Fesselnde Entscheidung 2. Alissa Sterne. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alissa Sterne
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738054156
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Ein wenig freute sich Philipp über Sarahs offensichtliche Neugier an seinem Arbeitgeber, weil er spürte, wie ihre Lebensgeister wieder erwachten, und sie nicht mehr an die schrecklichen Ereignisse des heutigen Abends dachte. Aber andererseits wollte er sich auch nicht dazu hinreißen lassen, zu viel zu erzählen. Abgesehen davon, dass er bei Weitem nicht alles wusste, was vor seiner Zeit in der Firma passiert war, nahm er sich vor, seiner Linie treu zu bleiben und nur das preiszugeben, was die Zeitungen ohnehin schon gedruckt hatten. »Ich denke, es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie ist in Südfrankreich und erholt sich dort. Aber nun zu dir. Was arbeitest du?« Sarah schaute stur auf ihre Handtasche, biss verlegen auf ihre Unterlippe und sah ihn dann wieder an. »Das willst du nicht wissen. Bitte frag nicht.« Irritiert schaute er sie an. Was sollte das jetzt wieder heißen? »Hallo? Ich habe dir gerade meine intimsten Zeugungsunfähigkeits-Geheimnisse anvertraut und du willst mir nicht verraten, was du arbeitest? Komm schon! So schlimm kann’s schon nicht sein!« »Es war seine Idee«, räumte sie kleinlaut ein. »Was?« »Er sagte, dass wir uns ganz schnell erst einen tollen Urlaub, dann ein neues Auto und bald auch eine große neue Wohnung leisten könnten.« Langsam dämmerte es Philipp und er wollte nicht, dass sie das aussprach, was er befürchtete. Das konnte alles nicht sein! »Sag mir jetzt nicht, dass du …« Sie holte tief Luft, senkte ihren Blick auf ihre Hände, die wieder anfingen zu zittern, und schwieg. »Er schickt dich doch nicht etwa auf den Strich, oder?« »Nein … Nicht auf den Strich. Es fing mit irgendwelchen ... Bekannten von ihm an, vor denen ich mich ausziehen sollte. Erst ohne Anfassen, dann … mit und irgendwann …« Der blanke Zorn erwachte in Philipp und er musste sich mit aller Macht zusammenreißen, um nicht vor Wut laut zu schreien. Was war das nur für ein widerlicher Kerl, der seine Freundin verprügelte und zu allem Überfluss auch noch anschaffen schickte? Philipp war fassungslos. Das Blut kochte in seinen Adern. Verzweifelt suchte er nach einem Ventil, sprang auf und ballte seine Hand zu einer Faust. »Wenn ich dieses Schwein in die Finger kriege!« Sarah schaute ihn ängstlich an und sagte in einem versöhnlichen Tonfall: »Er hat auch seine guten Seiten.« »Aha. Hat er die? Verdammt noch mal! Du MUSST ihn anzeigen!«, schrie er vollkommen außer sich. Erschrocken zuckte Sarah zusammen. »Er hat mich nicht gezwungen … Ich habe es freiwillig gemacht.« Niemals würde er die Frauen verstehen. Warum nahm sie diesen Wichser auch noch in Schutz? »Und er denkt jetzt wahrscheinlich, dass ich nicht aufgepasst habe und das Kind von einem … Kunden ist. Deswegen will er es nicht. Er hat sicherlich Angst, für ein fremdes Kind irgendwann zahlen zu müssen.« Philipp starrte sie fassungslos an. Vor seinem geistigen Auge erschien plötzlich seine Schwester. Wie oft hatte sein Schwager sie krankenhausreif geschlagen? Wie oft war sie wieder zu ihm zurückgekehrt? Jedes Mal! Es kam ihm vor, als wäre Sarah auf einmal Lichtjahre von seiner Denkweise entfernt und eine böse Vorahnung lief wie ein kalter Schauer über seinen Rücken. Sie würde wieder zu diesem Kerl zurückkehren. In seine Arme. In sein Bett. Zurück zu ihren Freiern und seinen Schlägen. Egal, was er sagen würde. Egal, was er machen würde. Sie würde wieder gehen. Übertrieben lange schaute er auf seine Armbanduhr und sagte dann resigniert: »Es ist spät geworden. Ich muss morgen wieder früh raus. Brauchst du noch irgendetwas?« »Ist alles okay? Du bist auf einmal so …« »Müde«, beendete er ihren Satz. Vor allem war er müde, sich über anderer Leute Probleme den Kopf zu zerbrechen. Davon hatte er schließlich selbst genug. Mehr als das. »Eine Decke wäre toll.« »Ja, natürlich. Kriegst du.« Als er mit einer schwarzen Fleecedecke in der Hand wieder ins Wohnzimmer zurückkam, sah er sofort, dass Sarah geweint hatte. Sein Herz wurde wieder weich. »Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum du dich für ihn einsetzt.« »Ich bin doch selbst schuld. Ich wollte genauso wie er das Geld … Und seine Idee mit der Homepage war klasse. So konnte ich mir immer aussuchen, mit wem ich … und mit wem nicht. Ich hätte nur nicht schwanger werden dürfen.« »Homepage?« »Ich habe eine eigene Seite, auf der ich meine … Dienstleistungen anbiete.« »Aha.« Kurz überlegte er, ob er die Frage stellen sollte, die sich förmlich aufdrängte. Er hatte das Gefühl, ein unbekanntes, aber durchaus reizvolles Terrain zu betreten. »Wie heißt deine Homepage?« Sarah senkte den Blick. Vermutlich aus Scham. »Das möchte ich nicht sagen. Ich will nicht, dass du mich so siehst.« Auf Philipps Kopfkinoleinwand sah er sie in verführerischer Unterwäsche mit obszön gespreizten Schenkeln vor sich. Ein Hauch von Erregung durchströmte seinen Körper. Er räusperte sich und versuchte, dieses Bild zu verdrängen, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen, was sich als äußerst schwierig erwies. Sarah hatte ihre Reize. Keine Frage. Lange blonde Haare, ein hübsches, wenn auch momentan etwas demoliertes Gesicht und einen wohlgeformten Busen, der im Vergleich zu ihren übrigen Proportionen auffallend groß erschien, und sich weich unter seinem Jogginganzug abzeichnete. Erschwerend kam der Gedanke hinzu, dass sie eine Professionelle war. Eine Professionelle, die wahrscheinlich sehr gekonnt mit dem männlichen Geschlecht umzugehen wusste. »Guck mich bitte nicht so an.« Mit diesem Satz verteilte sich schlagartig sämtliches Blut wieder gleichmäßig auf seinen Körper. »Wieso, wie gucke ich denn?« »Keine Ahnung. Auf jeden Fall werde ich dir meine Homepage sicher nicht verraten.« »Musst du ja auch nicht. Aber du hast sicher Verständnis dafür, wenn ich deinen vollständigen Namen wissen möchte. Schließlich kenne ich dich erst kurz und lasse dich hier schlafen.« »Du willst meinen Ausweis sehen?« Das wäre am besten, ging ihm kurz durch den Kopf. Aber dann dachte er wieder an seine unangemessene Handtaschen-Durchwühl-Aktion. »Dein vollständiger Name würde mir reichen.« »Sarah Küppler. K…Ü…P…P…L…E…R«, buchstabierte sie und ergänzte, »unter diesem Namen wirst du meine Homepage aber nicht finden. Möchtest du noch etwas wissen? Vielleicht meine Schuhgröße oder lieber meine Körbchengröße?« Er ignorierte ihre spitze Bemerkung und war im Begriff zu gehen, als ihm noch ein Gedanke kam. »Versprich mir, dass du dich morgen noch persönlich von mir verabschiedest. Persönlich. Nicht auf einem Zettel oder so.« »Wenn du mir versprichst, niemandem zu sagen, dass ich hier bin.« Philipp nickte. »Wann musst du denn morgen früh los?«, fragte Sarah »Spätestens gegen acht.« »Würdest du mich bitte rechtzeitig wecken?« »Ja klar. Gute Nacht! Versuch, ein bisschen zu schlafen«, sagte er und schloss die Wohnzimmertür hinter sich.

