Der rote Brunnen. Rita Renate Schönig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Renate Schönig
Издательство: Bookwire
Серия: Regionalkrimi
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915150
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was er jetzt erwartete und es machte ihr nichts aus. Auch wenn es keine Liebe mehr war – so war da noch immer dieser besondere Reiz, dem sie sich nicht entziehen konnte – nicht wollte.

      Auch mit seinen mittlerweile 54 Jahren war Jochen noch immer sehr attraktiv, trieb regelmäßig Sport und legte auch sonst viel Wert auf sein Äußeres. Manch eine Frau würde ihn mit Kusshand nehmen; das wusste Claudia. Und das war der springende Punkt. Er gehörte ihr … ihr ganz allein, und daran würde sich auch niemals etwas ändern; trotzdem auch er sie belogen hatte. Dafür würde sie ihn büßen lassen – wenn auch nicht in der Art wie alle anderen.

      „Ich bin nur ein bisschen herumgefahren. Dabei habe ich wohl die Zeit vergessen. Ich weiß nur“, drehte sie jetzt den Spieß um, „als ich nach Hause kam, warst du nicht hier. Also, wo warst du?“

       „Wie gesagt … ich habe dich gesucht und bin, genau wie du … herumgefahren. Ich musste den Kopf freibekommen. Der Lambrecht machte gestern mächtigen Rabatz. Es ging sogar so weit, dass ich ihn in den Kriseninterventionsraum bringen lassen musste. Ich kann mir sein Verhalten nicht erklären. Auch darüber wollte ich mit dir reden.“

      Von dem Medizinfläschchen, das der Pfleger ihm gegeben hatte, sagte er nichts … vorläufig.

      „Ich war heute den ganzen Tag in der Klinik“, unterbrach Claudia. „Du hättest einfach zu mir kommen können.“

      „Wollte ich ja. Dann sah ich Philipp Keilmann in dein Behandlungszimmer huschen … mal wieder. Warum hängt der hier noch herum? Er wurde doch als geheilt entlassen. Also, was will er noch von dir?“

      Montag / 19:30 Uhr

      Nicole zuckte zusammen. „Herein.“

      „Hallo, mein Schatz.“ Andy steckte den Kopf durch die Tür. „Glaubst du nicht, dass auch du mal Feierabend machen solltest? Ich habe jedenfalls riesigen Hunger.“

      „Wie spät ist es?“ Nicole schaute auf die, in ihrem Büro, nicht vorhandene Uhr über der Tür. Auch so eine Gewohnheit in all den Jahren.

      „Halb acht“, antwortete Andy.

      „Ok. Gehen wir zum Italiener um die Ecke?“

      „Welche Ecke meinst du? Die nächste Ecke, hier am Präsidium oder die Ecke, unweit unserer Wohnung? Ich würde letztere vorziehen“, lachte Andy. „Dann könnte auch ich einen leckeren Rotwein trinken.“

      „Ok, dann machen wir das.“

      Nicole schwang ihre Tasche über die Schulter, knipste das Licht aus und schloss ihr Büro ab – noch immer eine befremdliche Tätigkeit. Vor nicht einmal fünf Monaten wäre sie nicht auf den Gedanken gekommen, die Büroräume, in denen Harald, Lars und sie arbeiteten, abzuschließen. Der Schlüssel steckte stets von innen im Türschloss.

      Nun hatten ihre privaten Dietriche, die das in die Jahre gekommene Schlüsselmäppchen kaum mehr aufnehmen konnten, noch enger zusammenrücken müssen.

      Mit einer Kopfbewegung auf Selbiges, äußerte Andy auch sogleich: „Du solltest dir mal ein neues zulegen. Bei deinem jetzigen Gehalt kannst du es dir jetzt leisten.“

      Nicole entschied sich für argentinisches Rumpsteak und Andy hatte Appetit auf Zanderfilet.

      „Nicht gerade typische Gerichte, wenn man eine Pizzeria aufsucht“, merkte er, als die hübsche dunkelhaarige Italienerin die Bestellung entgegennahm.

      „Sie werden es dennoch nicht bereuen“, gab sie lächelnd zurück. „In meinem Restaurant können wir mehr als nur Pizza. Dazu noch einen guten Rotwein und der Abend ist perfetto.“

      Zu Unterstützung ihrer Aussage führte sie die Fingerspitzen ihrer Hand an ihre Lippen.

