Elia kam mit einem der teuersten Marken-Laptops zurück, die es auf dem Markt gab, und während seine Finger über die Tasten flogen, erklärte er John: „Quint hat beim letzten Mal eine versteckte Verbindung von ihrem zu meinem Rechner hergestellt.“
„Sicher ist sicher – typisch Quint.“
„Nein, das war ausnahmsweise meine Idee. Aber kannst du mir mal erklären, warum Lara so in Panik geraten ist?“
„Wir haben uns gestritten“, sagte er zögernd und hoffte, sein Freund würde es dabei belassen.
„Und?“
„Ich habe ihr gesagt, sie muss hierbleiben.“
„Und?“
Frustriert fuhr sich John durch seine Locken. „In dunklen, geschlossenen Räumen bekommt sie Klaustrophobie.“
„Ach du Scheiße! Kein Wunder, dass sie durchgedreht ist.“
„Kannst du laut sagen. Ich wollte heute mal in Alvas Bücher schauen, ob ich was dazu finde.“
„Spar dir den Weg, John. Du hast alle Bibliotheken der Welt vor deiner Nase.“ Elia wies mit dem Kinn auf den Bildschirm vor ihm.
John runzelte die Stirn. Elia schüttelte nur den Kopf und machte sich an der Tastatur vor John zu schaffen.
„Schon vergessen? Wir haben das World Wide Web! Hier, dieses medizinische Nachschlagewerk benutzt Alva immer. Oder such dir eins von den 400 000 anderen aus.“
Vertieft in die Internetlektüre wurde John bald wieder nervös, denn Lara hatte sich auf eine Bank gesetzt und schien die Mauer um das Anwesen zu mustern.
„Brauchst du noch lange, Elia?“ Mit dem Laptop hätte er einen Grund, sie wieder hereinzulocken.
„Bin fast fertig“, erklärte der, „nur der Akku ist nicht voll geladen.“ Im gleichen Moment öffnete sich die Tür.
„Benedikt! Schön, dich zu sehen.“
John begrüßte mit Elia den Mönch in seiner langen braunen Kutte und seinen schweigsamen Begleiter. Der hielt sich unter der großen Kapuze im wahrsten Sinne des Wortes bedeckt.
Er merkte, dass Elias Augen sich in freudiger Erwartung aufhellten. „Du hast bestimmt Sarah mitgebracht!“
Sarah hatte auf der schwarzen Liste von Ramón gestanden. Elia wäre beinahe Amok gelaufen, als er davon erfahren hatte, brachte es aber nicht übers Herz, der ängstlichen Sarah von der Gefahr zu erzählen. Deshalb hatte John den Vorschlag gemacht, sie unter einem Vorwand in Benedikts Kloster auf der Insel in der Irischen See zu schicken.
„Nein, Elia. Ich denke, das ist noch zu früh.“
„Was verschafft uns dann die Ehre?“, fragte John.
„Ich war bereits auf meiner Reise, um im Kloster nebenan etwas zu erledigen, als ich von der Entwicklung der Dinge hier bei euch hörte.“
„Welche Entwicklung?“, hakte er skeptisch nach.
„Ihr habt Ramón getötet.“
John nickte und musterte Benedikts Gesichtsausdruck.
„Du siehst aus, als ob dir das Sorgen bereitet.“
Der Mönch unter der Kapuze murmelte etwas Unverständliches.
Benedikt antwortete: „Ihr müsst damit rechnen, dass sein Bruder Raúl jetzt hier auftaucht.“
Kein Wunder, denn ein frei gewordenes Territorium wollte sich jeder Blutfürst gern unter den Nagel reißen. Als Taktiker wollte John mehr Informationen, aber das Raubtier in ihm wollte seine Gefährtin verteidigen und dachte nur an den Kampf. „Und? Wie viele wird er mitbringen?“, fragte er herausfordernd. Ein tiefes Knurren folgte.
