Der Bote. Hans-Joachim Rech. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Joachim Rech
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783966511759
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Küchen jedweder Mafia Taverna auf diesem Planeten.“

      Jens Hüball, wollte es auf seine reiferen Tage noch einmal wissen und ging mit der KFOR in den Balkan, in das ehemalige Jugoslawien. Drei Wochen sollten es werden - es wurde eine Ewigkeit. Ein Scharfschütze hat ihn nahe Sarajewo inmitten eines KFOR - Spähtrupps ausgepickt und kurzerhand erschossen - direkt in den Kopf.

      „Immer hart am Geschehen - das honoriert der Leser, und du bist glaubwürdig - auch vor dir selbst“. Das war sein Credo - Jens Hüball - mögest du in Frieden ruhen.

      Hart am Geschehen - diesen Satz hörte ich auch während meiner Berliner Studentenzeit in den 1960er Jahren - Ho - Ho - Ho Tschi Minh - hallte es dröhnend durch die Straßen der Westsektoren - tausende Studenten hielten dem Establishment den Spiegel vor und schissen auf die Adenauer Republik und die verkappten Nazirepräsentanten, welche immer noch in den höchsten politischen Ämter den Ton angaben und sich mit den Erben der Großindustrie und den Banken nur zu gerne an einen Tisch setzten, um dicke Geschäfte zu besiegeln und fette Gewinne einzustreichen, wie sie es schon während der Nazizeit und davor mit dem Kaiser von Gottes Gnaden mit Genuss taten. Die Leidens- und Sterbensgeschichten der KZler füllen kilometerlange Regalreihen, aber davon wollte zwanzig Jahre nach dem Weltkrieg Zwei niemand etwas wissen. Nur ich ,so schien es mir, und um irgendwie dabei zu sein rannte ich in der Horde mit (Herdenmentalität) und rief aus Leibeskräften jene berühmten Worte, die wie ein Flächenbrand durch Westberlin, dann durch die BRD, durch Europa und letztlich um die Welt jagten - ein Tsunami hätte es nicht besser treffen können.

      Weckruf - die Georgi Schukow - der U-Bootkrieg - die Seelower Höhen - das Ende der Nazis

      „Hallo - Maximilian von Bergerdamm - sind sie noch da - bitte bestätigen sie mit dem grünen Knopf“ ertönte Natalies zwei Stimme aus dem Headset, die mich aus meinen Abschweifungen in die Vergangenheit very fast in die Realität des Saales der Marine zurückholte. Natalie zwei Stimme hallte ein wenig nach, was zweifelsohne an der Aussteuerung lag, aber da hatte ich bereits den grünen Headset Knopf bis zum Anschlag eingedrückt.

      „Hallo schöne Frau, hier bin ich - ganz auf Empfang eingestellt und atemlos ihrer verzaubernden Stimme lauschend - und bei der Arbeit versteht sich - willkommen im Saal der Marine - was kann ich für sie tun meine Lady in Red…?“ gab ich meine in vielen Jahren einstudierte, aber stets mit sehr viel Herzschmalz vorgetragene Gegenfrage in das Mikro meines technischen Kopfgehäuses, das meinen fast haarlosen Schädel wie die Gummistulpe eines Toilettensaugers umhüllte und für ein permanentes Kribbeln sorgte, das durch meine Denkvorgänge in unerklärlicherweise angeregt wurde. Kannte ich von einem Polizisten a.D. Der hatte den Dienst bis zur Oberkante Unterlippe satt und praktizierte Recht und Gesetz nach seinen eigenen Regeln. Letztlich räumte er mit einer Drogenbande auf, ballerte drei Figuren weg - einfach so, knüppelte vier weitere für den Rest ihres Lebens in den Rollstuhl und schoss sich zum Abschied selbst in den Kopf. Wenn es meine Zeit erlaubt, besuche ich ihn in seinem Gehege in der Psychiatrie. Ihm geht es gut dort, sagt er stets bei bester Laune, genießt beinahe alle Freiheiten und kann endlich denken ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Der Schuss in die Birne - so seine Worte - war das beste was er in seinem Leben gemacht habe - sollten alle Menschen tun - sich in die Birne ballern - dann ist sofort Schluss mit den unsäglichen Kopfschmerzen während des Denkens. Ich habe es bis heute nicht fertig gebracht - mir in die Birne zu ballern. Und Kopfschmerzen habe ich durch das Denken noch nie bekommen, die lenken nur ab.

