Sonja Reineke
Die Vigilantin
Alte Besen kehren Wut
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Inhaltsverzeichnis
Die Entsorgung von Annas Peinigern
Ein Hündchen für Anna. Volkers.
Vorwort von Ruth Welter
Die Geschichte der Serienmörderin Miriam Darlan hat die Medien in den letzten Monaten in Atem gehalten wie keine andere. Faszination und Abscheu sind die meisten Reaktionen, wenn ich von meinem Buchprojekt erzähle. Sie können sich sicher vorstellen, dass die Faszination überwiegt. Warum ist das so? Warum fesselt uns gerade die Geschichte von Darlan wie keine andere?
Es mag daran liegen, dass sie die erste echte Serienmörderin in Deutschland ist. Weibliche Serienmörder kommen praktisch nicht vor.
Meiner Meinung nach liegt es daran, dass Darlan vor allem Menschen umbrachte, die in unserer Gesellschaft kein hohes Ansehen genießen: Kinderschänder, gewaltbereite Jugendliche. Viele schreiben ihr und es gibt mittlerweile regelrechte Fanclubs.
Wir dürfen bei allem Verständnis, das ihre Taten zunächst in einigen von uns wecken, nicht vergessen, dass unsere Gesellschaft keine Selbstjustiz billigt.
Zudem dürfen wir auch nicht aus den Augen verlieren, dass Darlan auch Mitmenschen ermordete, die sich nichts zuschulden kommen ließen.
Während der Monate der Arbeit mit ihr habe ich viele Facetten ihres Wesens beobachten können. Warum sie mit mir redete, aber nicht mit den Ärzten, den Gutachtern oder ihrem Anwalt, wird wohl immer ein Rätsel bleiben – so dachte ich. Erst am Ende unserer Gespräche offenbarte sie mir den Grund.
Die drastische Gewalt in ihrem Bericht hat mich selbst mit Ekel erfüllt. Ich habe so viel wie möglich davon entschärft. Dennoch werden Ihnen einige Passagen gewiss sehr extrem vorkommen. Ich habe mich dafür entschieden, diese Passagen im Buch zu belassen. Frau Darlan sollte ihre Geschichte vollständig erzählen dürfen.
Aber lassen wir sie zum Schluss selbst zu Wort kommen:
„Ich bin der Idee dieser Gesellschaft entsprungen wie Pallas Athene der Stirn des Zeus. Ihr habt mich erschaffen. Ich bin ein Kind dieser Zeit. Stempelt mich ruhig als verrückt ab, wenn es für euch so viel einfacher und vor allem erträglicher ist. Schiebt mich in irgendeine Zelle ab, stopft mich mit Pillen voll und vergesst mich. Aber ich bin immer da. Ich existiere in jedem Einzelnen von euch. Verdrängung ist ungesund, sagen mir die Ärzte hier. Wenn Verdrängung so ungesund ist, warum verdrängt ihr dann mich?“
Ruth Welter
Wie ich Darlan kennenlernte
1
In den folgenden Kapiteln wird vor allem Frau Darlan zu Wort kommen. Daher möchte ich sie und die Umstände, die zu diesem Buch führten, im ersten Kapitel beschreiben und dann ihr das Wort überlassen.
Ich hatte Miriam Darlan nie live erlebt, aber den Aufruhr vor dem Gericht schon. Es war eine meiner letzten Versuche, wieder eine echte Story zu schreiben. Also verschob ich mein nur mäßig interessantes Interview und fuhr zum Gericht.
Man hätte meinen können, die Beatles sollten wegen Mordes verurteilt werden. So viele Menschen auf einen Haufen hatte ich jedenfalls vor dem Bielefelder Gericht noch nie gesehen. Sie wurden von Polizisten mit Hunden in Schach gehalten, die Stimmung war ziemlich aggressiv. Sogar ein Wasserwerfer fuhr gerade vor, als ich eintraf. Was für ein Spektakel. Die Menge hatte sich in zwei Gruppen gespalten. Die eine schwenkte Schilder und skandierte: „Freiheit für Darlan!“ Die andere verlangte genau das Gegenteil.
Mehrere Kollegen vom Fernsehen umdrängten eine Frau, die steinernen Gesichts direkt vor dem Eingang stand. Es war Tatjana Wolfhardt. Sie trat als Nebenklägerin auf.
„Am liebsten wäre es mir, sie bekäme die Todesstrafe! Leider haben wir die nicht mehr!“, blaffte sie auf die Fragen der Reporter, deren Mikrofone gierig in ihr verweintes Gesicht stießen.
„Sie hat meinen Bruder umgebracht! Mein armer kleiner Bruder.“ Sie brach in Schluchzen aus, die Kameras zoomten näher heran. Ich hatte mich in der Zwischenzeit mühsam an sie herangekämpft und schoss ein paar Fotos. Der Schnapsgeruch, den Frau Wolfhardt ausdünstete, machte mich