Allerhand Kreuzköpf. Karl Schönherr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Schönherr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847681410
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teilnahmsvoll nach ihrem Schienbeintippl erkundigte, schnitt sie ein Gesicht, als hätte sie dem Herrgott am Kreuz den Essig und die Galle weggetrunken; dann kündete sie den Dienst auf. Und beorderte den Kühbue, er möge ihre Sachen sofort zum Traubenwirt hinunterradeln.

      Gerade als der Kühbue den blaugeblümelten Koffer der Gipflmarie zum Tor hinausradelte, fuhr der Koffer der Neuen auf einem Handwägelchen ein. In der Einfahrt stießen die beiden Gefährte wie zwei böse Widder aufeinander, und der blaugeblümelte Koffer der Gipflmarie kam zu Schaden. Er fiel vom Radlbock, das Schloß sprang auf und die Sachen fielen heraus.

      Die Wäschestücke waren alle zerschlissen und zerrissen und grau wie der Boden, auf dem sie lagen. Nun gingen dem Stumpfl erst die richtigen Lichter auf über die wirtschaftliche Tüchtigkeit der Gipflmarie. Er machte ihr ein großes Kreuz nach und sagte: »Gutn Ausstand, Gipflmarie!«

      Die Gipflmarie schlug in der Toreinfahrt ein Lamento auf: »Mir geht alls gfehlt; jetzt ist mein Koffer auch noch hin!«

      Da sagte die Neueinstehende, die hinter ihrem Gepäck herging: »Kannst den meinen habn, i brauch ihn nimmer!« Dann trat sie in das Haus und stellte sich dem Bauer vor:

      »I wär die neue Häuserin und heiß Spitzjuli!«

      »Spitzig gnug schaust aus«, dachte sich der Stumpfl und ließ seine schlauen Mausäuglein mißtrauisch forschend an ihrer knochigen Gestalt auf und nieder gleiten.

      Die Spitzjuli war eine ziemlich gesetzte Person, eine, von denen man sagt, sie hätten die Überfuhr versäumt. Außerdem ähnelte sie mit ihrem langen Kinn auch der Stumpflgrete, Gott habe sie von Herzen selig. Sie gefiel ihm gar nicht, die Neue.

      Die merkte das wohl, zuckte die Achseln und sagte gleich: »Na ja! Wie der Bauer halt meint!«

      Darauf sagte das Bäuerlein zögernd: »Probieren wir’s halt! Man ist ja gleich wieder auseinand!«

      Auf das hin kniff sie nur ihre schmalen Lippen fest aufeinander. Dann gab sie sich einen energischen Ruck und fragte mit hartem Tonfall:

      »Stumpflbauer, kann i gleich auspackn?«

      »Auspackn kannst schon!« Dabei dachte er sich: »Aber i mein halt, du packst bald wieder ein!« Und er zeigte ihr die Dienstbotenkammer.

      Sie schaute nicht rechts noch links, ging in die Kammer und packte ihre Sachen aus. Als der Koffer leer war, sagte der Stumpfl:

      »Das Köfferle tun wir derweil da in die Werkzeugkammer neben der Haustür; da hat man’s gleich bei der Hand!«

      Die neue Wirtschafterin aber meinte:

      »Der einen da unten ist der ihre zerbrochn, i gib ihr den meinen!« »Meinst nit, du könntest dein Köfferle selber noch einmal brauchn?« forschte grausam lächelnd der Stumpfl.

      Die Neue schnitt kurz ab:

      »I brauch mein Köfferle nimmer!«

      Abends, als die Spitzjuli am Herde das Geschirr wusch, kam der Stumpfl herein, nahm das irdene Krügl von der Wandstelle und holte sich ein Tröpfl Wein. Dann kauerte er sich in seinen dämmerigen Lauerwinkel und durchforschte das feuerbeschienene knochige Antlitz der Spitzjuli mit dem straff nach hinten gekämmten Haar. In diesem harten Gesicht zuckte keine Faser. Sie tat wie eine Maschine ihre Arbeit und sah dann und wann den Bauer von der Seite beinahe feindselig an. So daß der Stumpfl endlich bescheiden fragte:

      »Schenier i dich, Spitzjuli?«

      Sie wehrte schroff ab: »Bauer, i tu mein Arbeit und laß mi auf weiter nix ein!« Dann trocknete sie sich die Hände ab, hing die Küchenschürze an den Nagel und pflanzte sich vor dem Stumpf! auf. Sie schaute ihn mit ihren kalten, katzengrauen Augen so durchdringend stechend an, daß sich der Stumpfl unwillkürlich die Joppe zuknöpfte. »Auf dem Stumpflhof wird überhaupt ein bißl viel gwechselt?«

      »Ja, wird viel gwechselt!«

      »Wie kommt dös?«

      »Es ist, wie’s ist!«

      »Hat a Häuserin auf dem Stumpflhof am End nit ihr jungferliche Ruh?«

      »Wohl, die hat sie«, versicherte der Stumpfl lebhaft. »Allemal! Durch die Bank!«

      Die Spitzjuli kniff ihre dünnen Lippen zusammen, so fest sie konnte, und sagte:

      »Das hab i nur wissen wollen!«

      Dann sagte sie gute Nacht und ging schlafen.

