Sodom und Camorra. Uta Bahlo. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Uta Bahlo
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742748621
Скачать книгу
fester Pappe und in Sargform liebevoll ausgeschnitten, wanderten in die Briefkästen. Laubsägearbeiten aus Holz wären natürlich noch realistischer gewesen, doch er wollte es auch nicht übertreiben. Die Pappe sollte trotzdem die Stabilität seiner Holzkisten suggerieren. Ein Tischler aus Polen, von dem er die Särge bezog, räumte ihm immer einen Rabatt ein – drei für zwei zum Beispiel. Manchmal war auch Sale.

      Wegen Hunoldts zufriedenen Grinsens und seiner beruhigenden Alltagsintelligenz, die nicht zu hohe Anforderungen an die seiner Mitmenschen stellte, war er allgemein beliebt.

      Es war schon lange kein Geheimnis mehr, dass Knuth Hunoldt vom anderen Ufer war – und damit war nicht das andere Ufer des Nord-Ostsee-Kanals gemeint.

      Hunoldts Interesse an dem sündigen Laden wurde schon früh geweckt.

      Gleich nach Eröffnung, beim Glücksraddrehen, sahnte er als Hauptgewinn einen schwarzen Dildo ab. Er freute sich wie ein kleines Kind über Süßigkeiten, denn schwarz passte eigentlich zu allem.

      Der damalige Eigentümer des Sex-Shops war ein gewisser Kalle Holtzapfel, ein aalglatter Typ aus dem Hamburger Rotlicht-Milieu.

      Doch der Sex-Bunker passte einfach nicht ins Dorf und wurde damals von den Dorffrauen massiv attackiert ... mit einem Bombardement aus Obst und Gemüse aus Veras Laden.

      Aber auch Eier und sogar Melonen mischten sich unter das vegane Zeugs. Das Werfen mit Melonen stellte allerdings Probleme dar, die Frauen kamen damit nicht so weit. Die Melonen zerplatzten häufig schon direkt vor ihren Füßen und beschmutzten Hose, Rock und Schuhe ... und den Bürgersteig.

      Wie das Leben so spielt … es gibt Verlierer und Gewinner. Verlierer war damals Kalle, denn der verlor sein Leben nach einem vorsätzlichen Giftanschlag.

      Gewinner war in diesem Fall Knuth. Da der Vorbesitzer keine Erben hatte, ging der Sex-Shop nach einer Versteigerung in den Besitz des Pastors über. Er erhielt den Zuschlag zu einem Schnäppchen-Preis. Für ihn ein Glücksgriff. Ganz besonders viel Umsatz machte er neuerdings mit dem Online-Handel, mit dem er auch die umliegenden Dörfer versorgte. Diskret und anonym – das war sein Anspruch.

      Auch Frau Hoyer-Schmidt zeigte seit Kurzem Interesse am Sortiment.

      Sie hatte die Massagestäbe für sich und ihre Praxis entdeckt. Die sollten nun hartnäckige Blockaden im Rücken und Nacken lösen. Seitdem sie diese einsetzte, konnte sie sich vor Überweisungen an ihre Praxis nicht mehr retten. In der Fantasie einiger Männer wurden die Massagestäbe mit ihren roten High Heels verknüpft, und führten nicht selten dazu, dass Doktor Hagen gerufen werden musste, weil ein Patient auf Hoyer-Schmidts Liege wegen übermäßiger Erregung zusammenbrach.

      Es hatte sogar schon einen Toten gegeben, ein Bluthochdruck-Patient. Da kann einem schon mal der Kopf explodieren wie bei einem Druckkessel das Ventil. Tja, dahingerafft durch ein zirka fünfundzwanzig Zentimeter großes Ding aus hochentwickeltem Silikon wie Polyurethan.

      »Auch wenn alles homoapathisch ist, ich hab keinen Bock«, kommentierte Bauer Jensen die für ihn etwas anrüchige Massage, die er laut Doktor Hagen zur Entspannung ausprobieren sollte.

      »Homöopathisch«, berichtigte Hagen. »Rückengymnastik ist kein Hexenwerk.« Trotz dieser Worte konnte Doktor Hagen den Bauern nicht überreden, wenigsten an einer Session-Sitzung teilzunehmen.

      Mittlerweile hatte sich der Erotik-Laden im Dorf etabliert. Auch die Frauen genossen die Happy-Hour ab siebzehn Uhr und andere Amüsements wie Flatrate-Einkäufe.

      Knuth Hunoldt staunte nicht schlecht, als er von zwei Männern, die er vorher noch nie gesehen hatte, besucht wurde. Ihm wurde etwas mulmig, da ihr Auftreten für seinen Geschmack sehr progressiv war und zusätzlich noch ein fremder Dialekt gesprochen wurde.

