Im nächsten Schritt sollte Dominic die vorgegebenen Wörter mit Buchstabenklötzen nachschreiben oder wir schrieben den Namen passend zum Bild auf dem Klötzchen. Mit der Zeit merkte ich, dass Dominic nicht geistig behindert ist. Bald schrieb ich ihm Fragen auf über unsere Familie, zum Beispiel: Wie heißt du? Darunter zwei Auswahlantworten: „ich heiße Dominic“ sowie „ich heiße Hans“. Das musste wiederum mühsam geübt werden, bis Dominic begriff, was er tun sollte. Dies waren unsere Anfänge mit der Gestützten Kommunikation. Als wir diese erste Hürde genommen hatten, versuchte ich im nächsten Schritt, mit ihm zu schreiben. Das brauchte nochmals einen ungeheuren Energieschub von mir, damit er auch für diese Arbeit bereit sein konnte.
Es dauerte mehrere Jahre, bis Dominic sich mittels der Gestützten Kommunikation so ausdrücken konnte, wie er es heute tut. Dominic schreibt jetzt mühelos mit mir, seit achtzehn Jahren. Wenn eine neue Person mit ihm schreiben möchte, braucht diejenige Person stets viel Ausdauer und den festen Willen, es mit ihm zu schaffen. Um ganz persönliche Angelegenheiten mit ihm zu besprechen, benötigt es unglaublich viel Zeit, viel Übung und viel starken Willen von der stützenden Person. Ich bin heute überglücklich, die Gestützte Kommunikation kennengelernt zu haben, um dadurch mit Dominic kommunizieren zu können. Es ist so wertvoll für jeden Menschen, sich mitteilen zu können. Die Methode der Mitteilung ist dabei egal, Hauptsache, Kommunikation ist möglich.
Die Gestützte Kommunikation
(facilitated communication, kurz: fc)
Definition von Wikipedia (17.08.2017): Ein Kommunikationshelfer, der sogenannte Stützer, berührt eine kommunikationsbeeinträchtigte Person, Schreiber oder auch Nutzer genannt. Diese körperliche Hilfestellung soll es der kommunikationsbeeinträchtigten Person ermöglichen, eine Kommunikationshilfe zu bedienen. Die Gestützte Kommunikation gilt bei vielen Praktikern und einigen Wissenschaftlern als Methode der Unterstützten Kommunikation – ein Fachgebiet, das sich mit alternativen und ergänzenden Kommunikationsformen für Menschen beschäftigt, die nicht oder nur unzureichend über Lautsprache verfügen.
In ihrer heutigen Form wurde die Gestützte Kommunikation Ende der 1970er Jahre von der Australierin Rosemary Crossley entwickelt, die einen Weg zur Kommunikation mit einer jungen cerebralparetischen Frau suchte. Später wurde die Methode auch bei Menschen mit Autismus und Down-Syndrom angewandt, heutzutage unabhängig von der medizinischen Diagnose allgemein bei Personen mit einer schweren Kommunikationsbeeinträchtigung.
Bei der Gestützten Kommunikation ist die alternative Kommunikationsform fast immer die Schriftsprache, in Einzelfällen werden auch alternative Symbolsysteme benutzt, beispielsweise Piktogramme. Die jeweiligen Symbole werden dabei entweder auf einer Kommunikationstafel bereitgestellt oder auf einer Schreibmaschine, einem Computer oder einem Sprachausgabegerät.
Das Besondere bei der Gestützten Kommunikation ist, dass die Symbole von der kommunikationsbeeinträchtigten Person (Schreiber oder Nutzer genannt) unter Hilfestellung einer zweiten Person, des so genannten Stützers, angesteuert werden. Der Stützer soll dem Schreiber das Zeigen auf die Buchstaben bzw. das Tippen auf der Tastatur erleichtern, indem er die Hand oder ein anderes Körperteil des Schreibers berührt, leichten Gegendruck ausübt, die Auswahl offensichtlich falscher Tasten verhindert und ähnliche körperliche Hilfestellungen gibt. Hierbei gilt das Prinzip der Minimalstützung. Um eine unabhängige Kommunikation zu ermöglichen, wird es als wichtig erachtet, die physische Stütze von Hand bis Schulter immer weiter zurück zu nehmen und diese schlussendlich sogar ganz auszublenden.
