„Hej, schön dich zu sehen.“ Matilda umfasste Frijas Schultern und forschte in ihrem Gesicht. „Irgendetwas ist mir dir passiert“, sagte sie daraufhin.
„Ach was“, wehrte Frija ab. „Du interpretierst wieder viel zu viel hinein.“
„Aber in all den Jahren bist du noch nie zu spät gekommen“, erwiderte Matilda mit ernster Miene.
„Soll das etwa ein Verhör werden?“
„Niemals …“, lenkte ihre beste Freundin ein.
„Wir können gern ein anderes Mal darüber reden“, versprach Frija rasch. „Aber nach diesem anstrengenden Tag möchte ich mit Sara nur noch nach Hause.“
„Schon in Ordnung.“ Matilda lächelte. „Sara, deine Mam ist da“, rief sie ins Haus.
„Ich komme ja schon.“ Mit dem Rucksack über der Schulter erschien Sara in der Tür. „Ist was passiert?“, lautete ihre erste Frage.
„Nein, entschuldige bitte die Verspätung.“
„Okay“, erwiderte Sara schulterzuckend, verabschiedete sich von Matilda und ging zum Wagen.
„Ich werde mich morgen bei dir melden, Matilda“, schlug Frija einen versöhnlichen Ton an.
„Du wirst schon deine Gründe haben“, erwiderte sie lachend. „Ich will mir mit Kjell noch einen gemütlichen Abend machen. Ruf kurz durch, wenn du angekommen bist. Smilla ist im Haus.“
„Danke, du bist ein Schatz.“
Frija umarmte ihre Freundin, deren blumiges Parfüm ihr sofort in die Nase stieg. Sie würde Matilda bei einer Tasse Tee die heiße Nacht mit Leif beichten, nichts sollte zwischen ihnen stehen. Vielleicht konnte sie auch mit ihr darüber beratschlagen, wie es mit diesem Mann weitergehen sollte. Schon jetzt spukte er ihr unablässig im Kopf herum, obwohl sie nicht unbedingt vorhatte, ihn nochmals zu treffen. Dass sie so leichtfertig ihre Handynummer herausgegeben hatte, ärgerte sie im Nachhinein.
„Mam?“
„Sorry, ich war mit meinen Gedanken gerade woanders“, entschuldigte sie sich.
„Du bist ganz schön durcheinander“, stellte Sara nüchtern fest. „Waren deine Entwürfe nicht korrekt?“
„Doch, doch“, erwiderte Frija rasch, als sie in den Wagen stiegen. „Meine Chefin war sehr zufrieden und du weißt ja, was sie für hohe Ansprüche an ihre Mitarbeiter stellt.“
„Na dann, ab nach Hause.“ Sara legte ihren Gurt um.
„Hast du schon zu Abend gegessen?“, wollte Frija wissen.
„Ja. Matilda hatte Lasagne in den Backofen geschoben, war lecker.“
„Auch gut, dann muss ich nichts mehr zubereiten.“
Innerhalb weniger Minuten hatten sie die kurze Strecke zurückgelegt, das Haus lag einsam und verlassen im Dunkeln. Die glatte Oberfläche des Sees schimmerte wie poliertes Glas, in dem sich die schmale Mondsichel spiegelte.
„Was bin ich froh, wieder in meinem Bett schlafen zu können“, seufzte Frija und schloss die Haustür auf.
Smilla kam ihnen laut maunzend entgegen, ließ sich aber weder von Frija noch von Sara streicheln. Beleidigt setzte sie sich vor ihre Futternäpfe, obwohl diese noch bis zum Rand gefüllt waren.
„Unsere Dramaqueen“, lachte Sara.
„Oh, oh, da kenne ich aber noch eine“, stimmte Frija in das Lachen ihrer Tochter ein.
„Ach Mama, du nun wieder.“
Sara verschwand in ihrem Zimmer, während Frija ihren Trolley auspackte. Hastig stopfte sie die Schmutzwäsche in die Trommel der Waschmaschine, damit Sara keinen Verdacht schöpfte. Warum nur fühlte sie sich mit einem Schlag so schuldig? Das erotische Knistern zwischen Leif und ihr schien ihren Hormonhaushalt mächtig durcheinandergewirbelt zu haben.