      *

      Unschlüssig stand Philipp im Flur. Sollte er die Haustür abschließen, damit sie sich nicht sang- und klanglos auf und davon machen konnte? Eine innere Stimme sagte ihm, dass Sarah vielleicht mit diesem Gedanken spielte. Aber wäre es schlimm, wenn sie morgen einfach weg wäre? Gedankenverloren verstaute er das Foto von Bea und sich in der obersten Schublade der Kommode und ging ins Bad. Sofort fielen ihm Sarahs schwarzer BH und das dazu passende Spitzenhöschen ins Auge. Sie hatte ihre Wäsche zum Trocknen über die Heizung gelegt. Wieder regte sich eine flüchtige Erregung in ihm, als er sie sich nackt in seinem Jogginganzug vorstellte. Wann hatte er das letzte Mal Sex gehabt, fragte er sich. Es war eindeutig zu lange her! Kopfschüttelnd putzte er sich die Zähne. Obwohl ein anstrengender Arbeitstag hinter ihm lag, ließ ihn Sarah keine Ruhe finden. Unruhig wälzte er sich hin und her und beobachtete hin und wieder die Wolken, die den Vollmond mal mehr, mal weniger verdunkelten. Immer wieder fragte er sich, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte, sie mit zu sich nach Hause genommen zu haben. Er hätte sie ins Krankenhaus bringen müssen, da war er sich inzwischen sicher. Obwohl ihn jeden Morgen beizeiten seine innere Uhr von alleine weckte, stellte er sich seinen Radiowecker auf fünf Uhr. Viel zu früh, aber er wollte nachschauen, ob Sarah dann noch da war. Die Wohnungstür hatte er bewusst nicht abgeschlossen. Nach zahllosen Versuchen, irgendwie doch noch in das Reich der Träume abzutauchen, gab er sich seiner Neugier geschlagen, griff unters Bett und zog sein Notebook hervor. Viel fand er nicht über Sarah Küppler. Aber erleichtert entdeckte er diesen Namen unter einem Jahrgangsfoto, auf dem er sie erkannte. Ein misstrauischer Teil seines Gehirns hatte es durchaus für möglich gehalten, dass sie ihm irgendeinen Namen genannt hatte, nur nicht ihren. Vor sechs Jahren hatte sie die Hauptschule verlassen. Dann verlor sich ihre Spur. Einer Eingebung folgend gab er Begriffe wie »Sexy Sarah« oder »Sex mit Sarah« in die Suchmaschine ein. Erfolglos. Zwar gab es unglaublich viele Einträge, aber nichts, was eindeutig mit der Sarah auf seinem Sofa in Verbindung stand. Nach einer gefühlten halben Ewigkeit klappte er das Notebook entnervt zu und gab sich seinen Gedanken hin. Weshalb fühlte er sich ausgerechnet für eine Frau, die wahrscheinlich wesentlich mehr Probleme als Schamhaare besaß, irgendwie verantwortlich?

      *

      Irgendwann