MARI MÄRZ
REDRUBI
Mein Märchen für Erwachsene.
Die Vorgeschichte zur MondZauber-Tetralogie.
Handlungen und Personen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen werden in diesem Buch in einem ausschließlich fiktionalen Zusammenhang verwendet.
REDRUBI – MondZauber Prequel
Überarbeitete Auflage
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MARI MÄRZ
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REDRUBI
Es wa(h)r einmal ...
Dunkelheit zieht über das Land, umgibt uns mit Schatten und Kälte. Drum entzündet die Feuer und wärmt eure Seelen mit Fantasie. Taucht ein in die magische Welt der Mythen und Märchen.
Denn es gibt viel mehr da draußen,
als wir uns je vorstellen können ...
Es war einmal ...
So beginnt jedes Märchen. Auch das vom Rotkäppchen. Das Gute siegt über das Böse ... alles bekannt, von Generation zu Generation überliefert, im Laufe der Zeit umgeschrieben, angepasst, weichgespült, langweilig – zumindest für uns Erwachsene.
VERGISS ROTKÄPPCHEN!
Heute werden keine rothaarigen Frauen mehr als Hexen verbrannt, das Patriarchat hat ausgedient. All jene Gründe, weshalb das Rotkäppchen naiv und der Wolf böse war, gibt es nicht mehr. Und vielleicht war Rotkäppchen nie ein unschuldiges Mädchen gewesen. In der Fassung von Charles Perrault hat sich ›Le Petit Chaperon Rouge‹ nackt ins Bett zum Wolf gelegt. In einer früheren Fassung verspeiste es gemeinsam mit dem Wolf die Großmutter. Auch die Version der Brüder Grimm war einst blutrünstiger und erzählte von Kannibalismus.
Deshalb will ich euch nun REDRUBIs Geschichte erzählen – das Märchen vom Rotkäppchen, wie es sich vielleicht tatsächlich zugetragen hat.
Es wa(h)r einmal ...
Vor langer, langer Zeit, als die Pforten zur Anderswelt noch offen standen, lebte ein Mädchen mit seiner Großmutter im Wald. Sein Haar war rot wie Blut und funkelte, als wären Millionen kleiner Rubine darin verwoben. Seine blasse Haut erinnerte an den Mond, wenn er in voller Pracht die Schatten der Nacht vertrieb. Und seine Augen hatten dasselbe Grün wie die grasbewachsenen Weiden an der keltischen See. Niemand wusste, woher das Mädchen kam und wohin es ging. Doch Jahrtausende lang erzählten die Barden seine Geschichte an den Feuern und noch heute flüstert man vor allem in der Nacht von Samhain seinen Namen. An cailín leis an ghruaig dhearg. Das Mädchen mit dem roten Haar.
Einst nannten die Iren es Ceara, was so viel wie leuchtendrot bedeutet. Doch wie es bei Märchen so üblich ist, veränderte sich dieser Name in eine Bezeichnung, die besser in unsere heutige Zeit passt: REDRUBI.
Setzen wir uns nun ans Feuer und lauschen dem Barden, der uns im Rhythmus der Trommeln, begleitet von den sanften Klängen einer Harfe, die Geschichte von REDRUBI erzählt.
Eine Krähe flog über den Fluss, an dessen Ufer ein Mädchen lag. Der Körper des Mädchens ruhte nackt auf dem feuchten Gras der Böschung. Sein Haar schwebte im Wasser des Shannon und glänzte wie rote Seide. Die Krähe stieß einen Schrei aus und stürzte hinab.
Ein altes Weib, das in der Gegend nach frischen Kräutern suchte, hörte den Vogel. Die Sean-Bhean beobachtete, furchtsam hinter einem Baum versteckt, wie die Krähe sich neben dem Mädchen niederließ. Der Vogel war viel zu groß und viel zu zahm für seine Art. Die Alte presste sich ängstlich eine Hand vor den faltigen Mund und bat die Götter um Nachsicht, als sie erkannte, wer dort am roten Haar des Mädchens zupfte. Macha, die dunkle Göttin in Krähengestalt. Macha Mongruadh oder auch Morrígan genannt, die Geisterkönigin. Tochter des Meeres und des Feuers. Sie gehörte zum Volk der Danu – der Túatha Dé Danann. Dem ältesten Göttergeschlecht der Kelten, entsprungen aus den düsteren Schatten der Vergangenheit, aus den Tiefen des Ozeans, wo die Tore zur Anderswelt zu finden waren.
