Der Herr des Krieges. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789822
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Nach einem anstrengenden Monat kehrte der junge Portugiese müde, aber zufrieden nach Badajoz zurück. Er war der erste der kleinen Gruppe, der heimkehrte. Gespannt wartete er auf die anderen und darauf, welche Resultate und Neuigkeiten sie mitbrachten.

      Kurze Zeit später erreichte dann ein ebensomüdes wie zufriedenes Quartett das britische Hauptquartier an der Landesgrenze zwischen Spanien und Portugal. Doch sie durften und konnten sich dem neugierigen Don Antonio noch nicht anvertrauen! Das einzige, was Hauptmann Cabral de Castro aus Pater Robertson und Oberst Grant bei einem gemeinsamen Abendessen in der Zitadelle herausbekam, war ein fröhliches Augenzwinkern. Obwohl Wellington wußte, daß auf all diese Männer, die er in geheimer Mission losgeschickt hatte, absoluter Verlaß war und niemand den anderen je verraten würde, hatte er doch beschlossen, daß außer ihm in diesem Moment keiner mit dem gesamten Plan vertraut gemacht werden sollte. Es stand zuviel auf dem Spiel, als daß er auch nur bereit war, das geringste Risiko einzugehen.

      Während der Portugiese dem Benediktiner noch einmal Wein nachschenkte, in der Hoffnung vielleicht so seine Zunge zu lösen, stand Colquhoun Grant vom Tisch auf und holte Bleistift und Papier. Er schrieb ein paar Sätze nieder und streckte sie Don Antonio hin: „Anstatt uns auszufragen, wie ein altes Fischweib, mein Freund, solltest du dich lieber nützlich machen. Sag mir, was das ist?”

      Der Portugiese betrachtete das Blatt, seine Stirn legte sich nachdenklich in Falten. Dann schüttelte er unzufrieden den Kopf: „Es ist verschlüsselt, irgendein Code! Doch was das bedeuten kann ... Granto, ich weiß es nicht! Darf ich den Fetzen behalten?” Der Husarenoberst nickte: „Wir haben es alle reihum versucht, aber keiner kann’s verstehen! Nicht einmal die klugen Padres von Braga, Tomar oder Santa Clara können sich einen Reim darauf machen. Mal sehen, was Sir Arthur selbst davon hält! Der hat in Indien ja offenbar die ganze Zeit mit Codes, Chiffres und Spionagenetzen gespielt. Wo der Chef nur steckt?”

      Obwohl es ihm schwerfiel, nicht herauszuplatzen, zuckte Don Antonio nur die Schultern. Seit dem Abend in der Posada wußte er um die Wälle von Torres Vedras, doch Arthur hatte ihn als Freund gebeten, den Mund zu halten. Der Portugiese vermutete, daß der Ire angefangen hatte, an seinem Traum zu bauen, denn seit einiger Zeit schon gingen überall Gerüchte um, daß nun, nach dem Sieg über Österreich und dem Friedensschluß von Schönbrunn, Bonaparte selbst das Kommando über die französischen Armeen auf der Iberischen Halbinsel übernehmen würde und daß er es sich zum Ziel gemacht hatte, den schleichenden englischen Leoparden zurück ins Meer zu treiben und dem aufrührerischen Sepoy-General alle Knochen im Leib zu brechen. Der Kaiser hatte an den östlichen Grenzen seines Reiches Frieden erzwungen, seine Alte Garde marschierte auf Bayonne und es hieß, daß seine Wagen bereits auf dem Weg nach Madrid waren, um dort sein Hauptquartier vorzubereiten. Während eines ganzen Jahres mindestens, würde der Korse jetzt seine gesammelten Kräfte auf Spanien und Portugal richten können. Wellington mußten in seinem Versteck die gleichen Schreckensmeldungen zu Ohren gekommen sein!

      Der bewährte Rowland Hill wartete genausoungeduldig wie die Männer des Quartetts und Don Antonio auf Arthurs Rückkehr. Er fühlte sich mit jedem Tag unwohler in seiner Haut. Der Ire hatte ihm einen großen Stoß unterschriebener, weißer Blätter in Badajoz zurückgelassen und ihn beauftragt – wie er es nannte –, Oberkommandierender zu spielen! Hill brachte täglich bange Stunden damit zu, Kuriere der Junta aus Sevilla hinzuhalten und negative Antworten seines Chefs auf Operationspläne zu erfinden. Die spanische La Mancha-Armee befand sich nun am Vorabend einer großen Aktion gegen die Adler und in den Augen Rowland Hills sicher auch am Vorabend ihrer totalen Zerstörung durch einen überlegenen und gerissenen Feind. General Areizago hatte sich ausgerechnet Marschall Soult als Gegner ausgewählt und marschierte auf Oçaña. Eine spanische Armee aus Galizien unter Del Parque bewegte sich durch die Ebenen von Leon auf Salamanca. Er würde General Marchand und das 6. Französische Armeekorps auf seinem Weg finden. Und unweit von Salamanca, in Alt-Kastilien, trieben sich die gefürchteten Dragoner des finsteren Generals Kellermann herum, zusammen mit drei Schweizer und vier oder fünf französischen Infanteriebataillonen, die General Marchand jederzeit verstärken konnten.

