Abelia und die Mönchsrobbe. Cordula Hamann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Cordula Hamann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783847633624
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Robbe ihre Gedanken hören konnte, sagte sie: „Lazarro kann mich ebenso wie dich verstehen. Dummerweise ist uns Hunden nicht die Möglichkeit gegeben, die Menschensprache zu lernen.“

      „Aber im Moment bist du doch nun eine Robbe? Eine Robbe, die sprechen kann. Erzählst du uns, was passiert ist?“

      „Musst du nicht nach Hause?“

      Erschrocken stellte Abelia mit einem Blick auf ihre Armbanduhr fest, dass es bereits weit über die Zeit hinaus war, zu der sie normalerweise am Strand umkehrte, um noch im Hellen zu Hause sein zu können. Ihre Mutter würde wütend werden und ihr Vater würde sich Sorgen machen. „Es ist eine lange Geschichte“, fügte Almut bekräftigend hinzu. „Ich werde sie euch morgen erzählen.“

      „Wo finden wir dich?“, fragte Abelia.

      „Siehst du den größeren Felsen dort?“

      „Natürlich. Das ist der Delfinkopf“ Sie hatte allen Felsformationen in der Gegend hier Namen gegeben. Almut verzog ihre Schnauzenwinkel weit nach oben und gab glucksende Geräusche von sich.

      „Gut, also der Delfinkopf dort. Schafft ihr das, dort hinauf und wieder hinunter zum Wasser zu klettern?“ Lazarro bellte zustimmend und Abelia nickte. „Für mich ist es geschützter dort. Also bis morgen. Seid ein bisschen früher da als heute“, sprach Almut und mit einer Schnelligkeit, die Abelia ihren Rutschbewegungen gar nicht zugetraut hatte, war sie im tiefen Wasser. Sofort verwandelte sich die Plumpheit ihrer Fortbewegung in elegante und schwungvolle Schwimmbewegungen in Richtung offenes Meer.

      In dieser Nacht konnte Abelia nur schwer in den Schlaf finden. Immer wieder schrak sie hoch und fragte sich, ob ihre Erlebnisse mit der Mönchsrobbe wohl nur in die Welt der Träume gehörten. Durch diese seltsame Begegnung hatte sich auch ihr Verhältnis zu Lazarro verändert. Bisher hatte sie mit ihm gesprochen, wie es ihr gerade in den Sinn kam, wie eine Mutter zu ihrem Baby sprach, das noch nichts verstand. Nun musste sie bei jedem Wort daran denken, was er wohl antworten würde, wenn er nur könnte. Sie nahm sich fest vor, morgen die Robbe zu bitten, ein langes Gespräch zwischen ihr und Lazarro zu übersetzen. Hoffentlich würde sie es nicht vergessen, grübelte sie, denn sie brannte inzwischen vor Neugierde auf die Abenteuer der Dogge Almut, die zur Mönchsrobbe geworden war.

      Die böse Fee Tomma

      Zweimal ermahnte sie der Lehrer, nicht zu träumen, sondern zuzuhören. Es störte Abelia nicht, denn ab übermorgen würden Ferien sein, die Zeugnisse waren geschrieben und sie war in die neunte Klasse versetzt. Wozu da noch aufpassen? Sie lief als erste aus dem Gebäude und nicht einmal Carlos, der Schuld daran war, dass sie ihre langen Haare in letzter Zeit ab und zu offen trug, anstatt sie mit einem einfachen Gummiband zusammenzubinden, konnte sie bewegen, noch länger auf dem Schulhof zu bleiben. Lazarro sprang ihr freudig entgegen. Sein Blick schien ihr verschwörerisch. „Ich sag nie wieder dummer Hund zu dir“, versprach sie lächelnd im Dauerlauf.

      Der Nachmittag zog sich zäh in die Länge, aber endlich war es Zeit, sich auf den Weg zu machen. Leichtfüßig erklomm sie die zerklüftete Steinformation des Delfinkopfes und spähte aufgeregt in das bewegte und leicht schäumende Wasser unter ihr. Die Felsen hatten eine Minibucht ausgebildet, in der Sand angespült worden war. Sie kletterten hinunter und Abelia setzte sich auf einen der Steine und überließ den Ministrand ihrem Hund. Aufgeregt starrten beide ins Wasser. Sie mussten nicht lange warten, dann sahen sie Almuts Kopf aus dem Wasser auftauchen und Sekunden später robbte sie auf den Sand. Bellend machte Lazarro Platz. Ganz kurz berührten sich die Schnauzen der beiden Tiere. „Wie ein Kuss“, dachte Abelia gerührt.

      „Hallo Almut. Nun erzähl schon. Ich konnte die Nacht kaum schlafen“, forderte sie die Robbe auf.

