„Bei der Höhe des Himmels und der Tiefe der See …“ In Langauges Stimme schwang Panik mit. „Sie zerstören die Ballons!“
Es war den Angreifern gelungen, mehrere der Ballonhüllen zu beschädigen. Zwei der Auftriebballons begannen in sich zusammenzufallen. In einem dritten erschien ein Riss. Der dort sitzende Scharfschnabel krächzte erschrocken, als ihn die dort austretende heiße Luft traf. Hastig hüpfte das Wesen zur Seite und begann an anderer Stelle mit seinem Zerstörungswerk.
An der Unterseite der Stadt hatten Zwerge die Luken geöffnet, die zu den dortigen sechs Kanonenständen führten. Sie stiegen die Leitern hinunter, erreichten die Waffen, die noch zwanzig Längen unterhalb der Auftriebsballons angebracht waren und feuerte auf jene Scharfschnäbel, die sich unter der Stadt bewegten. Die Geschütze konnten frei nach unten und zu den Seiten geschwenkt werden, aber der Schusswinkel nach oben war stark eingegrenzt. Die Gefahr, dass die Lichtimpulse einen der wichtigen Ballons zerstörten, war hoch.
Nur drei der Scharfschnäbel gelangten nach hier. Zwei wurden von den Geschützen verbrannt, der letzte landete unter einem Ballon und konnte nicht beschossen werden. Eine Flügelschwinge erlegte das Raubwesen. Die Abwehr des Feindes kostete die Zwerge unterhalb der Stadt einen zerstörten und einen beschädigten Ballon sowie einen zerstörten Waffenturm und das Leben von fünf Zwergen.
Inzwischen fanden sich Gerlon Wolkenbezwinger und Farold Langauge in einem heftigen Luftkampf wieder, der oberhalb der Stadt zwischen den Flügelschwingen und dem einzelnen Luftschiff auf Seiten der Zwerge und inzwischen nur noch sechs Scharfschnäbeln ausgetragen wurde.
Soeben gelang es dem Piloten einer Schwinge, eine der Kreaturen mit dem Sonnengeschütz zu töten, doch nur Augenblicke später stürzte sich eine andere von oben auf das Fluggerät. Die Krallen packten Bug und Heck, dann hackte der Schnabel von oben in die Rumpfmitte. Die Flügelschwinge wurde förmlich zerrissen. Während das Raubwesen die Teile fallen ließ, packte es mit dem Schnabel geschickt einen der herausstürzenden Zwerge, tötete ihn und verschlang die Überreste des Opfers.
„Habe dich!“, brüllte Wolkenbezwinger triumphierend.
Sein Lichtschuss traf die Seite der Kreatur. Diese riss den Schnabel auf, ließ einen Teil des Zwerges fallen und drehte sich dann träge auf die Seite. Aus dem faustgroßen Loch stieg fettiger Qualm auf, während sich der Körper weiter auf den Rücken drehte und dann haltlos auf das Haltenetz der Ballone fiel.
Hinter Wolkenbezwingers Schwinge schwebte das größere Luftschiff. Normalerweise kämpfte man mit ihnen nicht gegen einen Scharfschnabel, da der Ballon, der das Gefährt trug, ungeschützt war. Doch Eldont'haneeva verfügte nicht mehr über viele Schwingen und so machten die Axtschläger der Stadt das langsame Luftfahrzeug zu ihrer Waffenplattform. Entlang der Reling des unter dem Ballon hängenden Bootes blitzte das Feuer ihrer Sonnenpistolen. Zwei Angreifer fielen ihnen zum Opfer.
Wolkenbezwinger war es, der das letzte Raubwesen mit einem Lichtschuss verletzte.
Obwohl die Kreatur in ihrem Zustand keine Chance mehr hatte, den Kampf zu gewinnen, tat sie, was für ihre Art typisch war: Sie kämpfte bis zum Sieg oder Tod. Hier war Letzteres der Fall.
Wolkenbezwinger sah dem brennenden Kadaver nach, der taumelnd in die Tiefe fiel. „Das war es wohl, Farold, mein Freund. Der letzte Scharfschnabel stürzt in den Tod. Es ist Zeit, wieder zum Schwingenfeld zu fliegen. Kehren wir um.“
Jetzt, nach dem Ende der letzten Luftbestie, meldete sich die Alarmpfeife erneut. Diesmal mit einer Serie kurzer Pfiffe, die davon kündeten, dass die Gefahr vorüber war.
Diszipliniert machten sich die Bewohner der Wolkenstadt daran, die Verletzten zu versorgen, ihre Toten zu bergen, wo dies möglich war, und die Schäden der Stadt zu beheben.
