Deswegen laßt uns auf diese Lehrer merken, auf das wir wieder den Teufel und unser eigenes Herz uns wehren, etwas gegen die Verzweiflung haben, als wäre Gott ein solcher Gott, der mit Sündern keine Geduld hat und sie verdammen will. Denn dieser Gedanke steckt in aller Menschen Herzen. Dagegen muß man mit Gottes Wort gefaßt sein, und dies Bild, daß der Herr Christus selbst uns vorgestellt, in das Herz drücken, daß er ein Hirte sei, und sein Wort darum lasse in die ganze Welt schallen, daß die verirrten Schäflein es hören und zu ihm finden sollen.
Deswegen erkennst du dich auch, daß du auch irrig Schäflein bist, welches der Teufel weit vom Wege getrieben und abgeführt hat, so nimm nun diese Predigt von Christus an. Denn um deinetwillen wird es gepredigt, daß du also zur Buße kommst, das ist, daß du dich des Herrn Jesus Christus und seiner Gnade tröstest, und aus des Teufels Stricke kommst und frömmer werdest. Und hüte dich davor, als vor dem Teufel selbst, daß du solche Stimme nicht vorüber läßt, sondern bald umkehrst und dem Hirten nachläufst: so bist du genesen, und hast den Engeln im Himmel eine sonderliche großer Freude angerichtet, die der Nacht gerne um dich sind und dich vor aller Gefahr des Teufels, behüten und schützen werden. Dagegen aber die unbußfertigen Sünder nur Leid, Unmut und Ärger machen, sind sie in ewiger Gefahr jeden Augenblick.
Aber unser Heiland Jesus Christus setzt diesem Gleichnis vom Hirten und dem Schäflein noch dazu, von einem Weibe, das einen Groschen verloren hat: dieses geschieht darum, daß er will, daß seinem Beispiel auch andere folgen, und die Sünder nicht verwerfen, sondern sie auch suchen und zur Buße bringen soll. Denn das erste Gleichnis geht allein auf unseren lieben Herrn und Erlöser Jesus Christus; der ist der einzige und richtige Hirte, der den Schäflein nicht feind ist, sondern läßt sein Leben für sie, daß sie beschützt und vor dem Teufel Frieden haben. Das andere Gleichnis aber von dem Weibe geht auf die christliche Kirche, die darum das Predigtamt führt, auf das die armen Sünder zur Buße gelockt, vom ewigen Tode und von Verdammnis gerettet und selig werden sollen. Da freut sich auch, gleich wie der Hirte, wenn sie den Groschen findet, zündet ein Licht an, daß Wort Gottes, und kehrt das Haus, das ist, sie lehrt, wie man Fromm sein und sich der Gnade Gottes durch Christum vor Gott und seinem Gericht trösten soll. Mit dieser Predigt findet sie den verlorenen Groschen.
Dieses heißt Gottes Wort hoch rühmen und preisen, als den einzigen Schatz, der die Sünde und allen Jammer, welches aus der Sünder folgt, als da ist, Tod, Verdammnis, Teufel und die Hölle, wegnimmt, daß wir nicht mehr Sünder und Feinde Gottes, sondern den lieben Engeln im Himmel rund allen Heiligen auf Erden eine besondere Freude sind. Deswegen sollten wir es in allen Ehren und Würden halten, es gern und mit Herzen hören, die es so predigen, lieb und Wert halten; auf das wir zu solcher seligen Frucht auch kommen, aus der Irre und aller Gefahr des leidigen Teufels ledig und los, könnten ewig selig werden. Das verleihe uns allen der Liebe und Treue Hirte unserer Seelen, unser lieber Herr Christus, durch den Heiligen Geist, Amen.
Am vierten Sonntag nach Trinitatis
Lukas 6,36 bis 42
Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr auch nicht verdammt. Vergebet, so wird euch vergeben. Gebt, so wird euch gegeben. Ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, da ihr messet, wird man euch wieder messen. Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Mag auch ein Blinder einen Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger ist nicht über seinen Meister; wenn der Jünger ist wie sein Meister, so ist er vollkommen. Was siehst du aber einen Splitter in deines Bruders Auge, und des Balken in deinem Auge wirst du nicht gewahr? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: halte still, Bruder, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuvor den Balken aus deinem Auge und besiehe dann, daß du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest.
Im heutigen Evangelium lehrt uns unser lieber Herr Christus seine Jünger und uns alle, wie wir uns gegeneinander verhalten und christlich leben sollen. Denn wenn wir gläubig geworden sind, und nun den Namen haben, daß wir Christen heißen, die durch den Herrn Christum von Sünde, Tod und allem Unglück er rettet sind: da soll danach ein neues Leben folgen, daß wir tun, was er von uns begehrt. Dieses neue Leben faßt er in das einige Wort, da er spricht: «Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.»
