Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753184500
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beugte sich über die Brüstung und gab dem Gardisten unter ihnen einen Wink. Der Mann stand an der kleinen Dampfmaschine. Diese wurde über einen Sonnenspiegel beheizt und verfügte über einen kleinen Energiespeicher aus Blaukristall, um nötigenfalls auch bei bedecktem Himmel und in der Nacht verfügbar zu sein. Die kleine Maschine begann zu schnaufen. Sanft begann die Plattform auf den beiden gut gefetteten Schienen nach unten zu gleiten.

      Am Fuß der Mauer herrschte weitaus mehr Aktivität als auf ihrer Krone. Mehrere Gruppen Gardisten übten sich in Formationen oder der Waffenkunst. Karren waren unterwegs, um Baumaterial für die Ausbesserung der Mauer zu transportieren, Gespanne pendelten zwischen dem Reet und dem Wall-Weiler, um Nahrungsmittel zu bringen oder zu holen. Es gab mehrere Brunnen, die das Reet und die Truppen entlang des Walls mit Trinkwasser versorgten.

      Das sogenannte Wall-Reet lag direkt an der Mauer und ungefähr in der Mitte des Walls. Es wurde von einer drei Längen hohen Mauer umgeben, an deren Innenseite sich ein Laufgang entlangzog. Im Inneren dieser Einfassung standen die im Quadrat angeordneten Gebäude.

      Direkt gegenüber dem Eingang erhob sich die dreistöckige Kommandantur. Über ihrem flachen Dach ragte die Konstruktion eines hölzernen Turms mit dem Lichtspiegel für die Fern-Kommunikation auf. Ferner gab es die großen Unterkunftsbaracken, Wäscherei, Bäckerei, Küche, Versorgungslager und Waffendepot, dazu eine Reihe kleinerer Häuschen, in denen man seine Notdurft verrichten konnte. Alles war gemauert und auf die Unterbringung und Versorgung von bis zu 3.000 Gardisten ausgelegt.

      Grimmbart Hartschlag glaubte, einen Schwachpunkt zu erkennen. „Euer Wall misst zwanzig Tausendlängen. Dieses Reet liegt in seiner Mitte.“

      Antarim erkannte die unausgesprochene Frage. „Es existieren in regelmäßigen Abständen befestigte Kampftürme, in denen Gruppen stationiert sind. Keine Sorge, guter Herr Hartschlag, jede Position auf der Mauerkrone ist in kurzer Zeit besetzt.“

      Neugierige Blicke galten den beiden Zwergen, während Gardisten salutierten. Die Ankunft der kleinen Herren rief verständliche Neugierde hervor, doch die Garde wahrte ihre Disziplin.

      Im Untergeschoss der Kommandantur lag der große Kartenraum, in dem die Verteidigung des Walls geplant und geleitet wurde. Im Zentrum stand der Tisch mit der Karte, wobei es sich jedoch keineswegs um eine der üblichen handelte. Vielmehr hatte man in mühevoller Kleinarbeit die Landschaft der Landmark nachgebildet und dabei das Gelände modelliert. Reliefartig hoben sich Berge und Senken ab, die fruchtbaren Areale waren grün gemalt, die Wasserläufe und Seen in kräftigem Blau gehalten. Eine Unmenge kleiner hölzerner Kegel deutete die Wälder an. Siedlungen, Reets und Verkehrswege waren markiert. Man sah das Netz der Transportwege und der Signalstationen.

      Der Befehlshaber des Wall-Reets war sichtlich stolz, während er die Karte mit einem Zeigestock erläuterte. „Wir haben viel Mühe darauf verwendet, alles im richtigen Maßstab zu halten. So können wir die Entfernungen einschätzen und die Dauer der Verlegung unserer Truppen besser kalkulieren.“

      Grimmbart Hartschlag nickte anerkennend. „Ja, ihr Landbewohner habt euch wirklich eine Menge Mühe gemacht. Alle diese Feinheiten sind anerkennenswert und sicher recht nützlich.“ Er strich mit breitem Grinsen über seine Bartzöpfe. „Ich denke allerdings, dass die Wolkenstadt euch nun eine Menge zusätzlicher Arbeit bescheren wird.“

      Barbrot Himmelsherr lächelte ebenfalls. „Ihr habt dies alles vom Boden aus gemessen und alle Sorgfalt walten lassen. Doch der Blick aus unseren Schwingen wird wohl manches verändern.“

      Antarim erwiderte das Lächeln. „Jedoch nur, wenn die Augen eurer Schwingenflieger scharf genug sind und sie auch die Gabe haben, ihre Beobachtungen exakt in eine Karte zu übertragen.“

      „Seid unbesorgt, Lord Antarim, die haben sie.“

      Nedeam räusperte sich. „Das wird sicher von Nutzen sein, Stadtmeister, doch in der Hauptsache geht es mir nicht um die Beschaffenheit unserer Landmark, sondern um das, was sich jenseits des Walls befindet. Wie Ihr sehen könnt, zeigt unsere Karte auch die Landbrücke und rund zwanzig Tausendlängen des dahinter liegenden Kontinents. Wir wissen recht gut, wie es auch in dem dahinter folgenden Land aussieht. Aber ich will nicht wissen, wie die Gegend beschaffen ist.“

