Lausbubengeschichten & Tante Frieda - Teil 2. Ludwig Thoma. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Thoma
Издательство: Bookwire
Серия: Lausbubengeschichten & Tante Frieda
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783742772763
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wir

       heimgekommen.

       Wir haben an der Tür warten müssen, weil meine Mutter nicht so schnell gehen kann und mit der

       Tante zurückgeblieben ist.

       Im Hausgang hat die Tante gesagt: »In Gottes Namen, da bin ich also wieder. Nein, wie es

       hübsch ist bei dir! Du hast ja einen Kokusläufer da!« Meine Mutter hat gesagt, daß der Gang im

       Winter so kalt ist und daß sie den Läufer wegen ihrer Gesundheit angeschafft hat.

       »Der Meter kostet gewiß vier Mark«, hat die Tante gesagt. »Man kriegt schon um eine Mark

       fünfzig recht schöne Läufer.«

       Sie ist in ihr Zimmer gegangen, und ich habe ihre Sachen hineingetragen. Sie hat den Käfig auf

       den Tisch gestellt und zu dem Papagei gesagt: »So, Lorchen, da sind wir jetzt, und es wird uns

       schon gefallen.« Und dann hat sie ihren Mund an das Gitter gesteckt und hat ihn gelockt: »Su, su!

       Wo ist das schöne Lorchen?« Und der Papagei hat den Kopf auf die Seite getan und ist auf der

       Stange zu ihr hingerutscht und hat seinen Schnabel in ihren Mund gesteckt.

       Ich hätte es nicht tun mögen, wenn sie mir einen Sack voll Äpfel oder eine Torte geschenkt hätte.

       Aber die Papageien sind alle ekelhaft. Ich dachte, ob er auch so herrutscht, wenn ich ihm ein paar

       Federn ausreiße, und ich dachte, wie er aussieht, wenn eine Stranitze voll Pulver bei seinem

       Käfig losgeht.

       Vielleicht hat die Tante gemerkt, was ich denke, denn sie hat sich umgedreht und hat gesagt:

       »Daß du mir artig gegen Lorchen bist, du Lausbube!«

       Da habe ich gesagt: »Ja, liebe Tante.« Und ich habe mich auch hingestellt und habe gerufen:

       »Lorchen! Wo bist du?«

       Aber der Papagei ist gleich weg und hat sich in die Ecke gesetzt und hat einen Fuß aufgehoben.

       Und er hat die Augen aufgerissen, als wenn er schon weiß, daß ich ihm bald Pulver gebe.

       Ich bin hinaus, und die Tante ist gleich zu meiner Mutter in das Wohnzimmer gegangen.

       Da ist mir eingefallen, daß ich noch etwas tun muß, und ich bin ganz schnell in das Zimmer von

       der Tante und habe aus dem Krug den ganzen Mund voll Wasser genommen. Dann bin ich zum

       Käfig, und der Papagei ist wieder weggerutscht, und ich habe einen spanischen Nebel auf ihn

       gespritzt, daß er den Kopf hineingesteckt hat und mit den Flügeln geschlagen hat. Dann bin ich

       geschwind in das Wohnzimmer. Meine Mutter hat der Tante etwas zu essen gegeben, und sie

       haben miteinander geredet, wie es ihnen geht. Die Tante hat gesagt, sie muß sehr sparsam sein,

       weil sie so wenig Pension hat und kein Geld nicht. Sie möchte jetzt sehr froh sein, wenn sie von

       früher ein bißchen Vermögen hätte, aber ihr Josef hat nichts gespart von dem Gehalt, weil es

       wenig war und weil er geraucht hat und in der Woche zweimal ins Wirtshaus gegangen ist. Und

       von daheim hat sie auch nichts bekommen, weil ihre Brüder studiert haben und so viel gebraucht

       haben.

       Da hat meine Mutter gesagt, daß mein Vater als Student gar nicht viel gebraucht hat.

       »Woher weißt du das?« hat die Tante gefragt. »Er hat es mir oft erzählt«, hat meine Mutter

       gesagt. »Er hat Stunden gegeben auf dem Schimnasium, und wie er auf der Forstschule war, hat

       er auch einem jungen Baron Stunde gegeben.