      »Sie sind der Padre? Der Chef von dieses Milieu?«, fragte einer der Männer.

      »Si. Ähm … ja. Was kann ich für Sie tun?«

      »Wir haben gehört, der Kalle ist tot?«

      Der Pastor nickte nur.

      Die beiden Italiener lächelten sich an, während sie den Pastor darüber in Kenntnis setzten, dass ab sofort gewisse Anteile an dem Laden in den Besitz der Männer übergehen würden.

      »Wie jetzt!? Was für Anteile. Ich habe den Laden ordnungsgemäß ersteigert.« Hunoldt war sichtlich verdutzt.

      »No, Signore Hunoldt. Per favore, Kalle schuldet uns noch fünftausend Euro.

      Die kriegen wir nun von Ihnen. Wenn nicht, übernehmen wir. Sie verstehen?«

      Knuth Hunoldt wusste nicht, wie ihm geschah. Da könnte ja jeder kommen und Forderungen stellen. Außerdem, wo sollte er fünftausend Euro hernehmen. Die Gewinne aus dem Laden flossen zu einhundert Prozent in die Kirche. Sein Job als Bestatter warf nun auch nicht so viel ab – im Moment starb einfach niemand. Der Lohn als Pastor war auch nicht so üppig. Die Kirche war knauserig.

      »Nur über meine Leiche!«, schnauzte er.

      Beide Männer grinsten sich an: »Va bene. Wenn es weiter nichts ist.«

      Auch der Pastor vermutete unter den langen Mänteln der Italiener Waffen.

      Und tatsächlich. Einer der beiden knöpfte seinen Mantel auf und legte das Macho-Teil frei. Bevor hier falsche Schlüsse gezogen werden, er legte den Blick auf die Waffe frei.

      Der Pastor war schockiert. Er wurde blass und Schweißperlen machten sich auf seinem Gesicht breit. Sie verteilten sich großzügig auf der Stirn und der großporigen Nase und bildeten kleine Seen. Es ist anzunehmen, dass auch Brust, Bauch und Rücken betroffen waren. Es wäre nur eine Frage der Zeit, wann sich die Flecken von der Haut durch sein Hemd genässt hätten.

      Auch zwischen den Beinen und vor allem in der Po-Ritze quoll gerne mal der Schweiß nach außen. Man könnte behaupten, der gesamte Körper hätte seinen Jahresbedarf an Feuchtigkeit spontan ausgeschüttet.

      In diesem Moment betrat Polizeimeister Dirk Schwartz den Sex-Shop.

      Angesichts seiner Uniform verschwanden die Männer rasch.

      PM Schwartz schaute neugierig hinterher.

      »Was war hier los? Vera und Anke haben mich angerufen, ich soll mal zu dir rüber gehen … Gefahr in Verzug!«

      Der Pastor atmete tief durch. »Ich war noch nie so froh, dich zu sehen«, keuchte er.

      »Wer war das denn!? Du bist ja ganz blass.«

      »Die Mafia.« Hunoldt bekam weiche Knie und musste sich erst einmal setzen.

      Polizeimeister Schwartz holte ihm einen Schluck Wasser aus der Küche und fragte noch mal nach: »Welche Mafia? Was wollten die denn ausgerechnet von dir? Waren die bewaffnet? Haben die dich bedroht?« Dirk Schwartz setzte dem Pastor mit seiner Fragerei ziemlich zu.

      »Na logisch haben die mich bedroht! Wie sah das denn für dich aus, hä?«

      »Womit denn?«, fragte der Polizist weiter und machte sich jetzt Notizen in sein kleines Büchlein, das er umständlich aus der Jackentasche gefummelt hatte.

      »Mit handelsüblichen Kalaschnikows.«

      Jetzt musste sich auch Polizeimeister Schwartz setzen und trank den letzten Schluck Wasser aus Hunoldts Glas auf ex.

      »Die haben mich damit bedroht und wollen fünftausend Euro haben, sonst würden sie sich meinen Laden unter den Nagel reißen.«

      »Eine feindliche Übernahme also …«, sagte Schwartz leise, mehr zu sich selbst. Dabei machte er sich weitere Notizen in sein Büchlein.

      »Ich halte die beiden Typen für sehr gefährlich. Die wollen mir was antun, das spüre ich. Ich brauch Polizeischutz!«

      PM Schwartz machte ihm klar, dass er kein Recht auf Polizeischutz hätte, es wären erstmal nur Vermutungen und schließlich wäre ja noch nichts passiert. Knuth solle die Typen nicht provozieren. Unverständnis bei Hunoldt. »Merkst du selber, ne? Die haben mich provoziert.«