Während die Waschmaschine leise rumpelnd ihre Arbeit versah, entkorkte Frija in der Küche eine Flasche Rotwein und schenkte sich ein Glas ein. Das war total unüblich, sie trank sonst nur zu besonderen Anlässen. Aber gerade in diesem Moment hatte sie das Gefühl, ihr aufgewühltes Gemüt beruhigen zu müssen. Himmelherrgott, es war doch nur Sex gewesen!
Ein helles Licht streifte die weiß gestrichene Holzbalkendecke und verwundert schaute Frija aus dem Fenster. Ein Fahrzeug wendete umständlich vor dem Haus und fuhr wieder davon. War das nicht ein Stockholmer Kennzeichen? Hastig zog sie die Vorhänge zu.
Sara steckte den Kopf zur Tür hinaus. „Was war denn das für eine Schnarchnase? Wo wollte der Typ um diese Uhrzeit hin?“
„Keine Ahnung“, erwiderte Frija. „Sonst verirren sich nur Touristen in den Sommermonaten zu uns.“
Zu ihrem Grundstück gehörten ein handtuchgroßes Stück Wald und ein Teilstück der Uferzone des Sees. Obwohl sogar ein Parken-Verboten-Schild am Wegesrand stand, nahm es damit niemand so genau.
„Sara, was würdest du von einem Hund halten?“, fragte Frija.
„Echt jetzt? Ich habe Ewigkeiten darum gebettelt und nun kommst du damit um die Ecke“, beschwerte sie sich. „Mama, du kannst mir sagen, was du willst, aber irgendetwas stimmt doch nicht?“
„Ach Schätzchen, es war doch nur so ein Gedanke. Ich jogge immer allein und so ein vierbeiniger Begleiter wäre schon ganz nett.“
„Mach was du denkst, ich gehe jetzt ins Bett.“ Sara gähnte demonstrativ.
Frija wusste, dass ihre Tochter noch lange wach sein würde, um mit ihren Freundinnen zu chatten. Aber gut, die Kids waren nur einmal jung.
„Gute Nacht, mein Mäuschen.“ Sie küsste Sara auf die Stirn.
„Gute Nacht, Mam.“
Nach einer kurzen Nacht, in der Frija nur wenig Schlaf gefunden hatte, saß sie wieder hinter ihrem Schreibtisch. Sara war in der Schule und Smilla tobte sich am Waldrand aus, während Frijas Gedanken ständig zu Leif wanderten. Was hatte dieser Mann nur an sich, dass er sie so in seinen Bann zog?
Immer wieder starrte sie auf das Smartphone, wischte über das Display und wartete sehnsüchtig auf eine Nachricht von ihm. Sie hatte ihm einen guten Morgen gewünscht und auch gesehen, dass er ihre Message bereits gelesen hatte. Nun ja, wahrscheinlich steckte er in einem Meeting fest oder führte ein Beratungsgespräch, wer wusste das schon. Oder hatte sie seinen Worten zu viel Gewicht verliehen?
Frija fühlte sich wie ein frisch verliebter Teenager. Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch und sie spürte eine gewisse Nervosität. Noch immer konnte sie seine forschenden Hände auf ihrem Körper spüren und seine Küsse schmecken.
Ein Blick auf die Uhr brachte sie wieder zur Räson. Hatte sie tatsächlich eine ganze Stunde vertrödelt, in der sie nur von Leif geträumt hatte?
Es fiel Frija ausgesprochen schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, aber letztlich hatte sie zwei erste Entwürfe abgespeichert. Zufrieden mit dem Tageswerk streifte sie sich die Sportsachen über und trat aus dem Haus. Smilla begleitete sie ein Stück des Weges, bis ein heruntersegelndes Blatt ihre gesamte Aufmerksamkeit verlangte.
Frija verfiel in einen leichten Trab und ließ sich treiben. Das Wetter war recht mild und am Ufer des Sees kräuselten sich die Wellen. Hin und wieder durchbrach die Sonne die dichte Wolkendecke und malte ein sich wandelndes Spiel von Licht und Schatten auf den mit Laub bedeckten Boden.
Frija behielt das gemäßigte Tempo bei und lief einen schmalen Trampelpfad entlang, der um den See führte. Sie liebte die