„Welch einen klugen Kopf Du hast.“ Peter schaute ihn voller Wohlgefallen an.
„Es ist in der linken hinteren Ecke der Hütte, jeweils einen Meter von der Wand vergraben!“
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Dave machte sich am nächsten Morgen voller Tatendrang als erstes daran, Brennholz für den Winter zu schlagen. Nahe der Lichtung gab es massenweise heranwachsende Birken, die hier dicht an dicht wuchsen. Im Nu hatte er sie ausgelichtet. Er wählte an die 100 Baumstämme aus, jeder sechs bis zwölf Zentimeter dick, befreite sie vom Geäst und schleppte sie auf die Lichtung. Die dickeren Stämme spaltete er, die dünneren hackte er direkt auf handliche Längen zurecht. Peter schüttelte wiederholt ob dessen Schlagtechnik bewundernd den Kopf. Die Axtschläge erfolgten scheinbar mühelos aus dem Ellbogen. Die Axtschneide traf jedes Mal genau senkrecht auf den zu zerhackenden Stab und zwar mit genau angemessener Wucht, um den Stab mit einem Schlag zu durchtrennen. Die Schläge prasselten so gleichmäßig wie bei einem Dampfhammer. An einem Tag hatte Dave mehr Brennholz gehackt als Peter und sein Partner zusammen an zwei Tagen. Er stapelte die Scheite entlang der Hüttenwände unterhalb des Dachüberstandes.
Peter kümmerte sich derweil um die Fallen und fertigte geflochtene Rahmen aus Zweigen an, mit deren Hilfe die erbeuteten Felle zum Trocknen verspannt werden konnten. Auch kochte er das Essen. Außerdem schleppte er das Geäst der geschlagenen Bäumchen an die Ufer der Bäche und Flüsschen, um die Biber anzufüttern.
In der zweiten Nacht ihres Aufenthalts in der Hütte, gegen Morgen, erwachte Dave plötzlich von einem undefinierbaren Lärm auf der Lichtung. Er war sofort hellwach, schnappte sich das am Bettpfosten lehnende Gewehr und sah durch eine der Schießscharten. Auf der Lichtung tummelte sich ein Rudel Gabelböcke und knabberte die Schösslinge ab. Dave fiel sofort ihre karge Speisekarte ein. Der Schuss riss Peter aus dem Schlaf und vertrieb das Rudel. Allerdings blieb ein toter junger Bock zurück. Es sollte bei dem einzigen Gewehrschuss der ganzen Jagdsaison bleiben.
Dave trauerte nämlich dem Pfeil und Bogen nach, den er Jonny überlassen hatte. Er beschloss, sich eine solche Jagdwaffe selbst zu fertigen. Er holte zunächst den Zeichenblock hervor und zeichnete darauf aus dem Gedächtnis einen Bogen, wie er ihn als 14-jähriger bei seinem Freund, dem Japaner, gesehen hatte. Dieser Bogen schien ihm raffinierter zu sein als der Indianerbogen. Er fahndete und fand im Wald einen etwa vier Zentimeter dicken, etwa eineinhalb Meter langen, gerade gewachsenen Hickory-Trieb. Diesen Trieb schälte er und trocknete ihn langsam, eingehüllt in warme Asche. Nun begann er jede freie Minute mit seinem rasiermesserscharfen Bowie-Messer daran zu schnitzen. Er arbeitete zunächst das Mittelstück heraus. Dann brachte er die linke und rechte Seite, indem er oben und unten einen Span abhobelte, auf gleichmäßige zweieinhalb Zentimeter. Schließlich wurden die Seiten, mit Ausnahme der Enden, in der Dicke und in der Breite gleichmäßig verjüngt, bis der Bogen beim Spannen eine gleichmäßige Biegung aufwies. Zuletzt kerbte er noch die Enden ein, um die Sehne befestigen zu können, schabte die Oberfläche glatt und rieb den Bogen mit Biberfett ein.
Die Bogen-Sehnen stellte er aus den Därmen des Gabelbocks, die Pfeile aus ein Zentimeter dicken Hickory-Stöcken, Nägeln, Bindedraht, Baumharz sowie Entenfedern her. Zuletzt nähte er sich aus der Haut des Bocks noch einen Köcher.
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Inzwischen hatte der Winter Einzug gehalten; ein trockener Winter. Den Boden bedeckte eine 30 Zentimeter dicke Schicht Pulverschnees, des Nachts sank die Temperatur auf minus 30 Grad Celsius. Tagsüber schien eine bleiche Sonne von einem wolkenlosen Himmel.
Dave lernte nach und nach von Peter, sich im unendlichen Waldgebiet zurechtzufinden, sowie alles über Tierspuren und das Fallenstellen. Jeden Tag gingen ihnen mindestens zwei Biber oder Nutrias in die Fallen. Sie hatten jetzt Frischfleisch im Überfluss und froren einen Teil davon für die Schlecht-Wetter-Zeiten ein.
Sobald Dave seinen Bogen fertig hatte, ging er damit auf Jagd. Sein Gewehr hängte er derweil an den Nagel. Seinen Revolver dazu zu hängen, konnte er sich allerdings nicht entschließen. Wie recht er damit hatte, sollte sich noch erweisen.
