Oft favorisieren Weibchen männliche Tiere mit auffälligen, teils hinderlichen Ornamenten: die Rothirschbullen mit ihren riesigen Geweihschaufeln, die Löwen mit ihren mächtigen Mähnen, die Buckelzirpen, die bizarre Rückenschilder ausbilden.
Für viele Männchen ist ihre Pracht und Werbekunst nicht ungefährlich: Hahnschweif-Widafinken etwa bilden in Balzzeiten derart lange Schwanzfedern aus, dass sie in ihrem Flug stark behindert sind und ihren Fressfeinden kaum entkommen.
Den bei ihrer Paarung bunt leuchtenden Buntbarsch-Männchen lauern Fischreiher auf und können sie so viel leichter erlegen. Und unter Virginia-Leuchtkäfern, die einander bei der Balz bestimmte Blinksignale zusenden, gibt es räuberische Arten, welche die Blinkmorsezeichen perfekt imitieren, auf diese Weise die Leuchtkäfer anlocken und sie dann verspeisen.
Erst 1975 formulierten die israelischen Biologen Amotz und Avishag Zahavi eine Erklärung für dieses den Regeln der Evolution scheinbar widersprechende Phänomen: die Handicap-Theorie.
Demnach kann sich nur ein besonders fittes Männchen das Risiko eines hervorstechenden Ornaments leisten.
Das Schmuckelement, sagen die beiden Forscher, zeige dem Weibchen, dass es ein vor Gesundheit strotzendes Männchen vor sich hat.
Gefiederschmuck und Farbenpracht etwa signalisieren große Widerstandsfähigkeit gegenüber Parasiten. So leuchtet der Kamm des Hahns rot, weil er gut durchblutet ist; nur bei kranken Tieren ist er blass und bläulich.
Beim Menschen – wie bei Mäusen – ist zudem für die Partnerwahl der Körpergeruch ausschlaggebend. Er gibt Auskunft über die Zusammensetzung des Immunsystems und kann vom Gegenüber unbewusst entschlüsselt werden.
Auch ein symmetrischer Körperbau deutet auf ein starkes Abwehrsystem hin – und hat sich vermutlich deshalb zum Schönheitsideal entwickelt.
Statistische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Mensch für bestimmte Zahlenverhältnisse empfänglich ist. Männer bevorzugen Frauen, deren Hüfte etwa ein Drittel mehr Umfang aufweist als die Taille. Die Fettverteilung an diesen Körperpartien hängt mit der Menge des weiblichen Sexualhormons Östrogen zusammen und ist ein Zeichen für Fruchtbarkeit.
Frauen dagegen – so besagen ebenfalls Statistiken – favorisieren bei der Partnerwahl breitschultrige Männer mit gut ausgebildeter Muskulatur, die in der Pubertät unter dem Einfluss von Testosteron wächst.
So steuern den Menschen bei der Partnerwahl auch biologische Programme, die er zusammen mit der Sexualität von seinen archaischen Vorfahren geerbt hat.
Gleichwohl verharrte Homo sapiens nicht auf der urtümlichen Stufe der Instinkte. Neben seiner biologischen „ersten“ Natur, argumentieren Verhaltensforscher, habe der Mensch im Laufe der Zeit eine „zweite“, kulturelle Natur entwickelt. Sie leitet ihn ebenso wie seine genetische Mitgift.
Heute lässt sich nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob ein bestimmtes Sexualverhalten ausschließlich biologische Wurzeln hat oder erlernt ist.
Schon die Bonobo-Affen setzen Sexualität nicht nur zur Fortpflanzung ein, sondern auch, um an Speisen zu gelangen oder Spannungen in der Gruppe abzubauen.
Der Mensch wiederum hat die Sexualität weit über den reinen Zweck der Vermehrung gehoben – was allein schon daran zu erkennen ist, dass unzählige Spielarten der Begierde und Lust das Zusammenleben in sämtlichen Kulturen bestimmen.
Er ist vermutlich sogar die einzige Spezies, die Sex und Vermehrung vollständig zu entkoppeln vermag – rund anderthalb Milliarden Jahre nach der ersten sexuellen Zellverschmelzung.
Aus Sicht der Evolution ist dies freilich eine unvorhergesehene Wendung: Die Fortpflanzung ist damit nur noch ein Beiwerk der Sexualität.
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