      „Nun also hört meine Geschichte: Mein Herr und ich lebten in Marokko, an der Nordwestküste. Er heißt Eneas und ist ein Edelmann. Er hat mich vor dem Ertränken gerettet und groß gezogen und ich bin ihm dafür eine treue Gefährtin und Wächterin geworden. Ihr müsst wissen, Eneas ist jung, sieht gut aus und ist reich dazu. Und ich … naja … eine Deutsche Dogge ist schon ziemlich ungewöhnlich in Marokko. Wir waren ein stolzes Paar.“

      „Du scheinst Eneas sehr zu lieben, nicht wahr?“, fragte Abelia. Die Robbe sah Lazarro an und antwortete dann: „Ebenso wie er dich liebt. So sind wir Hunde eben.“

      „Aber wieso bist du jetzt keiner mehr. Was ist passiert?“

      „Nicht so ungeduldig.“

      Es schien Abelia, als ob die Robbe grinste, als sie weiter erzählte: „Alle Menschen lieben Eneas. Nicht wegen seines Aussehens oder seines Geldes, sondern weil er ein wirklich gutes Herz hat. Er gibt viel von seinem Reichtum an andere ab und hat immer ein offenes Ohr für jeden, der seine Hilfe erbittet. Er ist so gut, dass Tomma sich für ihn interessierte.“ Die Robbe stockte bei dem Ausspruch des Namens.

      „Wer ist das?“, fragte Abelia, doch die Robbe schwieg.

      Lazarro stand auf und legte sich dichter an Almut heran. Er leckte ihr über die Schnauze und dann über das ganze Gesicht. Als er an den winzigen Ohren angelangt war, rief sie plötzlich: „Hör auf, das kitzelt!“ Und es hörte sich an, als kichere sie.

      „Ich erzähl ja schon weiter. Ihr müsst wissen, Tomma ist kein Mensch. Sie ist eine böse Fee. Die böse Fee schlechthin. Jeder fürchtet sich vor ihr. Immer, wenn die Menschen glücklich sind, dann lässt Tomma etwas Schreckliches passieren. Ich hasse sie!“

      Lazarro knurrte zustimmend und Abelia fragte ungläubig: „Und die hat sich in Eneas verliebt?“

      „Nein! Sie ist zu keiner wahren Liebe fähig. Verliebt sein heißt bei ihr nichts weiter, als besitzen zu wollen. – Sie wollte Eneas und sie holte sich ihn“, presste die Robbe hervor.

      „Was meinst du damit?“

      „Tomma lebt in ihrem Palast. Wen sie mit sich nimmt, der kommt allein nicht mehr zurück. Denn der Palast liegt in der Welt unterhalb der Meere.“

      „Und dorthin hat sie deinen Eneas verschleppt?“, fragte Abelia erschrocken. Sie konnte Almuts Trauer förmlich spüren.

      „Ich habe die Gefahr geahnt und da habe ich meinen Herrn noch aufmerksamer als sonst bewacht. Ich wusste: Solange ich bei ihm war, konnte ihm nichts passieren, denn Tomma hat panische Angst vor Hunden, vor so großen wie mir allemal.“

      „Und trotzdem ist es ihr gelungen?“, fragte Abelia mitfühlend, denn sie hörte die Selbstvorwürfe in Almuts Worten.

      „Sie hat einen ihrer menschlichen Diener heimlich in das Haus meines Herrn geschickt, der hat ein Zauberpulver unter mein Fressen gemischt hat. Es hat nicht anders als sonst geschmeckt und ich habe es gefressen.“

      „Und dann?“ Abelias Blick hing an der Schnauze der Robbe, um ja kein Wort zu verpassen.

      „Ich fiel in einen tiefen Schlaf und am Morgen hatte ich die Gestalt einer Mönchsrobbe. Eneas erschrak fürchterlich, als er erwachte. Ich nicht minder. Ich war völlig verwirrt. Doch dann merkte ich, dass ich die Menschensprache beherrschte. Ich sagte Eneas, dass ich Almut, seine Dogge sei und er glaubte mir. Wir wussten beide, wer dahinter steckte.“

      Abelia beugte sich weiter vor. Hatte sie da wirklich Tränen in Almuts Augen gesehen? Nein, Robben konnten nicht weinen. Es mussten Wasserspritzer von der Gischt sein. Aber vielleicht … was war an dieser Robbe schon normal?

      „Eneas brachte mich zum Meer und bestand darauf, dass ich mich zur Sicherheit einer vor der Küste lebenden Gruppe der Mönchsrobben anschließen sollte, bis es ihm gelungen sein würde, ein Gegenmittel des Zauberpulvers zu finden. Auf dem Weg zum Strand rief ich allen Hunden, die wir trafen zu, sie sollten an meiner Stelle über Eneas wachen. Doch in der Nacht holte sie ihn.“ Almut schwieg und legte ihren Kopf erschöpft auf den Sand. Abelia stand auf und drängelte sich zwischen Lazarro und die Robbe, um sie zum Trost ausgiebig zu streicheln.

      „Du Arme. Haben die anderen Hunde es dir erzählt?“

      „Ja“, antwortete Almut nur