Wie andere mich sehen. Briefe und Gedanken
Margarete Schmocker-Fleischmann
Lisa Hächler, ehemalige Schulleiterin
Meine Nachbarn, Karin Schnellmann und Bernd Räpple
Mein Vorwort
Ich soll ein Vorwort schreiben, sagt Mami. Das würden alle Autoren machen. Und was schreibt man da? Ich denke, dass es etwas Individuelles sein sollte, was geschrieben wird. Das wird sicher gut kommen.
Ich bin Autist. Ich war ein schwieriger Fall. Bin ich das immer noch? Ich weiß es manchmal selber nicht. So gesehen ist es relativ. In etlichen Situationen sicher schon stark, aber richtigerweise entscheidet das jeder, der gerade mit mir zu tun hat, selbst, wie schwierig ich in diesem bestimmten Moment bin. Es geht nicht mit allen gleich gut oder schlecht. Es richtet sich immer nach meiner Tagesform und demjenigen, der gerade mit mir zu tun hat. Warum schreibe ich mit Menschen, denen ich gut gesinnt bin? Ganz einfach: Ich kann mich so ausdrücken. Sicher ist, funktionieren tut es meistens nicht auf Anhieb. Guter Rat ist viele Male gefragt. Der Mensch, der mich stützt, muss an mich glauben. Das ist Voraussetzung. Ausdauer und einen starken Willen braucht er auch. Wenn er zu früh aufgibt, dann wird das nichts. Ich schreibe ihm nicht schon beim ersten Mal, welche Farbe meine Unterhose hat. Das braucht Zeit. Es gibt Menschen, bei denen stimmt die Chemie – was für ein unschönes Wort, um diese Beziehung auszudrücken – recht schnell. Das erleichtert die Kommunikation untereinander sehr. Ich spüre die Schwingungen der Menschen stark, und das macht es nicht einfacher.
Dieses Buch habe ich mit großer Freude geschrieben. Ich danke all den Menschen, die mir bis dahin in irgendeiner Form geholfen haben, damit ich bis dahin gekommen bin. Sicher ist, dass es von allen Helfenden viel Ausdauer und Kraft gebraucht hat, um mich an diesen Punkt zu bringen. Ein ganz großer Dank geht an meine Mami und Lisa. Sie haben viele Stunden mit mir verbracht, um mit mir zu schreiben. Danke, danke, danke! So viele gute Menschen gibt es auf der Erde, man muss sie nur sehen und wahrnehmen. Danke Gabriel Palacios und deine guten Menschen im Kreis um dich herum. Du hast mir eine Stimme gegeben. Das ist grandios und treibt mich weiter an. So kann ich etwas dazu beitragen, damit wir Autisten verstanden werden, und Verständnis für uns aufgebracht werden kann, wenn es die Situation erfordert. Gabriel, du bist ein großartiger Mensch. Danke, danke, danke!
Es ist auch so, dass ich guter Dinge bin, dass es in meinem Leben vorwärts gehen wird. Ich spüre diese Energie in der Himmelssphäre, die jeder Mensch aufnehmen kann, um über sich hinauszuwachsen.
Ich wünsche allen ein vergnügliches Lesen meines Buches. Möge euch beim Lesen meiner Geschichten ein Licht aufgehen, vielleicht regen sie den ein oder anderen auch zum Nachdenken an, berühren eure Seelen oder entlocken euch ein Schmunzeln. Humor ist wichtig im Leben und erleichtert vieles.
Carpe diem.
