Sie kramte in einer Schublade und gab Fabian einen Korken.
„Stöpsel die Flasche gut zu, damit er nicht noch mehr Unsinn anstellt. Gute Nacht! Ich möchte noch ein bisschen schlafen!"
Mit diesen Worten verließ sie die Küche.
Fabian hielt Tanball die Hand hin. Zögernd schwebte der Kleine darauf.
„Zeigst du mir mal, wie du in die Flasche kommst?"
Der Flaschengeist nickte. Auf einmal wurde er ganz lang und dünn. Mit einem pfeifenden Geräusch verschwand er in der Flasche. Da war auch wieder die Fliege, die ihn schon vorhin so genervt hatte. Sie zog eine elegante Spirale, angefangen über Fabians Kopf, und schoss in den Flaschenhals.
Fabian grinste. Na gut, dachte er, dann hat der Kleine ein bisschen Gesellschaft. Er stöpselte die Flasche zu, ging in sein Zimmer und stellte die Flasche auf den Nachttisch.
Ich träume, dachte er. Ich träume ganz bestimmt. Mann, ich bin zehn. Ich glaub' doch nicht mehr an Geister!
Im Haus in der Frieda-Straße in Wanne-Eickel war Ruhe eingekehrt.
Die Tante schnarchte in ihrem Bett, Luzimops döste auf der Kommode, und Fabian träumte von seinen Eltern und von Tanball, der schmatzend auf dem Rand eines Marmeladenglases hockte.
Der Mond stand hoch am nachtblauen Himmel, schien durch Fabians Fenster und lächelte. Mit einem Mal stutzte er. Die Flasche, die auf dem Nachttisch stand, die hatte er doch schon einmal gesehen, oder? Nein, er hatte sich nicht getäuscht. Das war doch die Flasche von diesem kleinen nichtsnutzigen Wicht? Aber wie kam die hierher, hier nach Wanne-Eickel? Neugierig sammelte er ein paar Strahlen ein, die sowieso nur so am Himmel herumhingen, und drang damit tief in das Innere der Flasche...
Wutentbrannt stampfte Tanball mit dem Füßchen auf und zeterte: „Bamase, sieh dir das an! Alles drüber- und drunter- und durcheinander! Ist das nicht grauenmäßig?"
Die Fliege hockte seelenruhig auf Tanballs Hänge-matte und surrte: „Aber sauber!"
„Und meine Büchertage, alle nass! Meine Zauber-bücher..."
„Reg dich wieder ab. Fast hundert Jahre hast du kein Zauberbuch mehr angefasst!", surrte sie und verdrehte ihre Augen.
„Sogar mein Handbuch 'Zaubern leicht gemacht für jedermann' ist pitschig und nassig. Wie soll ich da was wiederfinden?", jammerte er und popelte in seinem Näschen.
„Das wirst du schon", erwiderte Bamase ungerührt. „Überleg dir lieber, wie du deinem neuen Meister erklärst, dass du ein miserabler Zauberer bist!"
„Ach, Bamase", seufzte der kleine blaue Wicht. „Warum wird ständig meine Flasche gefunden? Andere Dshinnis müssen hundert Jahre und noch länger warten, bis sie entdeckt werden, und ich...", verstohlen wischte er sich ein paar luftige Tränchen ab. „Ich kann doch nichts dafür, dass ich nicht richtig zaubern kann!“
Bamase summte mitfühlend und putzte ihre Flügel.
„Vielleicht wünscht sich dein Meister nichts?", versuchte sie ihren kleinen blauen Freund zu trösten.
Zweifelnd sah Tanball sie an. Nachdenklich zog er die Stirn in luftige Falten und popelte wieder in seinem Näschen. Unerwartet stieß er einen abgrundtiefen Seufzer aus und murmelte: „Ich schreib' das alles inmein Tagebuch!"
„Ja, tu das", summte die Fliege schläfrig und klappte ihre Flügel zusammen.
