»Richtig. Und ich denke, dass dies auch der Grund sein könnte, warum sich Sheliza für die sunnitische Glaubensrichtung zu interessieren begann.«
»Du meinst, weil sie sein Kind unter ihrem Herzen trägt?«
Henry nickte und wirkte dabei bekümmert.
»Und in dieser Moschee fiel sie dann diesem verrückten Imam in die Hände?«
»Dieser Chalid al-Muzaffar gilt wohl im Eastend als Hassprediger und er wirbt Dschihadisten für die al-Nusra-Front oder die ISIS an. Verrückt ist er jedoch bestimmt nicht, Holly.«
»Aber du denkst, Sheliza wird von ihm oder seinen Männern festgehalten?«
Henry schüttelte verneinend den Kopf.
»Nein, das macht kaum Sinn.«
»Was dann?«
»Die Mehrheit der Bevölkerung in al-Busayrah ist doch sunnitisch, wie uns Sheliza erzählt hat.«
Diesmal nickte Holly, wartete auf weitere Erklärungen, doch Henry blickte sie nur abwartend an und im Gesicht der Frau begann es zu arbeiten, spiegelten sich ihre Gedanken. Da war zuerst eine tiefe Nachdenklichkeit, die wenig später von einem plötzlichen Einfall abgelöst wurde, der jedoch sogleich wieder einer starken Skepsis wich, bevor der blanke Schrecken darin stehenblieb.
»Du denkst doch nicht etwa…?«
»Doch«, meinte Henry lapidar und wirkte dabei ganz ruhig, doch Holly sah ihm die große Bitterkeit an.
*
»Sieh es doch als eine willkommene Abwechslung zu unserer Abschlussarbeit an.«
Mei war Feuer und Flamme für den Plan, auch wenn Chufu weiterhin skeptisch blieb.
»Warum willst du unbedingt Dr. Watson spielen?«
»Wieso Watson? Wohl eher bin ich Sherlock Holmes und du mein philippinischer Assistent.«
»Aber die Idee stammte doch im Grunde genommen von mir?«
»Nun sei nicht so kleinlich, Watson«, quittierte die Chinesin den Einwand ihres Freundes.
»Hast du überhaupt genügend Geld dafür?«, mäkelte er weiter herum, doch Mei nickte sogleich, »meine Eltern haben für jedes der Kinder einen Sparfonds eingerichtet. Und seit ich volljährig bin, kann ich über das Geld frei verfügen. Zumindest theoretisch.«
»Was heißt theoretisch und wie viel ist es überhaupt?«
»Ich glaube, es sind etwa eine halbe Million Real.«
»Ist das eine Glaubenssache?«
Einen Moment lang blickte Mei irritiert, bevor sie lächelte und ihm antwortete.
»Nein, aber so genau habe ich den Saldo nicht im Kopf, Schlaumeier.«
»Und wieso theoretisch?«
»Weil ich noch nie versucht habe, von diesem Konto Geld abzuheben, ganz einfach.«
»Aber du besitzt die Vollmacht darüber?«
»Glaub schon.«
»Werd jetzt bloß nicht religiös.«
Als Antwort schlug ihm Mei mit ihrer kleinen, rechten Faust mittelstark gegen die linke Schulterkugel.
»Also gut. Klären wir erst einmal ab, ob du an dein Geld überhaupt herankommst. Danach sehen wir weiter.«
Sie gingen gemeinsam zur Bank und Mei erhielt dort die Auskunft, dass die Fonds, in der ihr Geld fest angelegt war, in den letzten Monaten leider stark an Wert verloren hatten, so dass ihr Vermögen auf rund die Hälfte zusammengeschrumpft war. Doch das kümmerte die Chinesin kaum, verlangte sie doch den sofortigen Verkauf der Anlagen, erhielt vom Bankangestellten die Auskunft, sie könnte in drei bis fünf Tagen über das Geld verfügen. Mei blickte den Mann irritiert an.
»Diese Fonds kennen spezielle Bedingungen für den Ausstieg der Anleger. Eine davon ist die Karenzfrist von bis zu fünf Arbeitstagen, damit der Verkauf des Fonds-Vermögens ordentlich abgewickelt werden kann. Sie verstehen?«
Mei verstand zwar nicht wirklich, schaute jedoch Chufu an und als dieser nickte, gab sie sich zufrieden.
Wieder zurück in ihrer Wohnung schauten sie sich im Internet nach Dienstleistern um, fanden problemlos Dutzende von Anbietern.
»Eigentlich müssten wir doch eher ein paar Bettler anstellen«, meinte Chufu augenzwinkernd, »der Form halber, meine ich.«
Mei lächelte ihn wissend an.
»Such doch mal im Internet unter Baker Street Boys.«
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