Allerhand Kreuzköpf. Karl Schönherr. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Schönherr
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847681410
Скачать книгу
alt werd!«

      So meinte er mit seinen sieben Kreuzlein auf dem Rücken. Schließlich kam der Hies auf den Gedanken, ob er nicht etwa gar jetzt schon alt sei, weil ihm die Zähne davonlaufen. Seit diesem Mittagessen faßte der Lärchene den Vorsatz, sich um ein leichteres Geschäft umzuschauen.

      Und so lehnte er im nächsten Frühjahr die Axt in die Rumpelkammer und wurde Bergführer.

      Jetzt führte er die ungeschickten Herren in den Bergen herum, auf die Frau Hitt, aufs Hafelekar oder auf die prächtige Waldrastspitz. Da machte er Wege von zwölf, dreizehn Stunden und trug noch Sack und Pack der Fremden. Wenn er dann spätabends, von dem beschwerlichen Marsch heimgekehrt, vor seiner Holzhütte saß und aus einem eisernen Pfeifel dampfte, da murmelte er öfter als einmal:

      »Teufl eini, jetz bin i a Faulenzer wordn!«

      Der Lärchene fühlte sich zu wenig müde.

      Er führte die Fremden weit in die Berge und sich selbst tief in die Siebzig hinein. Einmal geleitete er Herren aus Deutschland. Da war einer darunter, der sehr gescheit und pfiffig tat und sich in den Kopf gesetzt hatte, den alten Waldteufel, wie er den Hies nannte, zu hänseln.

      »He, Landsmann, wie kommt es denn, daß bei euch in Tirol so oft die Glocken läuten? Was hat das für einen Grund?«

      Der Lärchene blieb stehen und schaute den Sprecher groß an: »Ja, Teufl eini, woaßt denn dös nit? Es werd halt der Meßmer am Glocknstrick ziechn!«

      Dagegen konnte der Deutsche nichts einwenden. So ging er auf ein anderes Thema über.

      »Nicht wahr, in der Nähe von euch, in Hall, ist ein großes Narrenhaus?«

      »Ja«, meinte der Hies, »gehst aber nit eini, gelt, sunst lassn sie dich nimmer aus!«

      »Aber das Narrenhaus ist ja nur für die Tiroler Bauern bestimmt!« Der Lärchene schob mit der Faust seinen Hut zurück und gab zur Antwort:

      »Teufl eini, du hast recht, für die Bauern gheart’s! Für dö herrischen Pelzkappn wär’s ja viel zu kloan!«

      Da versuchte es noch ein anderer mit einer verfänglichen Frage: »Wo geht denn hier der Weg nach Berlin?«

      Der Hies kratzte sich hinter den Ohren und schob seinen Hut noch weiter zurück. Dann meinte er ruhig: »Esl! Der Weg geaht nit, giehn mußt du!«

      Wie der Lärchene einmal von einer Bergtour zurückkam, kehrte er mit großem Hunger in einem Wirtshaus ein.

      »Knödl für drei«, rief er der Wirtin zu.

      Die Wirtin, in der Meinung, daß der Hies noch zwei Begleiter habe, kochte für drei hungrige Bergführer. Als das Essen fertig war, sagte der Hies: »Bring mir mein Toal!«

      Es war eine tüchtige Schüssel voll. Der Alte aß seine Knödel ruhig, aber sicher auf.

      Die Wirtin setzte sich zu ihm und fragte: »Wo werdn denn die andern zwoa sein?«

      »Bring mir die Knödl vom zwoatn, sonst werdn sie schlecht!«

      Die zweite Portion verschwand ebenso wie die erste. »Um Himmls willn, wo steckn denn die andern zwoa?« jammerte die Wirtin.

      »Teufl eini, bring mir noch die Knödl vom drittn!«

      Wie der Lärchene auch die dritte Schüssel voll ruhig auslöffelte, wurde der Wirtin unheimlich zumute. »Aber, Hies, werst sechn, so viel Knödl liegn dir im Magn!«

      »Wenn sie grad amal liegn bleibetn a acht, vierzehn Tag!«

      Dann warf der Hies den Löffel weg, zahlte für drei und ging wohlgemut weiter.

      Und eines Tages, wie ihm schon die Achtziger über den Rücken hinaufkrabbelten, fühlte sich der Lärchene »gspaßig«. Er hatte im Frühjahr die Wiese gewässert und war an die drei Stunden bis über die Knie hinauf im Bach herumgewatet. Dann legte er sich ins Gras und ließ sich von der Sonne die pudelnasse Krippe trocknen. Bald legte er sich auf den Rücken, bald auf den Bauch, um der Sonne das Geschäft zu erleichtern. Dann ging er in die Stube, und da wurde ihm gspaßig. Das Essen schmeckte ihm nicht recht. Im Verlaufe des Nachmittags wurde dem Hies alleweil minder.