      „Ich verstehe. Der Hochlord interessiert sich mehr für die Vorgänge jenseits der Grenze.“

      „So wurden wir uns im Handel einig.“

      „Der Hochlord der Landmenschen braucht mich nicht daran zu erinnern.“ Das Lächeln von Barbrot Himmelsherr schien für einen Moment zu gefrieren. „Wir vom Wolkenvolk erfüllen immer die Bedingungen eines Handels.“

      „Dessen bin ich mir absolut gewiss“, versicherte Nedeam versöhnlich. „Ich wollte den Herrn der Wolkenstadt auch nicht an den Inhalt unseres Handels erinnern, sondern lediglich hervorheben, welche Bedeutung er für uns hat und wie dankbar wir für die Gelegenheit sind, auf die Dienste der Himmelsschwingen zugreifen zu können.“

      Nedeam hatte das Recht des ersten Handels beansprucht und auf eine Weise genutzt, welche die Zwerge des Wolkenvolkes, zumindest nach Antarims Überzeugung, gegenüber der Landmark bevorzugten. Man hatte der Wolkenstadt Stoffe, Tauwerk, Leinen, Mehl und gegossene Eisenbarren in relativ großen Mengen zugestanden. Auf das Angebot des Blaukristalls der Zwerge hatte der Hochlord verzichtet, da er im Gespräch mit dem Handelsherrn des Wasservolkes erfuhr, dass die Zwerge selber großen Bedarf hatten. Nedeam beschränkte sich auf zwei der von den Antari angebotenen Säulen und überließ es den Zwergen, die anderen beiden einzuhandeln. Zu welchem Preis dies geschehen war, wusste Antarim nicht, doch er vermutete, dass das Wolkenvolk auch hier seine einzigartigen Schwingen ins Spiel gebracht hatte.

      In den vergangenen Wochen waren die Waren zur fliegenden Stadt gebracht worden und dort war mit dem typischen Fleiß und Können des kleinen Volkes damit begonnen worden, die dortigen Schäden auszubessern. Das Wolkenvolk konzentrierte sich vor allem auf die Flugfähigkeit von Eldont'haneeva und die der Flügelschwingen. So erhielt die Stadt ihre Wehrkraft zurück und war nun auch in der Lage, die vereinbarten Schwingenflüge aufzunehmen.

      Barbrot und Grimmbart waren hier, um die Einzelheiten hierfür festzulegen.

      Lord Antarim tat, als betrachte er intensiv die Karte. Er war verlegen. Ein geschickter Diplomat hätte sicher andere Worte gewählt als die seinen. Doch Nedeams Erläuterung besänftigte offensichtlich die kurze Unstimmigkeit, die sich abgezeichnet hatte.

      Barbrot Himmelsherr stieg auf einen der umstehenden Stühle, um die Karte besser überblicken zu können. „Das Schweben einer Flügelschwinge ist kein Problem. Die Füllmenge an Gas im Auftriebsbehälter hält sie nahezu unbegrenzt in der Luft, es sei denn, dieser wird undicht oder der Flieger verringert die Gasmenge über das Ventil“, erklärte er. „Was nur in einem absoluten Notfall geschieht, wie ich euch versichere. Kein Zwerg setzt den Fuß bereitwillig auf gefährlichen Boden oder fällt gerne ins Wasser.“ Barbrot lachte leise und klatschte in die Hände. „Für die Strecke, die eine Schwinge zurücklegen kann, ist die Beinkraft des Fliegers entscheidend. Sie treibt den Propeller an, welcher die Schwinge durch den Himmel zieht. Dabei kann der Schwingenflieger niemals zum Äußersten gehen, denn er muss immer vor Augen haben, zur Stadt zurückkehren zu können.“

      Grimmbart Hartschlag nickte bestätigend. „Was wahrlich nicht leicht ist, ihr guten Herren. Dort oben gibt es Luftströmungen und Winde, die gegen die Schwinge stehen.“

      „Ich verstehe. Eine Schwinge kann also nicht beliebig weit fliegen“, fasste Nedeam die Worte der Zwerge im Kern zusammen. Er trat an Barbrots Seite. „Was meint Ihr, Herr der Wolkenstadt, wie weit Ihr die Schwingen entsenden könnt?“

      Barbrot sah Grimmbart an. „Was meinst du, alter Freund?“

      Der Axtmeister zog nachdenklich an seinen Bartzöpfen. „Aus der Sicht eines Axtschlägers sehe ich die Sicherung dieser Grenze unter zwei Gesichtspunkten: Was tut sich im Hinterland des Walls und gibt es tatsächlich keinen Weg, ihn zu umgehen.“

      „Die Pässe über die Gebirge wurden zerstört.“

      Grimmbart sah den ersten Schwertmann Antarim