Das Orakel von Hahm. Eliandra Murr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eliandra Murr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847669968
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bei dem Einsiedler sein. Die Fahrt im Boot war nicht ganz ungefährlich, denn der kleine Fluss schwoll rasch zu einem reißenden Strom an. Doch Koperian kannte die Tücken des Flusses, hatte er sie doch schon oft gemeistert.

      Ohne zu zögern brachen sie auf. Der Druide wollte gegen Abend des zweiten Tages das erste Menschendorf Ischia, in der Ebene von Triman erreichen und dort übernachten. Sein Endziel war die große Hafenstadt Triminort, in der eine alte sehr gute Freundin wohnte. Triminort war eine Handelsstadt, in der als Erstes wichtige Neuigkeiten zu erfahren waren. Vielleicht reichte die Reise in diese Stadt schon, um Tasmanorb helfen zu können.

      Hoffnungsvoll nahm er den Gamburen auf seinen Schultern. Indo wunderte sich über das Mal auf seiner Stirn. Der Pfad zum Fluss, den Koperian ab und zu benutzte, war mit totem Holz und Geröll verschüttet. Koperian fluchte und bemühte sich mit all seiner Kraft so schnell voran zu kommen, wie nötig erforderlich war, um Hoob vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Wieder und wieder hieb er mit seiner Elfenmachete auf die Bäume und Sträucher ein und ab und zu murmelte er einen Zauber, der die Pflanzen zur Seite weichen ließ. Erschöpft erreichte er endlich den hier noch kleinen Fluss Arbic. Das Wasser war gerade tief genug, dass das Boot nicht auf Grund lief. Nur eine Strecke stromab wurde er schon deutlich tiefer. Hier hatte der Arbic viele kleine Nebenquellen, die ihm reichlich Wasser zukommen ließen. Auch der Fluss war trüb: Vereinzelt schwammen tote Fische an der Oberfläche. Koperian schauderte, denn er spürte das Leid der Flussbewohner. Mit schnellen und gezielten Paddelschlägen trieb der Druide das Boot voran, während Indo an einem Stück getrocknetem Fleisch kaute und den Wald beobachtete. Er nahm Abschied von seiner Heimat, die er vielleicht zum letzten Mal zu sehen bekam.

      Die Zeit, die sie im Dickicht verloren hatten, machte der Elf auf dem Wasser wieder wett. Geschickt manövrierte er an Stromschnellen und Untiefen vorbei, bis sie am frühen Nachmittag endlich wieder dem Land zusteuerten. Indo verspürte eine leichte Übelkeit und war erleichtert, als sie das Festland erreichten. Koperian zog das Boot ans Ufer und versteckte es wie gewohnt im Dickicht. Dann bahnten sie sich ihren Weg in Richtung Hoob´s Hütte.

      Der ausgeruhte Gambur zog es diesmal vor, selber von Ast zu Ast und von Baum zu Baum zu springen. Einmal erschreckte er ein verschüchtertes Tarinjunges und erntete dabei den Groll der Mutter, die sofort auf ihn losging. Die Tarins waren kleine gewandte Baumbewohner, die den Ruf hatten, ihre Jungen bis aufs Blut zu verteidigen. Außer Atem sucht Indo Schutz bei dem Elfen, der über das ängstliche Verhalten des Gamburen und das Gezeter der Tarinmutter sichtlich erheitert war.

      „So ein dummes, lautes Weib", schimpfte der Halbkobold,

      „soll doch behalten den blöden Balg!"

      „Du solltest deine Nase nicht in jedes Gebüsch hängen", schmunzelte Koperian und achtete nicht auf die beleidigte Miene des Freundes. Indo saß einige Zeit schweigsam und mit erhobenem Haupt auf der Schulter des Elfen, bevor er dann beleidigt sagte:

      „Pah, ich bin nicht neugierig!

      Tarins sind nur furchtbar ... zickig."

      Der Elf lächelte: „Wie es in den Wald ....“

      „Untersteh dich!", gab der Gambur erzürnt zurück und sprang wieder ins Geäst.

      Nach einem langen Marsch erreichten sie endlich die Lichtung, auf der Hoobs Hütte stand. Aber irgendetwas stimmte nicht.

      Kein Rauch stieg auf. Alle Fenster und Türen waren weit aufgerissen und der Wald schien sich seinen Platz wieder zurück zu erobern. Alles war verwahrlost und verlassen und es sah aus, als hätte jemand absichtlich die Hütte so verwüstet.

      „Ob Hoob etwas zugestoßen ist?“ fragte sich der Druide laut.

      „Ordnung ist in der Wildnis Pflicht,

      wer nicht ordentlich ist,

      dessen Leben mehr als gefährdet ist", erwiderte Indo nachdenklich.

      Koperian ging langsam und vorsichtig mit erhobener Machete weiter, doch es rührte sich nichts. Sie lugten und lauschten vorsichtig in alle Richtungen, und begutachteten langsam die Hütte von außen. Indo blieb dabei, vor Aufregung unsichtbar geworden, auf den Schultern seines Freundes sitzen. Endlich betraten sie dann vorsichtig die Hütte. Alles war verstaubt und verdreckt. Hier hatte schon länger niemand mehr gewohnt und von Hoob fehlte jede Spur.