Die Stadt hatte fünfzehn Leben eingebüßt und die Schäden waren erheblich. Die Hüllen mehrerer Auftriebsballons waren so schwer beschädigt worden, dass sie als zerstört gelten mussten. Drei weitere würde man flicken können, sofern man genug Stoff dafür fand. Das Haltenetz musste an zahlreichen Stellen geflickt werden. Fünf Kristallschüsseln der Lichtsammler waren geborsten, mehrere Flügelschwingen mit ihren Besatzungen verloren.
„Unsere Verluste wären geringer, wenn die Schwingen in einwandfreiem Zustand gewesen wären“, meinte Wolkenbezwinger mit bitterer Stimme.
Werkmeisterin Kora Eisenschmied erhielt die ersten Meldungen über die Schäden an der Stadt. Sichtlich betroffen wandte sie sich den anderen Meistern zu. „Wir haben viel Auftrieb verloren. Wir können die Stadt noch auf Höhe halten, doch wenn wir noch einen oder zwei Ballone verlieren, kann ich nicht mehr dafür garantieren.“
„Können wir…?“, begann Magiermeister Ronulf Sternenhand zögernd.
Kora ahnte, was er fragen wollte und schüttelte den Kopf. „Nein, wir können nicht. Unsere Mittel reichen nicht mehr aus, alle Schäden zu beheben.“
Axtmeister Grimmbart Hartschlag löste mit düsterem Gesicht den Knoten in seinem Nacken und legte die Enden seiner Bartzöpfe wieder nach vorne. „Und die Zahl unserer Flügelschwingen ist gering. Selbst ein kleines Rudel der Scharfschnäbel würde unserer Stadt nun den Tod bringen.“
Stadtmeister Barbrot Himmelsherr nickte mitfühlend. „Auch wenn ich mich nun lieber um die Stadt selbst kümmern würde, so sehe ich keine andere Wahl, als nun schnellstens mit den Landmenschen in Verbindung zu treten. Wir brauchen einen guten Handel, sonst ist die Wolkenstadt Eldont'haneeva verloren.“
6. Handel
Llaranea, Hafenstadt der Landmark, an der Südspitze des Kontinents
Llaranea war noch immer die größte Stadt der Landmark, auch wenn ihre Bedeutung teilweise geschwunden war. Hier war die kleine Flotte mit den Überlebenden gelandet, hier hatte man die erste Siedlung der Landmark gegründet. Llaranea war Hauptstadt und Handelszentrum der neuen Mark und von hier aus hatte man einst begonnen, das Land zu erkunden.
Die Entdeckung der Landenge im Norden, die des dortigen Gebirges und der Tatsache, dass sich jenseits der nördlichen Gebirgskette ein weitaus größeres Land befand, welches von feindlichen Barbaren bewohnt wurde, hatte aus militärtaktischen Gründen dazu geführt, die Hauptstadt mit der Gründung von Newam um rund 1.200 Tausendlängen nach Norden und ungefähr in die Mitte der Landmark zu verlegen. Llaranea blieb jedoch das Zentrum des Handels und der bescheidenen Industrie, auch wenn beides in Newam im Wachsen befindlich war. Doch mit der Lage als geschützter Hafen in einer riesigen Bucht würde Newam niemals konkurrieren können, davon waren die Bewohner von Llaranea überzeugt.
Eigentlich lag Llaranea rund fünfhundert Tausendlängen nordwestlich der eigentlichen Südspitze der Landmark. Die Südspitze selbst wurde von einem massigen Gebirgszug eingenommen, in dem man Steine abbaute und sich die reichhaltigen Erzadern nutzbar machte. Auf einer der niedrigeren Berggipfel des Gebirges befand sich der südlichste und wohl einsamste Vorposten der Landmark. Es handelte sich um einen Beobachtungs- und Signalposten, der mit drei Männern besetzt war, die jede Woche abgelöst wurden. Ihnen standen zwei hervorragende Langaugen und einer der Lichtspiegel zur Verfügung.
Schon seit Langem beherrschte man die Kommunikation mit Hilfe der beweglichen Spiegel, die entweder das Sonnenlicht oder den Schein einer sehr hellen Lampe nutzten. Eine einfache Klappe verdeckte die Konstruktion und diente dazu, kurze und lange Lichtblitze abzugeben. Man hatte eine schlichte Signalsprache entwickelt, in der man den wichtigsten Worten eine entsprechende Anzahl von Lichtimpulsen unterschiedlicher Kombination zuordnete. So waren die Lichtspiegel-Stationen ein bewährtes Mittel, sich schnell und über weite Distanzen zu verständigen. Inzwischen verband eine ganze Reihe dieser Drei-Mann-Posten die Hafenstadt Llaranea mit der Hauptstadt Newam und allen Weilern der Mark.
Die Bucht von Llaranea war mit ihren nahezu einhundert mal einhundert Tausendlängen sehr groß, doch sie war geschützt, bot ruhiges Wasser und großen