ABA (Applied Behavior Analysis)
(Erika Müller)
Seit vielen Jahren dokumentieren unter anderem die US-amerikanische Fachzeitschrift „Journal of Applied Behavior Analysis“ und auch das Journal „The Analysis of Verbal Behavior“ die wissenschaftlichen Forschungen und experimentellen Studien, die auf unabhängige Weise die Wirksamkeit von ABA bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen und ähnlichen Entwicklungsstörungen belegen. Im Report von 1999, Kapitel 3, gibt der „U.S. Surgeon General“ (oberster Amtsarzt der US-Gesundheitsbehörden) Folgendes bekannt: „30 Jahre Forschung haben bestätigt, wie wirksam angewandte Verhaltensmethoden unangemessene Verhaltensweisen abbauen und Kommunikations- bzw. Lernfähigkeit sowie angemessenes Sozialverhalten aufbauen.“ Laut diesem Report ist ABA die einzige Interventionsmethode, die in der Lage ist, einen zuverlässigen Langzeitnutzen für Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen zu demonstrieren.
Es war wiederum dieselbe betroffene Mutter, die mich auf die ABA-Therapie aufmerksam machte mit den Worten: „Wenn du willst, gehe ich vor dir auf die Knie, aber mach bitte diese Therapie!“. Da musste ja was dran sein, wenn sie sogar einen Kniefall in Kauf nahm. Ja, das war wirklich ein guter Entscheid – und ist es immer noch. Sie gab mir die Adresse von einer Fachperson. Nach dem ersten Gespräch mit dieser Fachperson war für mich klar, dass ich diese ABA-Therapie machen wollte. Wir stellten eine Dokumentation mit diversen Förderungsprogrammen zusammen, die speziell auf Dominic abgestimmt waren. Ich suchte mir zwei bis drei Therapeuten, welche als Schweizer ABA-Supervisoren in das Programm eingearbeitet wurden. Diese Therapeuten arbeiteten mit Dominic mehrere Male in der Woche jeweils drei Stunden lang. Wichtig war, dass verschiedene Personen mit Dominic arbeiteten, damit er sich nicht auf einen Therapeuten fixierte. Dominic machte in den ersten Jahren so große Fortschritte, dass jeweils monatlich eine Supervision notwendig war, um die Teilschritte neu anzupassen.
Die Programme bestanden aus verschiedenen Kategorien. So zum Beispiel beinhalteten sie das Zeigen nach Aufforderung, eine grob- und feinmotorische Förderung, betrafen das Sprachverständnis, Schreiben, das Benennen von Gegenständen, Ankleiden, den Toilettengang, Mathematik, Spielen, Selbsthilfe erlangen usw. Dominic lernte unter anderem auch das Binden seiner Schuhe, das Fahrradfahren und viele alltägliche Dinge mehr.
Dominic konnte vor der ABA-Therapie nicht viel mehr artikulieren als ein paar zusammenhängende Laute. Das Training der verbalen Sprache begann immer mit der Aufforderung: „Mach e Ton“. Es brauchte viel Geduld, bis er das konnte. Daraufhin begannen wir mit den Phonemen. Ein Phonem nach dem anderen. Die Phoneme wurden wie Vokale ausgesprochen, also B und nicht Be. Alles andere hätte ihn nur verwirrt. Erstaunlich war, dass er beim Buchstaben „I“ fast ein halbes Jahr gebraucht hat, bis er denjenigen richtig aussprechen konnte. Da ist die Unterstützung der Fachperson ganz wichtig, allein schon, um den Glauben daran nicht zu verlieren, dass er es schaffen wird. Am Ende hat sich die Arbeit ausgezahlt, denn Dominic hat es geschafft.
Er hat durch die ABA-Therapie lesen gelernt. Zwar liest er noch nicht sehr deutlich und in der notwendigen Lautstärke, aber er kann lesen und die umstehenden Personen verstehen das Gelesene. Ganz schwierige Wörter haben wir mit Bindestrichen abgetrennt, und Wortsilbe für Wortsilbe separat geübt. Schwierige Wörter wurden beim Lesen von hinten nach vorne geübt. Er liest manchmal die Untertitelungen beim Fernsehen sogar laut und deutlich. Erfahrungsgemäß sind die passende Tagesform sowie die notwendige Eigeninitiative maßgeblich zuständig für gute Resultate. Dominic hat in all den Jahren mit der ABA-Therapie ganz tolle und großartige Fortschritte gemacht, auf die er stolz sein kann. Wir sind auch stolz über diese Leistung. Viele Stunden haben wir zusammen, mit all unseren zahlreichen Therapeutinnen und Therapeuten, am Schreibtisch in seinem Zimmer verbracht. Es hat sich gelohnt. Mir gab es immer ein gutes Gefühl zu wissen, dass er während dieser Therapiestunden sinnvoll gefördert wurde. Ich konnte somit die Zeit, während die Therapeuten mit Dominic arbeiteten, ohne schlechtes Gewissen