      - Entweder hatte der Einsiedler seine Hütte sehr überstürzt verlassen müssen, oder es war ihm Gewalt angetan worden-, dachte Koperian entsetzt.

      Den beiden Freunden blieb keine Zeit. Bald würde es dunkel und ungemütlich werden. Indo machte sich daran, Feuer zu entfachen, während Koperian kehrte und die Hütte einigermaßen aufzuräumen versuchte.

      Sorgfältig überprüfte der Elf die Fenster und die Tür. Er stellte fest, ob die alten Holzläden noch funktionierten und verschloss sie sorgsam. Er traute der Nacht nicht. Ehe es dunkel wurde sammelten sie Holz, damit ihnen das Feuer nicht ausgehen konnte. Mit Einbruch der Dämmerung igelten sie sich in der Hütte ein und begannen hungrig etwas aus ihren Vorräten zu essen. Koperian hatte die Gegend nach Spuren abgesucht, doch stieß er auf keinen Hinweis, wann und wo Hoob verschwunden war. Der Druide musste an sein Erlebnis in der Dunkelheit denken und schauderte dabei. Vielleicht war Hoob etwas Ähnliches widerfahren und vielleicht hatte es der Einsiedler nicht überlebt.

      Den beiden Gefährten war nicht wohl in ihrer Haut und sie beschlossen so schnell wie möglich diese Unheil verkündende Hütte wieder zu verlassen.

      Rasch brach die Nacht herein. Sie war so schwarz, wie die Nächte zuvor. Indo standen die Haare zu Berge. Bei jedem Blitz und jedem Donner zuckte er zusammen. Koperian achtete fast zwanghaft darauf, dass das Feuer nicht ausging. Immer wieder legte er Holz nach. Wieder pfiff der Wind, leichter Regen setzte ein. Die Gefährten beschlossen, abwechselnd Wache zu halten, und das Feuer zu schüren. Kurz nach Mitternacht löste Indo seinen Ziehvater ab und der Elf kuschelte sich so gut er konnte in seine Felle.

      Da rumpelte es vor Tür des Blockhauses. Nach einer kleinen Pause klopfte jemand stürmisch an die Tür. Koperian und Indo schreckten auf. Eine heisere, lallende Stimme meldete sich zu Wort:

      „Heei, ah! Verfflucht! Meine tü ist ssu? Unn Licht? Verdammt, wasss solll dasss! Eiiii! Auffmachen!"

      Kein Zweifel, es war Hoobs Stimme. Sie klang verändert und seltsam, doch unverkennbar war es die Stimme eine Menschen.

      - Wie konnte es sein, dass er mitten in der Nacht auftauchte? - Koperian nahm sich vor, vorsichtig zu sein.

      Der kleine Gambur war von einem Schimmer umgeben, der den Eindruck vermittelte, als löse sich der Halbkobold auf. Aber anscheinend reichte die Angst nicht, um ihn ganz unsichtbar zu machen.

      Die Freunde schauten sich kurz an. Koperian stand auf, zündete eine Fackel an, nahm seine Machete in die Hände und ging zur Tür. Indo folgte ihm mit Abstand.

      „Wir öffnen ganz vorsichtig die Tür. Es ist zwar seltsam, das Hoob mitten in der Nacht auftaucht, aber draußen lassen können wir ihn auch nicht“, flüsterte Koperian seinem Ziehsohn zu. „Es ist zudem ja auch noch seine Hütte", murmelte der Elf dann zu sich. Der Druide schob den Riegel zurück öffnete langsam und nur einen Spalt breit die Tür. Als die beiden Freunde in das Dunkel blickten, fror ihnen das Blut in den Adern. Vor ihnen stand ein halbnackter, in Fetzen gehüllter Mann, mit einem aschfahlen, leeren Gesichtsausdruck. Seine Haut war gelblich-grau, die Pupillen seiner Augen waren so weit geöffnet, dass die Iris nicht mehr existent war. Sein Blick wechselte zwischen Irrsinn und Leere. Seine Hände waren dreckig. Aus dem halboffenen Mund ragten verrottete und schwarz verfärbte Zähne. Dieser Mensch kam Koperian viel größer vor als sonst. Der Hüne grinste sie mit bösem und eiskalten Blick an. Aus seinem Mund bewegte sich grauer rauchiger Atem. Plötzlich bewegte er sich auf Koperian zu, der, wie in einem Reflex, ebenso schnell schützend die Fackel zwischen sich und Hoob brachte. Der Einsiedler stieß einen gellenden Schrei aus und taumelte zurück. Die Fackel hatte ihn noch nicht einmal berührt. Ohne zu zögern warf der Druide mit voller Wucht die Tür zu und schob den Riegel vor. Zornig donnerte Hoob mit seinen Fäusten gegen die Tür. Koperian ging ans Feuer und suchte Indo mit Blicken, doch dieser war unsichtbar geworden. Beiden