Nun weiß aber jeder Mann wohl, was barmherzig heißt, nämlich, ein solcher Mensch, der gegen seinen Nächsten ein freundlich, gütig Herz trägt, Mitleid mit ihm hat, und sich seiner Not und Unglückes, es betreffe seine Seele, Leib und Gut, mit Ernst annimmt, und sich so zu Herzen gehen läßt, daß er denkt, er ihm helfen kann. Beweist dies auch mit der Tat und tut es mit Lust und Freude gern. Ein solches Herz, sagt der Herr, sollt ihr gegen jedermann haben, daß es nicht eine Barmherzigkeit ist, wie der Sünder und Zöllner ist: die üben auch (wie Christus kurz vor diesen Evangelium sagt) Barmherzigkeit unter einander, liebt einer den anderen, erzeigt einer dem anderen Wohltat und Freundschaft, leiht einer dem anderen; aber solches tun sie darum, daß sie Gleiches wieder nehmen. Das ist eine falsche Barmherzigkeit, die darum Gutes tun, daß sie wieder Gutes oder Besseres empfangen.
Wir aber, so wir Christen sind, sollen barmherzig sein, wie unser Vater im Himmel: nicht allein gegen die, die unsere Freunde sind, sondern gegen jedermann, auch gegen die, so uns feind sind und verfolgen, auch wenn wir denken, sie sind es nicht wert, daß er ihnen ein freundliches Wort zu sprechen. Wie wir auch erfahren, wie schwer uns das wird. Ei, sprechen wir, was geht mich der Bube an, er hat mir die dies oder das getan, ich erkenne sein unnützes Maul wohl, warum sollte ich ihm helfen? Ich wollte eher, daß ihn die Läuse fräßen. Also will unsere Natur immer uns auf eine falsche Barmherzigkeit ziehen, welcher nur auf unsere Mitgenossen geht, die mit uns Büberei treiben; mit den anderen wollen wir nichts zu schaffen haben.
Dieses ist meine Meinung nicht, spricht Christus; sondern wenn euch gleich eure Nächsten beleidigt haben, wollt ihr Christen sein, so denkt, daß ihr barmherzig seid, und so barmherzig, wie euer Vater ist, sonst könnt ihr nicht seine Kinder, noch meine Brüder sein, der ich euch mit meinem Blut von Sünden und Tod erlöst habe. Denn das müßt ihr alle bekennen, daß ihr eurem Gott und Vater im Himmel alles Leid und viel Verdruß getan habt, und seine Gebote nicht gehalten, ja, alle über treten habt, so hätte er Ursache genug zu sagen: Sollte ich meinen Sohn für solche bösen Buben geben? Zum Teufel mit ihnen, in den Abgrund der Hölle; denn sie fürchten, lieben und Vertrauen mir nicht, ja, verachten, lästern und hassen mich, schwören und fluchen bei meinem Namen, verfolgen und verdammen mein Wort, sind den Eltern und Obrigkeit ungehorsam, sind Mörder, Ehebrecher, Diebe, Geizhälse, Wucherer, Meineidige, in der Summe, sie tun alle Übel, darum laß sie da hin fahren, wo sie hingehören. Also könnte Gott, spricht Christus, zu euch auch sagen: aber er tut es nicht, sondern über alle eure Bosheit fährt er zu und ist gütig und gnädig, gibt nicht allein Leib und Leben, Essen und Trinken, Weib und Kind, Nahrung und alle Notdurft zu diesem Leben, sondern auch seinen Sohn und das ewige Leben.
Solche Barmherzigkeit sollt ihr auch lernen üben. Denn wo schon jemand dich beleidigt, und getan hat, das dir nicht gefällt: was ist das gegen dem, daß du so oft und schwer gegen Gott getan hast? So nun Gott eine so große Barmherzigkeit hat, daß er seinen Feinden seinen eingeborenen Sohn schenkt, daß sie durch ihn erlöst werden von der Sünde und Tod; begibt uns dazu Seele, Leib, Gut und alles, was wir bedürfen, da er ja eigentlich Strafen ja, Hagel, Donner, Blitz und höllisches Feuer, und noch viel mehr Unglück schicken sollte: so lerne du auch an diesem Beispiel, daß du sagen kannst: Ob mich wohl dieser oder jener stark beleidigt hat, daß ich ihm wünschen würde es sollten ihn die Maden fressen, so will ich es doch nicht tun. Denn dieses wäre nur eine heidnische, und nicht eine christliche Barmherzigkeit. Hat er mir Übel und Unrecht getan: nun, wer weiß, wie ich es verdient hätte. Ich will ihn darum jetzt nicht, da er meiner Hilfe bedarf, laufen lassen; denn ich sehe, daß er Hilfe bedarf