Ein Blitz jagte über den Himmel, der schwarz wurde, als wäre es bereits Nacht. Das alte Weib wollte fortlaufen, doch ihre Beine trugen sie kaum. Mit klopfendem Herzen presste es sich an die Rinde des Baumes und hoffte darauf, nur ein stiller Beobachter im Spiel der Götter zu sein.
Wind erhob sich, ließ welke Blätter tanzen, bevor er sich zu einem Sturm entfachte. Ein gewaltiger Donner brachte die Erde zum Zittern, als Macha ihre weibliche Gestalt annahm. Auch sie hatte feuerrotes Haar, das wie Flammen im Sturm loderte. Sie beugte sich über das Mädchen und sprach in einer uralten Sprache, die selbst den keltischen Druiden fremd war.
Die Sean-Bhean verstand nur ein paar Laute, war sich aber sicher, dass die Worte der Geisterkönigin nicht von guter Herkunft waren. Das alte Weib glaubte, so etwas wie Fluch oder Rache zu hören, und erstarrte, als die glühenden Augen der Macha in die ihren blickten.
Die Alte wankte im Sturm, der nicht von dieser Welt war, und vernahm plötzlich eine Stimme.
Du wirst dieses Mädchen großziehen und nähren, bis es alt und stark genug ist, meinen Fluch zu offenbaren. Es ist der Wunsch der Götter, Sean-Bhean. Achte gut auf mein Mädchen!
Ein dunkles Lachen hallte durch den tobenden Sturm. Ein weiterer Blitz entlud sich, wo eben noch die Macha gestanden hatte. Und mit einem Mal war es wieder taghell, die Sonne schien, der Fluss rauschte und der Wind sang ein freudvolles Lied. Eine Krähe flog über das sanft wogende Wasser des Shannon und verschwand mit einem Schrei zwischen den Wipfeln der Bäume ...
Die Jahre zogen ins Land und das Mädchen reifte zu einer wunderschönen Frau heran. Redrubi war dem Weib, das sie großgezogen hatte, dankbar. Sie nannte es liebevoll Seanmháthair oder auch Großmutter. Die Leute im Dorf tuschelten über die alte Kräuterhexe und natürlich über Redrubi, die so plötzlich aufgetaucht war wie ein Sommergewitter. Niemand wusste, woher sie gekommen war und was sie dort draußen in der kleinen Hütte im Wald trieb.
Als Redrubi noch kleiner war, hatte sie mit den Kindern im Dorf spielen wollen, doch die Menschen ahnten, dass dieses Mädchen auf magische Weise anders war. Und doch schaffte es Redrubi, sich in die Herzen der Dorfbewohner zu stehlen. Ihre Schönheit wuchs mit jedem Tag und schon bald verirrten sich die ersten Jünglinge in den Wald – angetrieben von männlichem Übermut.
Man hätte meinen können, dass es für Redrubi ein Leichtes gewesen wäre, einen stattlichen Mann zu finden, doch die Götter hatten einen anderen Plan. Das Mädchen mit dem roten Haar litt an einer seltenen Krankheit. Nicht etwa an der Pest oder Cholera, die damals viele Bewohner der Städte hinraffte, sondern einem Leiden, welches ihr weder den Tod noch das Leben brachte. Sie wandelte durch die irdische sowie ebenjene andere Welt der Götter und Ahnen. Und es war Fluch und Segen zugleich, denn die Unsterblichkeit hatte ihren Preis.
Noch bevor Redrubi vierzehn Jahre alt war, herrschte in ihr die unerbittliche Gier nach Blut. Menschlichem