Tanball fand einen Bleistift, legte das Tagebuch auf die Knie und schrieb: "Liebes Tagebuch! Mein Flaschen-geisterleben wird immer hauengrafter! Ein netter Junge hat meine Flasche gefunden. Mein neuer Meister hat eine Tante. Sie ist ein riesiger Drachen mit Lutzpappen... äh Putzlappen... Und ihre katzige Blöde trachtet mir nach dem Leben..."
„Nun übertreib mal nicht!", surrte Bamase, die auf seiner Schulter hockte. Neugierig las sie, was ihr Freund seinem Tagebuch anvertraute.
„Bis jetzt lebst du ja noch!"
Die vermopsten Würstchen
Die Sonne sandte ihre Strahlen aus und schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte jemand an so einem schönen Morgen noch schlafen? Sie warf ein paar Strahlen direkt in Fabians Gesicht und kitzelte seine Nase. Na endlich! Der Junge wachte auf. Fabian gähnte, streckte sich, ließ den Kopf über die Bettkante hängen, stemmte die Hände auf den Boden und schlug einen Purzelbaum.
„Fabian, steh auf!", rief Tante Eulalia, die in der Küche werkelte.
Er brummte zurück. Fröhliche Menschen am frühen Morgen fand er furchtbar, total ätzend. Als er sich aufrichtete, fiel sein Blick auf die Flasche. Ich werd' wahnsinnig, dachte er, ich hab' also nicht geträumt!
Er nahm die Flasche, klemmte sie zwischen die Knie und versuchte, den Stöpsel herauszuziehen.
„Bamase, hilf mir!", hörte er ein leises Wispern. „Ich kann den Festhaltel nicht mehr stöpseln ...!"
„Ach, so ist das", grinste Fabian. „Der Kleine will nicht raus? Na, der wird sich wundern."
Ohne zu zögern drehte er die Flasche auf den Kopf und klopfte kräftig auf den Boden. Mit einem lauten "Plopp" fiel der Stöpsel heraus.
„Nun, komm schon", lockte Fabian. „Ich tu' dir nix!"
Mit einem dumpfen Pfiff schwebte Tanball aus der Flasche, und Bamase flog hinterher. Er setzte sich zwischen Daumen und Zeigefinger auf Fabians Hand. Mit verschränkten Ärmchen verneigte er sich.
„Guten Morgen, Meister! Hast du gut geschlafen?"
„Sag nicht immer Meister zu mir! Ich heiße Fabian!", brummte der Junge verlegen.
Da war auch wieder diese komische Fliege.
Sie surrte erst um seinen Kopf, dann setzte sie sich auf Fabians Daumenspitze. Fabian stutzte und murmelte: „Das ist aber eine drollige Fliege!"
Der kleine Flaschengeist verbeugte sich.
„Das ist meine Freundin Bamase!", erklärte er. „Bamase, begrüße meinen Meister!"
Die Fliege senkte ihre Fühler und summte: „Guten Morgen!"
Fabian war völlig perplex. Zuerst ein Geist, der in einer Flasche wohnt, und dann noch eine sprechende Fliege.
„Das ist ja cool", grinste Fabian und verließ mit Tanball auf der Schulter sein Zimmer. Das musste er unbedingt Tante Eulalia zeigen.
„O Bamase, wo geht er nur mit mir hin?"
„Wart's ab!", gab die Fliege zur Antwort und flog neugierig hinter den beiden her. Verängstigt klammerte sich der Kleine am Ohr seines neuen Meisters fest.
Fabian stieß die Küchentür auf.
Ein wunderbares Duftgemisch von brutzelnden Würstchen, Kaffee, Kakao und frisch getoastetem Brot kroch in die luftige Flaschengeisternase. Tanball schnüffelte begeistert.
Der Frühstückstisch war schon gedeckt. Die Kaffeemaschine gurgelte und spukte einen Tropfen Kaffee nach dem anderen in die Glaskanne.
„Morgen", grunzte Fabian.
„Morgen is' gut", lächelte die Tante und steckte zwei Weißbrotscheiben in den Toaster, dann widmete sie sich wieder ihrer Pfanne auf dem Herd.
„Es ist gleich halb zwölf. Deshalb mach' ich uns so ein... na, so ein Dings zwischen Frühstück