Автор: | Alissa Sterne |
Издательство: | Bookwire |
Серия: | |
Жанр произведения: | Языкознание |
Год издания: | 0 |
isbn: | 9783738054156 |
sie die Türklinke hinunterdrückte. »Tu, was du nicht lassen kannst. Aber bevor die hier sind, bin ich weg.« Philipp fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und wischte sich über die Augen. »Scheiße! Ich kann dich doch so nicht gehen lassen! Wo willst du hin? Lebt deine Familie hier in der Nähe? Kannst du da hin?« »Meine Mutter hatte mich von Anfang an vor ihm gewarnt. Zu der geh ich bestimmt nicht!« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Es ist kurz vor elf. Wo willst du denn jetzt hin?« »Das ist nicht dein Problem! ICH bin nicht dein Problem!«, ihre verzweifelte Stimme überschlug sich. »Noch vor ein paar Minuten hätte ich nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber ich BITTE dich, hierzubleiben … Morgen sieht die Welt vielleicht schon wieder besser aus.« Er ging langsam auf sie zu und hielt ihr die Hand hin. »Kein Krankenwagen? Keine Polizei?«, fragte sie skeptisch. Er schüttelte mit dem Kopf. »Auch wenn ich hoffe, dass ich das nicht bereue.« Schließlich nickte sie, ignorierte seine Hand und blieb unschlüssig vor ihm stehen. »Pizza?«, fragte er mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ein Hauch von einem Lächeln glitt über ihr Gesicht. »Ja, gerne.« Obwohl die Pizza noch annähernd warm war und sich seine Verärgerung von vorhin in Luft aufgelöst hatte, wollte die Anspannung nicht von ihm abfallen. Sie war schwanger! Das änderte alles! Er hatte nicht nur quasi für sie die Verantwortung übernommen, sondern auch noch für ein ungeborenes Etwas in ihrem Bauch. »Wann kommt eigentlich deine Freundin nach Hause? Ich möchte nicht, dass sie irgendetwas missversteht.« »Meine Freundin?« Er sah sie fragend an und konnte ihr im ersten Moment nicht richtig folgen. Dann fiel der Groschen. »Ach so, du meinst meine Frau. Nein, sie wird nichts missverstehen, weil sie nicht nach Hause kommen wird … Wir leben getrennt.« »Oh, ich dachte nur … das Foto … und die zwei Zahnbürsten.« »Ja, das Foto muss ich mal entsorgen … und … die Zahnbürste auch.« Sarah nickte nachdenklich. »Willst du noch was essen?«, erkundigte sich Philipp freundlich. »Nein, danke. Aber wenn du vielleicht noch ein Bier für mich hättest?« »Zum Kühlen oder zum Trinken?« »Zum Trinken.« »Du bist schwanger!« Sein vorwurfsvoller Ton war nicht zu überhören. »Ich werde es ohnehin abtreiben.« »Das ist deine Entscheidung. Solange du aber schwanger bist, wirst du von mir keinen Alkohol bekommen. Wie alt bist du eigentlich?«, fragte er, während er aufstand und eine Flasche Wasser und für sich ein Bier aus der Küche holte. »21. Und du?« »33. Willst du ein Glas oder …« Sie nahm ihm die Wasserflasche ab und trank in durstigen Zügen. »Wie lange wart … seid ihr verheiratet? Habt ihr Kinder?«, fragte sie interessiert, als sie die Flasche halb leer getrunken und auf dem kleinen Couchtisch abgestellt hatte. Obwohl Philipp diese persönlichen Fragen einen Tick zu weit gingen, antwortete er, nachdem er einen kräftigen Schluck aus seiner Bierflasche genommen hatte. »Drei Jahre sind wir verheiratet. Nein, wir haben keine Kinder.« »Wolltet ihr keine?« Das reicht!, dachte er, sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich. Instinktiv schien Sarah zu spüren, dass ihn diese Frage unangenehm berührt hatte. »Entschuldigung! Es geht mich nichts an!« Er kratzte sich am Ohr und sagte, während er ihr direkt in die Augen sah, als wollte er ihre Reaktion nicht verpassen: »Ich bin zeugungsunfähig. Also … so gut wie.« Das schlug ein wie eine Bombe. Sarah starrte ihn mit offenem Mund an. Kopfschüttelnd vergrub er sein Gesicht hinter den Händen und konnte auf einmal selbst nicht mehr verstehen, wieso er ihr um alles in der Welt das gerade anvertraut hatte. »Das weiß so gut wie niemand, aber ich erzähle es dir!« Dann schaute er wieder zu ihr. »Keine Ahnung, warum ich dir das erzählt habe. Am besten du vergisst es ganz schnell wieder.« Sie schluckte hörbar. »Habt ihr euch deswegen getrennt?« Ein Themenwechsel wäre jetzt wirklich angebracht, dachte er und versuchte, sich seine aufkommende Gereiztheit nicht anmerken zu lassen. »Es gibt immer viele Gründe und einen Auslöser. Es war sicher ein Grund von vielen«, antwortete er so beiläufig wie möglich, auch wenn sich ein trauriger Schatten über seine Seele legte. Natürlich wusste er den wahren Grund, aber das gehörte hier nun wirklich nicht hin. »Du verurteilst mich sicher, weil ich abtreiben will.« »Nein. Das ist deine Entscheidung und es steht mir nicht zu, über dich zu urteilen. Jeder muss das tun, was er für richtig hält.« Er räusperte sich. Paradoxerweise war er erst durch die Trennung von Bea auf diese Erkenntnis, mit der es sich wesentlich entspannter lebte, gekommen. So sanft wie möglich fügte er hinzu: »Aber mal was anderes, wie genau bist du da eigentlich im Gebüsch gelandet? Was ist überhaupt passiert?