Der Herr des Krieges. Peter Urban. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Urban
Издательство: Bookwire
Серия: Warlord
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742789822
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auf der Iberischen Halbinsel lag nur in ihrer vollständigen Geheimhaltung. Lediglich in einem privaten Brief an Robert Castlereagh ließ der General durchblicken, daß er etwas vorhatte. Doch was, das wollte er auch dem Freund nicht sagen. Robert war zu sehr Politiker, als daß der Soldat Wellington ihm in dieser schwierigen Lage noch sein Vertrauen schenken konnte. Nur an Henry Paget schrieb er: „Besorge dir eine Karte, sieh genau hin und du wirst verstehen, was ich gerade unternehme!“ Dann löste er sich für weitere vier Wochen in Luft auf, ohne irgend jemanden zu informieren, wohin oder warum. Er wurde nur noch von Oberst Richard Fletcher begleitet, dem Chefingenieur seines Feldheeres. Don Antonio Maria Osario Cabral de Castro und Pater Robertson mit seinem Quartett verschwanden ebensomysteriös in den Weiten der Iberischen Halbinsel.

      Napoleons ‚Grande Armée‘ hatte im Jahr 1809 wieder eine ihrer verblüffenden Siegesserien gehabt: Bei Tengen, Abensberg, Landeshut, Eckmühl, Ratisbon, Ebersberg und Znaim hatten die Adler die Österreicher geschlagen. Bei Wagram hatte der Kaiser der Franzosen einen großen Sieg errungen. Als Arthur präzise Informationen über diesen 5. und 6. Juli in Händen hielt, erschauderte er. Das kleine Dorf Wagram befand sich nur wenige Meilen von Wien entfernt. Nachdem der Kaiser in einem verzweifelten Zusammenstoß bei Aspern-Esslingen, unter grausamem Blutzoll versucht hatte, die Donau zu überwinden und dabei seinen engsten Waffengefährten, Marschall Jean Lannes, den Herzog von Montebello, verlor, überschritt er in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli den Fluß ohne dieses Mal auf österreichischen Widerstand zu stoßen. Erzherzog Karl hatte sich noch nicht mit den Truppen von Erzherzog Johann vereinigen können. Sein Versuch, den Korsen von seinem Brückenkopf abzuschneiden und wieder über den Fluß zu vertreiben, um die Hauptstadt der Donaumonarchie zu retten, schlug fehl. Napoleon gelang es, einen Keil ins Zentrum des österreichischen Heeres zu treiben. Karls Situation war ausweglos, seine Niederlage vollständig! Die Franzosen besetzten Wien, der Kaiser schlug sein Hauptquartier in Schönbrunn auf. Rußland hatte sich der Koalition gegen Bonaparte dieses Mal nicht angeschlossen. Niemand konnte der Donaumonarchie mehr zu Hilfe eilen, und der Habsburger mußte am 10. Juli 1809 den ehemaligen Jakobinergeneral und Revolutionär um Frieden anflehen. Er wurde gezwungen, im Vertrag von Schönbrunn unermeßlich große Teile seines Hoheitsgebietes abzutreten und dem französischen Kontinentalsystem beizutreten. Als Dreingabe forderte Napoleon noch die Hand Marie-Louises von Habsburg! Josephine Beauharnais – seine Kaiserin – hatte ihm keine Söhne schenken können, doch der Korse wollte eine Dynastie gründen. Nach dem Tag von Wagram beschloß er, sein Revolutionärsblut mit dem ältesten Hochadel des europäischen Kontinents zu veredeln – Habsburg! Der Kaiser der Franzosen hatte sich damit zum unangefochtene Herrscher über Europa gemacht.

      Während die Portugiesen Tausende von Palisaden und Reisigbündel für die Befestigung der Wälle von Torres Vedras schleppten oder mühsam Straßen durch die Berge bauten, um schwerer Artillerie Bewegungsmöglichkeiten zu geben, wo vormals kaum ein Maultier vorankam, befand Don Antonio Maria Osario Cabral de Castro sich tief im Landesinneren von Spanien. Sein erster Weg hatte ihn in das Bergmassiv des Guadarrama geführt. Dort verbarg sich in der einsamen Schönheit von La Mancha, unweit von Segovia und hoch in den Bergen, ein Mann vor den französischen Häschern, dessen Ruf bereits den Weg über die Grenzen nach Portugal gemacht hatte: Juan Martin Diez. Seine Anhänger und auch seine Feinde nannten ihn nur „El Empecinado“ – den Mann vom Strom. Diez führte eine große Bande von Guerilleros an, die den Franzosen mit waghalsigen Übergriffen das Leben zur Hölle machten. Niemand, der eine blaue Uniform trug, war nachts oder in den Wäldern vor den gnadenlosen und flinken Messern der Gefolgsleute von El Empecinado sicher. Don Antonio gelang es, diesen Partisanenführer für die Sache der Briten zu gewinnen. Diez versprach, alle abgefangenen Franzosen sorgfältig auf Depeschen und andere nachrichtendienstlich wertvolle Schriftstücke abzusuchen und peinlichst zu befragen, wenn dies noch möglich war. Alle Informationen würde er Lord Wellingtons Nachrichtendienst zukommen lassen. Nachdem die Männer der Guadalajara-Region fest auf Seite der Alliierten standen, machte Don Antonio sich auf den Weg nach Kastilien, um sich dort der Unterstützung des berühmten Don Julian Sanchez zu versichern, eines Großgrundbesitzers, dessen gesamte Familie auf grauenvolle Weise von den Franzosen abgeschlachtet worden war, weil er sich geweigert hatte, dem Feind Pferde und Proviant zur Verfügung zu stellen. Auch Don Julian erklärte sich schließlich einverstanden, auf Seiten der Briten für die Freiheit seines Landes zu kämpfen. Und er tat noch mehr für Don Antonio: Er versprach dem Portugiesen, alle anderen Guerilleros ebenfalls für die Sache der Alliierten zu gewinnen. Boten galoppierten nach Osten, Westen, Norden und Süden los, und kurze Zeit später fanden sich die Führer sämtlicher Widerstandsgruppen aller spanischer Provinzen um ein Feuer, hoch in den Bergen der Sierra de Gredos versammelt. Dieser mächtigste Gebirgszug westlich von Madrid war nicht nur die Heimat der Steinböcke und Greifvögel, sondern auch der einzige Ort dieses besetzten Landes, zu dem die Franzosen sich nicht vorwagten. Die unwirtliche Nordflanke des Massives trug vorwiegend Granitfelder und dürftiges, niedriges Strauchwerk. Niemand konnte sich nähern, ohne sofort gesehen zu werden. Auf dem fast unzugänglichen Pico Almanzor, der sich mehr als 2500 Meter über den Meeresspiegel erhob, war die illustre Versammlung vor jeglichem feindlichen Zugriff sicher.

