen können.“ Geminiano blickte abwesend zur Decke.
Zola blickt ihn fast schon wütend an. „Mein König, habt Ihr vergessen, dass Ihr mich gebeten habt, mit den Flüchtlingen, die an Napodas Türen geklopft hatten, wegzuziehen? Ich bin zusammen mit Gandaros zurückgekehrt, als wir vom Tarutos aus den Rauch des Krieges hier über Napoda sahen. Wir sind hier, um zu helfen.“ „Was habt Ihr bisher erreicht?“, fragte der König ohne ernsthaftes Interesse. „Sie haben bereits einige der Piratenschiffe versenkt“, fügte der Berater hinzu. „Danke, Orma“, sagte Zola und wandte sich wieder an den König. „Wie plant Ihr, gegen die Piraten vorzugehen und wer organisiert die Verteidigung zu See und in der Stadt?“ Geminiano gab keine Antwort und so erklärte Orma die Lage. „Als die Piraten angriffen, ist unser König schnell zu der Entscheidung gelangt, dass es das Beste wäre, wenn jeder Bürger der Stadt die Gelegenheit bekommen solle, sich auf seinen Tod vorzubereiten. Daher haben wir keine Verteidigung organisiert. Admiral Osarobo hat ohne Befehl die Kapitäne der Flotte zusammengerufen und sich den Piraten entgegengestellt.“ Er warf einen kurzen Blick zum König, bevor er fortfuhr. „Eine Verteidigung der Landstreitkräfte gibt es nicht. General Maturi wurde für Verfehlungen bestraft und das, was die Krähen von ihm übrig gelassen haben, hängt an einem Galgen vor der Stadt. Prinz Gannio, der nicht nur bei Euch, Ser Gandaros, gelernt hatte, sondern auch bei General Maturi zu dessen Stellvertreter ausgebildet wurde, hat seit längerer Zeit Hausarrest und so keine Gelegenheit, die Verteidigung zu organisieren.“
Gandaros änderte vorsichtig die Art der Beeinflussung durch seine Magie und versuchte, ihr so etwas wie einen Aufruf zu Taten oder Datendrang hinzuzufügen. Während sich auf Ormas Gesicht ein entschlossener Zug zeigte, änderte sich im Gesichtsausdruck des Königs nichts. „König Geminiano, ich bin zusammen mit Zola gekommen, um Hilfe zu leisten. Aber nicht nur das. Ich bin auch hier als der Anführer des hohen Rates der Erfahrenen und meine Aufgabe ist es, einem möglichen Aufstand aus dem Osten gegen ganz Tarris zu begegnen. Es ist nicht die Zeit, Kuchen zu Essen und sein Volk und seine Stadt brandschatzenden und plündernden Piraten zu überlassen. Was gedenkt Ihr zu tun, um die Piraten abzuwehren?“ Der König sagte nichts. Er biss in ein Stück Erdbeerkuchen und das Gelee tropfte