« Jetzt war es Sarah, die seinem Blick auswich und mit einem Schlag sämtliche Gesichtsfarbe verlor. »Wie gesagt, ich war beim Arzt und habe … ihn … dann angerufen.« Philipp fühlte einen flüchtigen inneren Triumph, weil er erfolgreich das Thema gewechselt hatte, und hörte ihr aufmerksam zu. »Er klang ganz normal, als ich ihm sagte, dass ich schwanger sei … Also er war schon überrascht, aber ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er ausflippen würde. Deswegen hatte ich es ihm auch am Telefon gesagt. Er sagte, dass er gerade unterwegs sei und mich abholen könne. Das hat er dann auch gemacht und im Auto fingen die Beschimpfungen an. Ich solle es wegmachen lassen, es sei ohnehin nicht von ihm … bla, bla, bla. Ich hätte einfach nicht sagen sollen, dass ich es vielleicht behalten möchte! Dann wäre das alles wahrscheinlich gar nicht passiert!« Wieder liefen Tränen über ihre Wangen. Philipp stand auf, um aus dem Bad eine Rolle Toilettenpapier zu holen, und reichte sie ihr. Obwohl ihr wahrscheinlich nicht zum Lachen zumute war, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ich denke, die Rolle reicht.« »Habe leider keine Taschentücher. Sorry!« Mit ein paar Blättern tupfte sie sich vorsichtig die Tränen weg, wohl darauf bedacht, nicht zu nah an ihr geschwollenes Auge zu kommen. »Auf jeden Fall ist er dann ausgerastet und hat mir eine geknallt.« »Hat er dich schon öfters geschlagen?« Betreten schaute sie auf die Hände in ihrem Schoß. »Na ja … auf jeden Fall noch nie so.« »Wie ging es dann weiter?« »Ich bekam Angst. Richtig Angst. Wie wild fuchtelte er um sich und achtete überhaupt nicht mehr auf die Straße. Ich habe ihn angeschrien und dann hatte ich die nächste sitzen … An einer roten Ampel bin ich aus dem Auto gesprungen. Ich wollte nur noch weg von ihm.« Sarah wirkte wie in eine andere Welt versunken. Wieder hielt sie sich an ihrer Tasche fest, aber ihre Hände zitterten trotzdem. Philipps Herz wurde schwer, auch wenn er es nicht zulassen wollte, ließen ihn ihre Erlebnisse nicht kalt. Am liebsten hätte er sie erneut in den Arm genommen, aber er wusste, dass er damit eine Grenze überschreiten würde. Eine Grenze, die er nicht überschreiten sollte. In einem Zug exte er seine Bierflasche und verspürte zugleich Lust auf noch eins, aber er wagte nicht, aufzustehen und in die Küche zu gehen, aus Angst, ihren Redefluss zu unterbrechen. »Und dann ist er dir gefolgt? Wo wolltest du hin?« Kurz schaute sie zu ihm und versank dann wieder in ihren Erinnerungen. »Ich bin nur gerannt, war schon völlig außer Atem und hatte gedacht, dass ich ihn los bin. Ich wollte zu einer befreundeten Kollegin, aber er muss irgendwo sein Auto abgestellt und mir hinterhergelaufen sein. Auf Höhe von PHARMASchulte hat er mich von hinten gepackt und wie verrückt auf mich eingeschlagen, mich wild beschimpft und gedroht, mir das Kind notfalls selbst aus dem Bauch zu prügeln, wenn ich es nicht abtreibe …« Ihre brüchige Stimme verstummte. Philipp hatte das Gefühl, einen dicken Kloß tiefer Betroffenheit im Hals zu haben. »Das ist echt furchtbar, was du erlebt hast. … Was für ein Arsch! Du MUSST ihn anzeigen!« »Bitte versteh doch, dass das nicht geht. Der hat seine Freunde überall. Die bringen mich um und lassen es wie einen Unfall aussehen.« Sanft strich er über ihre Schulter und hoffte, dass sie diese vertraute Geste nicht falsch verstand. Sein Gehirn ratterte auf Hochtouren. Irgendwie musste dieser Kerl seine gerechte Strafe kriegen! Aber er sah ein, dass es keinen Sinn machte, jetzt mit Sarah darüber zu diskutieren, stattdessen fragte er: »Du wolltest zu einer Kollegin? Was arbeitest du denn?« Mit einem zarten Lächeln auf den Lippen drehte sie sich zu ihm und sagte leise: »Gegenfrage. Was arbeitest du? Offensichtlich bist du ja bei diesem Pharmariesen beschäftigt. Als was?« »Ich arbeite im Sicherheitsmanagement.« »Oh, das ist bestimmt spannend! Da lief es ja vor gar nicht allzu langer Zeit drunter und drüber. Hat nicht irgendjemand auf die Firmenchefin geschossen?« Auch wenn Philipp ihren abrupten Themenwechsel durchaus bemerkte, kamen ihm das Interesse und die darauffolgende Sensationsgier, wann immer er erwähnte, bei PHARMASchulte zu arbeiten, wie alte Bekannte vor. »Ja, aber das ist alles Vergangenheit und jetzt ist die Firma wieder auf dem Weg nach oben«, war seine Standardantwort, die er auch für Sarah parat hatte. »Die war doch vorher irgendwann mal entführt worden und hatte dann später was mit ihrem Entführer, oder?« Auch das war eine der üblichen Spekulationen, die in seinen Augen eigentlich durch die bekannten Tatsachen für die Allgemeinheit so interessant wie kalter Kaffee sein sollten, aber allem Anschein nach so unglaublich klangen, dass die Leute sie einfach