Er merkte sofort, dass sein Bogen mehr Zugkraft erforderte als der Indianerbogen. Die Pfeile schnellten damit schneller von der Sehne. So brauchte er tatsächlich auf fünfzig Meter das Visier nur minimal erhöhen, um das Ziel mit gehöriger Wucht zu treffen. Er gewöhnte sich schnell daran. Seinen zweiten Gabelbock erlegte er mit Pfeil und Bogen.
Dann fing es kräftig an zu schneien. Während des Schneefalls war es nicht möglich, sich im Wald zu orientieren; sie mussten in ihrer Hütte bleiben. Sie vertrieben sich die Zeit mit Unterhalten, mit dem Rezitieren von Gedichten, mit Singen, Mundharmonika-, Banjo- und Kartenspielen.
Diese räumliche Nähe bewirkte, dass sie sich auch menschlich näherkamen. Beiden fiel fast gleichzeitig auf, wie ähnlich im Denken oder in den Gesten sie sich waren. Zuerst fiel das beim Kartenspielen auf. Obwohl Dave in seinem bisherigen Leben nur gelegentlich und dann ohne Enthusiasmus Karten gespielt hatte, erriet er jetzt fast jeden von Peters Bluffs im Voraus. Umgekehrt war es genauso.
Als der Schneefall aufhörte, schaufelte Dave als Erstes voller Tatendrang den Platz um die Hüte schneefrei. Dann schnallte er sich seine Schneeschuhe unter, spannte den Bogen und ging auf die Jagd. Unter den hohen Bäumen lag der Schnee nicht so hoch und er fand im nu erste Tierspuren. Es gelang ihm unbemerkt an eine Schar von Truthähnen samt Truthennen heranzukommen. Er erschoss gerade den ersten Truthahn als er hinter sich ein leichtes Fauchen vernahm. Er drehte sich vorsichtig um und sah keine fünf Meter von sich entfernt einen sprungbereiten Puma kauern. Dann passierten vier Dinge gleichzeitig: Dave stieß einen japanischen Kampfschrei aus, zog blitzschnell seinen Colt, gab kurz hintereinander zwei Schüsse ab, so dass sie sich wie ein Schuss anhörten, und vollführte eine Seitfallrolle, so dass er hinter einem Baum zu stehen kam, bereit wieder zu feuern. Doch Dave konnte seinen Revolver wegstecken. Der Kopf des Pumas bäumte sich grotesk auf, der totbringende Sprung wurde wie von Geisterhand abrupt abgebremst, als das Raubtier auf dem Boden auftraf, war es bereits tot. Die beiden Kugeln hatten den Weg über die Augen bis ins Gehirn gefunden.
Als schon alles vorbei war, begann Daves Puls doch etwas schneller zu schlagen. Es stellte sich bei ihm im Nachhinein ein Respekt für die wilde, gefährliche Tierwelt ein. Er suchte und fand einen abgebrochenen Ast mit verzweigtem Geäst daran. Auf dieses Geäst zerrte er den Kadaver, legte den erlegten Truthahn dazu und schleifte seine Beute durch den Schnee zur Hütte.
Peter hatte von den Schüssen nichts gehört. Deren Geräusch wurde offensichtlich von den schneebedeckten Bäumen gänzlich verschluckt. Jetzt staunte er Daves Beute minutenlang wortlos an. „Das habe ich all die Jahre noch nie erlebt. Wahrscheinlich liegt in den Bergen so viel Schnee, dass die Pumas weiter unten nach Beute suchen. Ich bin froh, dass ich nicht an deiner Stelle war. Ab jetzt müssen wir immer zu zweit nach den Fallen gucken gehen.“
Dave suchte sich am Lichtungsrand einen geeigneten Baum, warf zwei Seile über tragfähige Äste und band mit deren Enden die Hinterbeine des Pumas fest. Zu zweit hievten sie den Kadaver nach oben, bis er frei in der Luft hing, und häuteten ihn ab. „Für dieses Fell können wir viel verlangen; es ist gänzlich unbeschädigt,“ meinte Peter.
Sie schabten das Fell sauber und spannten es zum Trocknen aus. Von dem Fleisch aßen sie nur die rohe Leber. Diese Praxis hatte sich Peter von den Indianern am Missouri abgeguckt, angeblich half das gegen Skorbut. Den Rest des Fleisches ließen sie gefrieren und zerrten ihn dann weg von der Hütte, in den Wald.
„Das ist ein ausgezeichneter, ergiebiger Köder! Ich könnte mir vorstellen, dass er so manchen Pelzträger anlocken wird, zum Beispiel einen Vielfraß, Waschbären, Füchse. Du jagst doch so gern mit Pfeil und Bogen, brauchst Dich also nur gegen den Wind anzuschleichen und drauflos zu schießen.“
Den Truthahn hängten sie in der Hütte auf. Zum einen schmeckte das abgehangene Fleisch besser, zum anderen ließen sich dann die Federn leichter ausrupfen. Einige der Federn stellten zudem einen nicht zu vernachlässigenden Verkaufswert dar.
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Es war Anfang März geworden. Die Tage wurden