Zu meiner Person
Dominic Müller ist mein Name. Ich wurde am 5. Januar 1994 geboren und bin in Grindelwald und Leissigen aufgewachsen. Komplett ungut ist, Gott hat mir eine Behinderung mit ins Leben gegeben. Autismus, so nennt die Gesellschaft meine Behinderung. Der Begriff Autismus kommt aus dem Griechischen und bedeutet „sehr auf sich bezogen sein“. Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Ich bin aber nicht geistig behindert und ich habe die normale Schule besucht. Keiner nimmt mir meine Intelligenz. Ganz viele Leute meinen, ich sei nicht normal, aber das stimmt nicht. Ich nehme es nur nicht so genau mit den Anstandsregeln. Für mich ist es manchmal schwer, euch zu verstehen, weil es in mir ein Riesenchaos auslöst. Ich kann mich zum Beispiel nicht an eurer Mimik orientieren, deshalb fordere ich die Menschen heraus, mir ihre Emotionen in Großformat zu zeigen. Sie sollen bestimmt, klar und deutlich sagen, was sie fühlen und wollen, dann kann ich ihre Gefühle erkennen. Eure Welt ist poppig und wirr, es braucht viel Konzentration und Anstrengung, euch zu verstehen.
In weiter Form habe ich einen Asperger-Autismus, vermischt mit frühkindlichem Autismus. Ich hatte schon von Geburt an Anzeichen, aber die hat niemand verstanden. Menschen mit Asperger können sich vielmals mit Lautsprache verständigen, ich noch nicht. Viele Autisten haben Inselbegabungen. Ich kann zum Beispiel etwas schreiben und nebenbei alle Geräusche und Gespräche erfassen und dazu noch für mich sprechen. Das löst aber furchtbare Geräusche in meinem Kopf aus, die Füße kann ich nicht mehr stillhalten und ich werde zappelig. Digitale Abläufe, Filmabspanne und vieles andere in dieser Richtung lassen mich in meine Welt abschweifen, wie vielleicht jemand, der Drogen genommen hat.
Licht und farbige Leuchten haben für mich gute und schlechte Besonderheiten. Die eine ist die, dass ich Licht vielmals lösche, weil es mir besser geht in der Dämmerung. Farbige Leuchten hingegen können mich teilweise beruhigen.
So habe ich euch einen vagen Einblick in meinen Autismus gegeben. Es gibt natürlich noch tausende von verschiedenen autistischen Verhaltensweisen, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann.
Ich danke allen, die schon nur versuchen, uns Autisten zu verstehen und uns zu akzeptieren, so wie wir eben sind.
Ohnmächtig
Lohnend ist es nicht, als Autist auf die Welt zu kommen. Große Kummerfalten bekommen Eltern, wenn sie vom Arzt die Diagnose erhalten. Lohnend loben können Eltern ihr Neugeborenes bei einer solchen Diagnose deshalb nicht. Junge Menschen können aber nicht wählen, wie sie auf die Welt kommen wollen; johlend kommen komischerweise nur gesunde Kinder gut an.
Komplett blöd ist, dass keiner jung genug als Autist erkannt wird. Lohnen könnte sich von Anfang an eine intensive Therapie. Ohnmächtig kommen von alleine bindende Probleme auf solche Eltern zu. Jung wie sie sind, wissen sie sich nicht zu helfen. Komisch nur, dass niemand ihnen helfen kann. Es kommen ohnmächtige Fragen und niemand weiß eine Antwort. Besuchen uns Verwandte, von beiden Elternseiten, kommen immer gleich hunderte von Fragen, die niemand beantworten kann. Kinder haben damit kaum Probleme, aber Erwachsene.
Ordnung muss her und es wird nach Therapien gerufen. Komplett überfordert sind viele Eltern, denn sie wissen nicht, welche die richtige ist. Niemand kann ihnen wirklich raten, denn jeder hält seine für die Beste.
Noch nicht ruhmreich und ohne Erfolg kommen Leute von der Früherziehung mit viel Spielzeug, das für Autisten nichts taugt. Lohnend für Eltern sind logischerweise Kinderbuben oder Kindermädchen, zwar noch jung, aber entlastend für die Eltern.
Kommen später die Schuljahre, wird es noch schwieriger, denn Kinder mit Autismus gehören nicht selbstverständlich in die normale Schule. Es muss darum gekämpft werden und Schulbegleiterinnen müssen her. Junge Heilpädagoginnen oder Heilpädagogen eignen sich nicht für eine Schulbegleitung, besser sind ältere mit Erfahrung und Kenntnissen über Autismus. Komplett daneben ist es