Benedikt hob eine Augenbraue. „Sicher mehr als ihr.“
„Das ist ja auch nicht schwer“, murmelte Elia frustriert. „In den letzten hundert Jahren gab es kaum noch geeignete Anwärter, die uns Wächtern beitreten wollten.“
„Es ist nicht die reine Zahl, die mir Sorgen macht. Raúl hat vor ein paar Jahren die meisten seiner Männer zu Elitekämpfern ausgebildet.“
„Scheiße!“, rutschte es Elia und ihm synchron heraus.
„Deshalb bin ich hier. Ich habe euch den mitgebracht, der diese Kämpfer ausgebildet hat.“
Auf eine Geste von Benedikt hin trat der andere Mönch einen Schritt vor und nahm seine Kapuze herunter. Ein kahl geschorener Mann mit eintätowierter Schlange im Gesicht kam zum Vorschein. Im gleichen Augenblick trat Raven durch die Tür und rief bei dessen Anblick: „Yago!“
Und dann überschlugen sich die Ereignisse.
Im Bruchteil einer Sekunde stellte sich Raven zwischen den Mönch und sie. Seine gezogene Waffe zielte auf die Stirn des Fremden. Einen Wimpernschlag später lag er aber bäuchlings auf dem Boden, mit dem Mönch über sich. Die Pistole hatte den Besitzer gewechselt und zeigte nun auf Ravens Schläfe. John zog sein Messer und wollte es gerade in den Hals des Fremden werfen, doch Benedikt hielt seine Hand fest.
„Jakob“, sprach Benedikt sanft und schüttelte milde den Kopf. John wusste zwar, dass Jakob der Übersetzung des spanischen Yago entsprach, doch was hier vorging, verstand er nicht.
„Danke für deine Demonstration, Jakob, aber du solltest das lieber auf den Matten im Trainingsraum machen.“
„Benedikt“, sagte der Mönch, „dieser Mann ist gefährlich. Er ist Ramóns Leibwächter.“
„Schon gut Jakob. Das war sein altes Leben. Raven ist jetzt ein Wächter, Ehemann und Vater.“
Als hätte jemand einen Schalter umgelegt, stand der Mönch auf, zog Raven dabei gleich mit hoch und neigte entschuldigend seinen Kopf. „Vergib mir.“
Die Pistole händigte er allerdings an Benedikt aus.
Raven wich vor dem Mönch zurück wie vor einer giftigen Schlange, was John stutzig machte. „Du kennst ihn?“
„Das ist Yago der Schlächter, Raúls berüchtigter Mann fürs Grobe.“
„Das war sein altes Leben, Raven. Jetzt ist er Jakob, ein Mönch, der mit den Straßenkindern Fußball spielt und mir hilft, die Wunden der Obdachlosen zu verbinden.“ Er gab Raven die Pistole zurück und ließ seine Hände in den Ärmeln des weiten Gewands verschwinden. „Ich werde gleich zur Sache kommen, denn wir müssen in ein paar Stunden wieder aufbrechen. Jakob wird euch heute trainieren, damit ihr Raúls Kämpfern gewachsen seid. Ich habe bereits alles mit Agnus besprochen.“
„Hier, Laras Laptop ist fertig“, sagte Elia leise.
John nahm das Gerät von ihm entgegen, merkte aber, dass Benedikt ihn von oben bis unten musterte und einen Blick auf das Bild der Überwachungskamera hinter ihm warf.
„John, du fängst mit Jakob an.“
„Tut mir leid, Benedikt, aber ich muss dringend weg …“
Der Mönch hob die Hand. John kannte die Geste und wusste aus Erfahrung, dass er keinen Widerspruch zulassen würde.
„Ich kann mir denken, was los ist. Ich war gerade im Garten, da stürmte diese Frau aus deinem Quartier, als wäre der Teufel hinter ihr her. Ich nehme mal an, das ist diese Lara, von der ich gehört habe. Der Laptop ist für sie?“
Er nickte und Benedikt streckte die Hand danach aus.
„Gib mir das und nach deiner Trainingsrunde