      Einmal traf sie der Stumpfl am Nachmittag in der Stube am Fenster. Sie saß vor einem Haufen ausgebauschter Leinwand und nähte eifrig drauflos. Er trat auf sie zu und besah ein Weilchen ihre Arbeit. Sie nähte emsig weiter und hob kein Auge.

      »Tust dir da neue Hemeder nähn, Spitzjuli?«

      »Ja, das tu i!«

      »Und da siech i Tischtücher!«

      »Kann schon sein!«.

      »Und da siech i gar Leintücher!«

      »Gar Leintücher, ja!«

      Das Stumpflbäuerlein räusperte sich, als stecke ihm ein Kapuziner im Halse:

      »Sag mir einmal, Spitzjuli; du flickst dir ja da a ganze Heiratsausstattung zsamm? Hast im Sinn, zu heiratn?«

      »Warum denn nit, wenn einer in Ehrn kommt?«

      Der Stumpfl dachte sich:

      »Sapperment, dös müßt a Freud sein, um so eine überspielte Orgl anhalten!« Dann forschte er weiter:

      »Wenn aber keiner kommt?«

      Die Spitzjuli gab ihm, ohne von ihrem Linnen aufzusehen, die bestimmte Versicherung:

      »Es kommt schon einer!«

      »Und wie bringst dann deine Ausstattung weck? Hast ja dei Köfferle hergebn!«

      Die Spitzjuli drückte ihre dünnen Lippen fest aufeinander und sagte achselzuckend:

      »Brauch kein Köfferle!« Der Stumpfl versuchte noch ein Weilchen mit ihr so hin und her zu köfferln, wieso und warum, aber die Spitzjuli gab keine Antwort mehr. Als der Stumpfl kopfschüttelnd aus der Stube schlich, machte sie ihm zwei Augen nach, so groß wie Butzenscheiben, und lächelte wahrhaft teuflisch in sich hinein:

      »So ein Bäuerl nit kriegn; zum Lachn!«

      Der Stumpfl sinnulierte hin und her und kam nicht ins reine. Das unheimliche Weibsbild mußte ihm aus dem Haus, das stand fest.

      Zu Michäli wollte er sie liefern. Um diese Zeit herum pflegte der Stumpfl immer die Küchenwirtschaft zu revidieren. Da verlangte er zum hellen Entsetzen seiner jeweiligen Häuserin plötzlich die Schlüssel zum Schmalzkasten, zum Erdäpfelkeller und zur Speckkammer. Das Ergebnis der Revision war jedesmal ein gewaltiger Krach, der das sofortige Ausscheiden der Häuserin zur Folge hatte. So gedachte er auch diese dürre Heugeige um Michäli mit besonderer Freude vor die Tür zu setzen.

      »Juli! Sei so gut, die Schlüssel!« Und er schielte verstohlen nach ihr, was für ein Gesicht sie nun schneiden würde. Aber die Spitzjuli zuckte mit keiner Wimper. Sie nestelte seelenruhig den Schlüsselbund von ihrer mageren Hüfte und sagte mit der gleichmütigsten Miene von der Welt:

      »Da sein sie!«

      Der Stumpfl setzte sich mit dem Schlüsselbund in Bewegung, die Spitzjuli ging neben ihm her und fürchtete sich nicht. Vorerst ging das Bäuerlein der Speckkammer zu, er wollte gleich den Stier bei den Hörnern packen. Denn beim Speck fehlte es immer am gröbsten. Da gab es auf den Rauchstangen Lücken wie in Teufels Großmutters Zähnen.

      Die Wirtschafterinnen hatten aber immer gute Ausreden bereit, wie: »Er rinnt ab!« oder »Ja, mein Gott, die Mäus!«

      Der Stumpfl drehte den Schlüssel um, trat ein und sah in die Höhe. Er traute seinen Augen nicht. Da hingen lückenlos die schönsten Speckseiten nebeneinander, und was für Trümmer. Der Stumpfl stieg die kleine, rauchgeschwärzte Leiter hinauf (die Spitzjuli hielt sie ihm) und betastete