      „Hört sich gut an“, sagte Nicole. „Was würden Sie uns empfehlen?“

      „Natürlich einen Chianti aus meiner Heimat, der Toskana; eines der besten Weinanbaugebiete in Italien.“

      Wenige Minuten später schimmerte der Wein in den Gläsern rubinrot und aromatisch seidig.

      „Na, habe ich Ihnen zu viel versprochen?“

      „Perfetto“, wiederholte Nicole mit einem dicken Grinsen im Gesicht, nachdem sie gekostet hatte.

      „Ihr Bekannter hat wohl den gleichen Geschmack?“ Nicoles Blick wies auf einen etwa vierzigjährigen Mann mit dunkelbraunen, kurzen lockigen Haaren, der am hintersten Tisch im Lokal saß und dem Anschein nach, den gleichen Wein bevorzugte. Auch hatte Nicole bemerkt, dass die Inhaberin, sobald sie dort vorbeikam, ihm entweder ein Lächeln zuwarf oder auch einige Worte wechselte.

      „Nein, kein Bekannter. Nur ein Gast, der etwas Zuspruch braucht“, antwortete diese. „Da kann ich einfach nicht widerstehen – Helfersyndrom.“ Sie lachte. „Darf ich Ihnen noch etwas bringen?“

      Nicole und Andy verneinten. „Ich denke, wir möchten dann zahlen. War ein langer Tag“, sagte Andy.

      „Ihre Arbeit ist ja auch nicht einfach.“

      Die Kommissare schauten erstaunt.

      Die Restaurantbesitzerin beugte sich über den Tisch und flüsterte: „Ich weiß, dass Sie von der Polizei sind. Sie haben doch den Serienmörder geschnappt“, wandte sie sich an Nicole.

      „Woher wissen Sie …?“

      „Frau Krämer zeigte mir den Artikel in der Zeitung, als sie vor einigen Tagen drei Pizzen abholte … da war auch ein Foto dabei. Sie sagte noch, dass sie froh wäre, solche tüchtigen Kriminalbeamten in ihrer Nähe zu wissen. Dadurch fühle sie sich sicher.“

      „Das wird Gundula Krämer noch leidtun“, knurrte Nicole. Und, als sie auf der Straße standen, fauchte sie: „Die Krämer mischt sich aber auch in alles ein. Ich hätte große Lust, sie jetzt auf der Stelle zu verhaften.“

      „Wofür?“, fragte Andy und hielt Nicole gerade noch davon ab, direkt auf die Straße zu spurten.

      Ein lautes Hupen, gefolgt von einer gestenreichen Handbewegung war auch die sofortige Reaktion eines aufgebrachten Autofahrers.

      „Wie wär’s erst einmal wegen dem Recht am eigenen Bild?“

      „In der Zeitung? Ich bitte dich. Du hast so wenig Recht am eigenen Bild, wie ein Promi; das weißt du. Seit du „Erste Kriminalhauptkommissarin“ bist, brauche ich kein privates Foto mehr von dir zu schießen – so oft, wie du in der Zeitung zu sehen bist.“

      „Höre ich da vielleicht ein wenig Neid heraus?“, feixte Nicole, schon wieder milder gestimmt.

      „Gott behüte, nein.“ Andy schwenkte beide Arme in die Höhe. „Ich meine nur – beschweren ist nicht mehr.“ Er lachte. „Selber schuld.“

      Montag / 21:35 Uhr

      Stella betrachtet Philipp vom Tresen aus. Seit Stunden saß er an dem Tisch in der Ecke, knabberte ab und zu am restlichen Brot und nippte abwechselnd am Rotwein oder dem Wasser.

      Was hat er nur? Warum ist er so traurig? Kurzentschlossen nahm sie eine neue Flasche Rotwein und ein Glas.

      „Das ist ja nicht zum Angucken. Du vergraulst mir ja noch die Gäste“, schmunzelte sie und nahm ihm gegenüber Platz. „Willst du mir nicht erzählen, was dich bedrückt?“

      „Ich bin mir selbst nicht sicher“, erwiderte Philipp und umfasste den Stil des Weinglases, als müsste er sich daran festhalten. „Vielleicht bin ich ja verrückt. Vielleicht muss ich wieder zurück in die … Psychiatrie.“

      Er sah Stella direkt in die Augen. „So, nun ist es heraus. Ja, ich war eine Zeit lang in einer solchen Einrichtung.“

      „In der Psychiatrie?“, wiederholte Stella, mit großen Augen. „Weshalb?“

      Philipp