      Auch Arthur Wellesley kannte diese Gerüchte: Sie waren ihm bis in die Berge zwischen Arruda und Torres Vedras zugetragen worden, obwohl er sich nie länger als einen Tag am selben Ort aufhielt. Kaum einer, der mit seinen geheimnisvollen Befestigungsarbeiten zu tun hatte, gleich ob einfacher Arbeiter oder Marschall Sir John Beresford, verstand, was er eigentlich plante. Doch der General strahlte in diesen Augenblicken soviel Selbstvertrauen aus, daß niemand seine sonderbaren Forderungen oder Ansprüche zu hinterfragen wagte. Zehn Tage lang war er kreuz und quer über Land geritten. Über steinige Bergpfade, hinunter in enge Täler, gelegentlich durch eine Ebene, entlang jedes Flusses und Flüßchens, hatte er jeden Stein, jedes alte Mauerwerk, jedes solide Bauernhaus und jeden Signalturm aus der Römerzeit in Augenschein genommen. Im Anschluß an diesen Erkundungsritt wußte nicht einmal mehr Oberst Fletcher, der Ingenieur, der Arthur begleitet hatte, wo der Oberkommandierende sich aufhielt. Fletcher hatte eines Morgens lediglich ein ellenlanges Memorandum in einem Umschlag vorgefunden, aus dem exakt hervorging, was er zu bauen hatte. Der General selbst war wieder einmal einfach vom Erdboden verschwunden.

      Arthur hatte sich in diesen Tagen an das einfache Landgasthaus bei Arruda dos Vinhos, hoch in den Bergen erinnert, wo die Idee der Wälle von Torres Vedras geboren worden war. Doch dieser Ort lag gleichzeitig zu nahe an seinen geheimnisvollen Bauarbeiten und zu weit von sicheren Nachrichten über das Treiben der Spanier und der Franzosen. Er beschloß aus diesem Grunde, nach Tomar zu reiten und den dortigen Prior um Unterschlupf und ein wenig Diskretion zu bitten: Seit er auf der Iberischen Halbinsel gelandet war, hatten die Männer Gottes ihn noch nie enttäuscht, und ein Kloster war genau der richtige Ort, um von niemanden beim Nachdenken gestört zu werden oder auch um einfach zu vermeiden, daß irgendein störender Befehl aus London ihn doch irgendwie erreichen konnte.

      Schon von weitem konnte der Ire den großen Felshügel erkennen, auf dem das Convento do Cristo stand, das erst Templer-, dann Christusritterburg und nun Refugium der mächtigen Jesuiten war. Die Stadt Tomar selbst lag ausreichend weit vom Kloster entfernt, am rechten Ufer des Rio Nabao, einem Nebenfluß des Tejo, in der Nähe der ehemaligen, römischen Siedlung Nabantia, von der nur noch Grundmauern und verwitterte Mosaike erhalten geblieben waren.

      Der General war schon die halbe Höhe zum Burghügel hinaufgeritten, als er seinen Fuchs-Hengst unweit der schlichten Igreija de Nossa Senhora da Conceicao, einem Meisterwerk der Renaissance, dessen auffällige ionische Eckpfeiler und giebelgekrönten Fenster ihn bereits bei seinem ersten Besuch in dieser Gegend beeindruckt hatten, zügelte: Versonnen betrachtete er das Tonnengewölbe, das auf korinthischen Säulen mit geradem Gebälk ruhte. An diesem stillen, geschichtsträchtigen Ort fiel es ihm irgendwie leichter nachzudenken! Arthur konnte es sich nicht logisch erklären, aber er spürte genau, wie die Spanier in diesem Augenblick irgendwo im Herzen ihres Landes einer französischen Nemesis begegneten. Er wollte nicht, daß sein kleines Feldheer, das sich nun langsam, aber sicher von der Schlacht bei Talavera und dem Rückzug durch das Guadiana-Tal erholte, plötzlich zwischen die Fronten geriet und aufgerieben wurde, nur weil irgendein Politiker ihn dazu zwang nachzugeben!

      Der Prior von Tomar empfing den Iren herzlich und versprach, ausnahmsweise auch einmal seinen Freund Pater Jack Robertson im Dunkeln zu lassen. Der General verbrachte drei ruhige Wochen in der klösterlichen Stille, hauptsächlich in der großen, alten Bibliothek über Karten Spaniens gebeugt. Das Jahr 1810 würde der Wendepunkt des Feldzuges auf der Iberischen Halbinsel werden. Arthur hatte eingesehen, daß es unmöglich war, die spanische Höchste Junta, was militärische Fragen anbetraf, zur Vernunft zu bringen. Die mehr als 50.000 Mann starke La Mancha-Armee unter General Areizaga wußte er verloren, noch bevor es zu einem Zusammenstoß mit Soult gekommen war, und auch für den Duque Del Parque hatte er jede Hoffnung aufgegeben. Sollten die Spanier doch ihre große Schlacht in einer weiten, deckungslosen Ebene im Frontalangriff schlagen und anschließend im französischen Kanonenfeuer verbluten. Sie waren so oder so nicht in der Lage, aus der Geschichte des Krieges zu lernen: Niemand schien sich in diesem stolzen Land je die Mühe gemacht zu haben, aus Fehlern der Vergangenheit Schlüsse zu ziehen! Doch er hatte aus seinem gemeinsamen Sommerfeldzug mit diesen unruhigen Verbündeten viel gelernt. Er würde sich jetzt einfach darauf