      »Teufl eini«, meinte er, »i woaß nit, wie s Kranksein ist, aber mi kimmt für, i bin lötz!«

      Am selben Tag, während noch die Sonne schien, legte sich der zäh knorrige Hies ins Bett. Das kam ihm so seltsam vor, beim hellichtchten Tag im Bett zu liegen, daß er lachen mußte.

      »Teufl eini, dös ist gspaßig!«

      Er tastete sich wieder heraus und kam bis zur Tür. Dort stürzte er bewußtlos zusammen. Sie trugen ihn wieder ins Bett. Und als er zu sich gekommen war, machte man ihm klar:

      »Hies, mach dei Sach mit dem Herrgott ab!«

      Der Lärchene kratzte sich hinter dem Ohr und fragte:

      »Teufl eini, isch es Zeit?«

      »Ja! Wir werdn an’ Geistlich holen!«

      Der Hies machte eine abwehrende Bewegung.

      »Teufl eini«, flüsterte er, »laßts mi glei mit’n Herrgott selber redn! Mit ihm bin i per du, da red i mi leichter! Zun Pfarrer mueß i Ös oder gar Sie sagn, dös bring i nit zsamm!«

      Lang und schwer rang er. Endlich, nach drei Tagen, mußte sich der Lärchene geben.

      »Teufl eini« ist zeitlebens sein Leibspruch gewesen, aber er wird schon zum Herrgott gekommen sein, der brave, lärchene Hies.

       SCHNAPSJÖRGLS KAMPF UND SIEG

      Sie hießen ihn den Schnapsjörgl, nicht mehr und nicht weniger.

      Mit welchem Recht, das ist noch nicht ganz festgestellt. Keine Menschenseele wußte genau, ob Jörgls Nase vom Wein oder Schnaps herrühre. Nur erfroren war sie nicht, darüber waren alle so ziemlich einig. Der Jörg hatte wohl zuerst den Schnaps-Jörgl tapfer von sich abgewehrt, wie weiland sein hoher Patron den wüsten Drachen; denn er hätte lieber der Wein-Jörgl geheißen, weil das fast nobel und vornehm klingen täte. Gerade deswegen haben es die Leute aber nicht getan, damit dem Jörg der Stolz nicht allzusehr den Kopf verdrehe.

      Solange die gelehrten Herren nicht den Unterschied zwischen einer Schnaps- und einer Weinnase wissenschaftlich festzustellen vermögen, muß er den Schnaps-Jörgl dulden und sich denken, die dummen Leute verstehn’s nicht besser.

      Der Jörg war ein mittelgroßes Männchen, dem so das fünfzigste Jahr im Blute schleichen mochte. Er frettete sich auf zwei wohlausgebildeten Säbelbeinen und unter beständigem Durst durch das Leben. Das von den Beinen ließ er nicht gelten. Er behauptete, die Hosen seien krumm. Den Durst gab er zu, aber auch die gehörige Deutung ließ er nicht fehlen. Er sei als kleiner Bub häufig zur Sommerszeit auf der schattenlosen Halde gelegen; da habe ihm die heiße Julisonne seine Leber ausgedörrt, und bis zu seinem Lebensende werde er an den Folgen dieses jugendlichen Leichtsinns zu tragen haben.

      Jörgls krumme Lodenhose war an den unteren Rändern stark ausgefranst und gezackt, wie die Zinnen einer alten Burg. Dazu stimmte auch das düstere, altertümliche Grau des Stoffes. Und wie so eine alte Ruine weit weg vom ebenen Boden in der Höhe nistet, so machte es auch Jörgls Hose. Sie war stark bodenscheu. Auch Schießscharten und Risse zeigten sich daran in Menge.

      Jörgls Nase war ein Meisterstück der Malerei. Die Farben hatten ihm aber auch ein schönes Stück Geld gekostet. Ein Netz himmelblauer Äderchen, violette Punkte, dazwischen wieder Fleckchen von der Farbe der sanften Morgenröte angefangen bis zum intensiven Zinnober. Und das war alles in lieblicher Unordnung durcheinandergemischt.

      Jörgls Äuglein, die stets in feuchtem Glanze schimmerten, saßen wie auf Stielen und quollen zwischen den beständig entzündeten Lidern stark hervor. Den schütteren, grauen Schnauzbart trug das versoffene Männlein kurz geschoren. Die einzelnen Borsten standen in einem rechten Winkel von den gedunsenen Lippen ab und sahen bewundernd zur Nase auf. Seine Ohren