      „Phonetische Studien üben Sie bitte später mit ihrem Kabinenkollegen Monsieur Bernard Panteneau vom Institut Louis Pasteur an der Sorbonne Paris. Also Herr von Bergerdamm - vor ihnen auf dem Tisch liegt die Arbeitsmappe mit ihrem Namen auf dem Einband und allen Unterlagen, die sie zur gemeinsamen - ich wiederhole gemeinsamen Arbeit an Bord der Georgi Schukow und Außerbords auf dem Eis, sowie auf und unter dem Wasser benötigen. Es ist ganz wichtig, dass sie sich damit intensiv während der Anfahrt in den Nordatlantik in unser Expeditionsgebiet vertraut machen. Vor Ort haben sie dazu keine Gelegenheit mehr. Es wäre doch wirklich schade, wenn ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse aufgrund unzureichender Vorbereitung in der Sache hinter den Erfolgen ihrer Kollegen zurückblieben. Danke für ihr Verständnis. Ich gebe ihnen allen nun einen kurzen Überblick zum Inhalt der Arbeitsmappe; rechts außen auf dem Rücken steckt in einer Schlaufe ein Schreibset mit farbigen Stiften. Einmal rot, einmal schwarz und einmal grün. Mit rot markieren sie Bereiche zu denen sie Fragen haben, mit schwarz Bereiche die ihnen von früheren Expeditionen oder Arbeitsaufträgen her bekannt sind und mit grün Bereiche, in denen sie promoviert oder über die sie geschrieben oder in irgendeiner anderen Art national oder international berichtet haben. Zunächst allgemeine Angaben zu unserem Zuhause auf Zeit, dem Eisbrecher Georgi Schukow, nachzulesen ab Seite drei. Sie befinden sich auf einem der größten Eisbrecher der Welt in der Klasse Neun - das bedeutet, das unser Schiff Eisstärken von mindestens vier Metern Dicke brechen kann. Die Georgi Schukow gehört der Atomgaz, einer privaten Murmansker Hochseerederei und ist international in die Eisklasse - der Arktika Polarklasse eingestuft, der höchsten Klasse überhaupt. Sie wurde am siebenundzwanzigsten Oktober Neunzehnhundertzweiundneunzig in Dienst gestellt, hat dreiundzwanzigtausend Tonnen Wasserverdrängung bei einem Tiefgang von elf Metern. Die Besatzung der Georgi Schukow beträgt derzeit einhundertfünfzig Mann. Unser Schiff absolvierte bereits ein Dutzend erfolgreiche Eisfahrten zum Point Zero Neunzig Grad Nord - dem absoluten Nordpol der Erde im Eis der Arktis. Die Maschinen der Georgi Schukow leisten zweiundsiebzig Tausend PS bei maximal einundzwanzigundvier Knoten Geschwindigkeit. Die Umsetzung der PS geschieht energetisch über einen nuklear-elektrischen Generator mit fünfundsiebzigtausend PS Leistung. Ihre zulässige zusätzliche Tragfähigkeit liegt bei zweitausendsiebenhundertfünfzig Tonnen. Gebaut wurde die Georgi Schukow für die Atomgaz auf der Baltischen Werft in Sankt Petersburg. Soviel zu unserem Zuhause auf Zeit. Noch ein Hinweis - die Georgi Schukow kann einhundert Passagiere aufnehmen zu je zwei Passagieren in einer Kabine. Die Kabinen der Gäste an Bord der Georgi Schukow sind allesamt Außenkabinen und befinden sich im Zentraldeck fünf mit einer umlaufenden Panorama-Promenaden Gangway, einem besonderen Luxus, den nur die Eisbrecher der Arktika Klasse Russlands weltweit bieten. Alle weiteren Räumlichkeiten wie Duschen, Freizeiteinrichtungen, Schwimmbad, Wellnessräume, Speisesaal, Bibliothek, Konferenzräume finden sich ebenso in Deck fünf; die Korrespondenz -Ton - und Bildschaltungen national und international erlauben individuellen Zugriff durch die jeweiligen Teilnehmer. Dies als technisches Hintergrundwissen zur Georgi Schukow als schwimmendes Hotel auf unserer Fahrt in den Nordatlantik, in die Übergangsregion vom Arktischen Ozean auf den Mittelozeanischen Rücken zwischen Grönland und Skandinavien, dem bekannten Mohn Rücken im Knipowitsch Gürtel. Von dort führt uns die Route zu Lokis Schloss - besser bekannt als Lokis Castle, einem ausgedehnten Geothermalgebiet in mehreren tausend Metern Tiefe, wo wir mit unserem Tauchboot Architeuthis zu den Black and White Smokern abtauchen….“

      Meine Gedanken entführten mich und tauchten gleichfalls ab, tief hinab in die Vergangenheit meines Lebens und das meines Vaters, der als U-Boot Fahrer unter Karl Dönitz an der Schlacht im Nordatlantik teilnahm und im Namen und Auftrag eines Verbrechers und Massenmörders fremde Schiffe versenkte, die kriegswichtiges Material über die eisfreie Polarmeerroute nach Murmansk schippern sollten, zusammengestellt in großen Konvois, die zuweilen mehr als fünfzig Schiffe umfassten und spätestens seit Frühjahr - Sommer Neunzehnhundertdreiundvierzig für deutsche U-Boote zum Sargnagel jedweder Über- oder Unterwassertätigkeit führen konnten. Der Begleitschutz der Konvois zum einen und die Luftüberwachung des Weißen Flecks Nordatlantik zum anderen machten selbst die bislang erfolgreiche Rudeltaktik zu einem Todeskommando, was die Verlustzahlen nachhaltig bewiesen, und was letztlich zum Abbruch der U-Bootschlacht im Nordatlantik führte, wollte Dönitz nicht die totale Vernichtung der deutschen U-Bootwaffe riskieren. Über wie viele versenkte deutsche U-Boote mögen wir bis zum Erreichen von Lokis Schloss fahren, über wie viele versenkte Handels- und Kriegsschiffe mit Zehntausenden Sailors an Bord, für die es in diesen Gewässern keine Hoffnung auf Überleben gab, was zum einen an der Unmöglichkeit einer planmäßigen Rettung lag, zum anderen an den eisigen Temperaturen des Wassers, das einen menschlichen Körper bereits nach vier bis sechs Minuten in den Erstarrungszustand überführte, aus dem es keine Rückkehr in einen Normalzyklus gab, sollte keine Soforthilfe geleistet werden, was unter den damaligen herrschenden gnadenlosen kriegerischen Bedingungen unmöglich und mit einem Selbstmord gleichzusetzen war. Die Schlacht im Nordatlantik