       »Das hat er bloß so gesagt.« hat die Tante geantwortet und hat ein großes Stück von der Wurst in

       den Mund gesteckt.

       Meine Mutter ist ganz rot geworden, und sie hat ihre Haube auf den Haaren fester gesteckt und

       hat gesagt:

       »Nein, Frieda, er hat in seinem ganzen Leben nie keine Unwahrheit geredet.«

       Die Tante ist zuerst still gewesen, weil sie die Wurst kauen mußte, und sie hat sich die Nase

       gerieben. Und dann hat sie wieder geredet. »Wenn er Stunden gegeben hat, dann möchte ich bloß

       wissen, wo er das viele Geld hingetan hat. Ich weiß es doch besser, und wir drei Schwestern

       haben es büßen müssen, weil kein Vermögen nicht da war und keine was mitkriegte.«

       »Warum redest du immer solche Sachen?« hat meine Mutter gefragt.

       »Ich meine ja bloß«, hat sie gesagt, »und weil es wahr ist. Zum Beispiel hat mich der Assessor

       Römer gern gesehen, und er ist jetzt Regierungsrat in Ansbach, und er hätte mich geheiratet,

       wenn etwas dagewesen wäre, aber so natürlich hab ich bloß einen Postexpeditor gekriegt.«

       »Du bist doch glücklich gewesen mit deinem Jo« hat meine Mutter gesagt.

       »Gott hab ihn selig!« hat die Tante gerufen. »Wir sind recht glücklich gewesen, aber ich wäre

       jetzt Regierungsrätin in Ansbach, wenn unsere Brüder nicht das ganze Geld gebraucht hätten.«

       Ich habe mich furchtbar geärgert, daß sie über unseren Vater so redet, und ich habe gedacht, ob

       ich nicht vielleicht schon heute das Feuerwerk mit dem Papagei mache. Oder ob ich nicht

       geschwind noch einen spanischen Nebel spritze.

       Aber die Tante ist aufgestanden, weil meine Mutter hinausgegangen ist, und da habe ich gemerkt,

       daß es jetzt nicht geht.

       Die Tante ist im Zimmer herumgegangen und hat alles angeschaut.

       Unter dem Hirschgeweih ist das Bild von meinem Vater gehängt, wie er Student gewesen ist. Er

       hat eine Mütze gehabt und einen Säbel und große Stiefel. Meine Mutter sagt immer, er hat so

       ausgeschaut, wie sie ihn zuerst gesehen hat. Da haben sie einen Fackelzug gemacht, und mein

       Vater ist vorausgegangen. Die Tante hat das Bild angeschaut und hat wieder gesagt: »Da sieht

       man es doch ganz deutlich, wo er das viele Geld gebraucht hat!«

       Dann ist sie bei der Kommode gestanden. Da hat Ännchen die Photographie von dem Herrn

       Amtsrichter hingestellt, und die Tante hat es gleich gesehen und hat mich gefragt: »Wer ist denn

       das?«

       Ich habe gesagt, das ist unser Amtsrichter. Da hat sie gefragt: »Wer ist unser Amtsrichter? Ich

       habe gesagt, der, wo immer zum Kaffee kommt, und er heißt Doktor Steinberger. Da hat sie das

       Bild genommen und gesagt, soso, aber er gefällt ihr gar nicht, er hat schon so wenig Haare und er

       schielt ziemlich stark, und das Gesicht ist so dick, als wenn er gerne trinkt. Ich mag den

       Steinberger auch nicht besonders, weil er zu mir gesagt hat, ich soll gegen meine Schwester

       anständig sein, oder er nimmt mich einmal bei den Ohren. Und ich mache Ännchen oft vor, wie

       er schielt, und dann heult sie. Aber es hat mich geärgert, daß die Tante etwas gegen ihn weiß,

       weil sie auch etwas gegen unsem Vater gewußt hat.

       Ich habe gedacht, ob ich vielleicht in die Küche gehe und es ihnen sage, aber dann gibt es nichts

       Gescheites zum Essen, wenn sie immer hinauslaufen und heulen und sich die Augen waschen

       müssen. Ich habe gedacht, ich sage es, wenn das Essen