      El Minas, ein Guerillero aus Navarra hatte dem jungen Portugiesen aufmerksam zugehört, doch er war skeptisch, ob es sich am Ende lohnen würde, mit den Briten zusammenzuarbeiten: „Don Antonio, was haben wir davon, diesem irischen Aristokraten Informationen zuzutragen? Er, die Franzosen oder ein spanischer Großgrundbesitzer, sie sind doch alle Unterdrücker, die uns einfache Bauern nur ausbeuten! Was kann er uns geben, wenn wir ihm helfen?”

      „Spaniens Freiheit, Amigo!”

      „Freiheit? Wenn die Franzosen weg sind, dann werden unsere eigenen Grundbesitzer uns wieder bis aufs Blut aussaugen! Was macht es für mich für einen Unterschied, wer mich bestiehlt?”

      Der junge Portugiese sah den bärtigen Alten aus Navarra lange an. Es fiel ihm unendlich schwer, auf diese Äußerungen eines einfachen Mannes aus dem Volke eine Antwort zu geben, denn El Minas hatte im Grunde recht: Wenn die Franzosen fort waren, dann würde die spanische Grandezza die Bauern wieder plündern, so wie sie es seit Jahrhunderten tat. Doch dieses Problem konnte ein alliiertes Feldheer nicht lösen. Er beschloß, dem Navarener gegenüber einfach ehrlich zu sein: „Du hast richtig erkannt, daß es für euch keinen Unterschied macht, wer euch bestielt. Es ist auch richtig, daß der Ire ein Aristokrat und sein Ziel in diesem Kampfe nicht die Befreiung der spanischen Bauern ist. Dabei kann und wird er euch nicht helfen! Er ist von seiner Regierung auf die Iberische Halbinsel geschickt worden, um die Franzosen zu vertreiben. Wenn ihm dies gelingt, wird er in sein Land zurückkehren. Wenn er versagt, wird er auf spanischem Boden sterben! Er ist nur ein Soldat und ich bin mir selbst nicht einmal sicher, ob er überhaupt so etwas wie eine politische Überzeugung hat. Der General wird sich nicht in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmischen. Alles, was ich zu seiner Verteidigung sagen kann, ist folgendes: Lord Wellington ist ein mutiger und aufrechter Mann! Er wird euch nicht benutzen und er wird euch nie anlügen. Wenn ihr ihm etwas gebt, dann wird er es euch auf die eine oder andere Art zurückzahlen. Sag mir deine Bedingungen! Was willst du von ihm, um gemeinsam mit uns gegen die Franzosen zu kämpfen?”

      El Minas hatte diese direkte Antwort nicht erwartet. Er blickte den Portugiesen beschämt an. Verlegen kratzte er seinen langen Bart: „Ja, was will ich eigentlich? Meine Freiheit kann er mir nicht geben! Die spanischen Großgrundbesitzer kann er nicht vertreiben und die Gesetze dieses Landes wird er nicht ändern! Sag deinem irischen Generalissimo, daß die Männer Navarras ihm trotzdem helfen werden! Wir haben gesehen, wie er sich bei Talavera mit den Franzosen geschlagen hat, obwohl der Feind mehr als doppelt so stark war. Unsere Armee ist davongelaufen. Seine nicht! Die roten Röcke haben gekämpft, wie die Löwen und ihr Generalissimo hat sich vor den Kugel des Feindes auch nicht versteckt. Er ist verwundet worden und hat trotzdem sein Schlachtfeld nicht verlassen. Ich vermag einen Mann für seinen persönlichen Mut zu achten, selbst dann wenn er ein verdammter Aristokrat und Ausbeuter ist!”

      El Minas Entscheidung bewegte auch die letzten, noch ein wenig wankelmütigen Guerilleros, sich auf die Seite der Alliierten zu schlagen. Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro versprach allen, daß die Briten sie mit Waffen und, wenn notwendig, mit Ausbildern versorgen würden. Wie auch den portugiesischen Widerstand, so hatte Lord Wellington seinem Adjutanten aufgetragen,