Außerdem offenbarte sie den Kindern ein dreiteiliges Geheimnis. Der dritte Teil wurde erst im Jahr 2000 von Papst Johannes Paul II. veröffentlicht. Die Kinder hatten zunächst eine Höllenvision, dann prophezeite Maria einen großen Krieg, sofern keine „Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen“ begründet und Russland bekehrt würde. In der Tat brach im erwähnten Zeitraum der Zweite Weltkrieg aus. Im dritten Teil des Geheimnisses sahen die Kinder, wie der Papst durch eine zerstörte Stadt ging und versuchte, die Seelen der Getöteten zu retten. Am Ende wurde auch er, wie viele andere Kirchenleute, umgebracht. Papst Johannes Paul II. und Schwester Lucia, die dann als Nonne in einem Kloster lebte, deuteten die Vision als den Kampf des atheistischen Kommunismus gegen die Kirche, der dritte Teil soll sich auf das Papstattentat 1981 beziehen.
Zumindest für das „Sonnenwunder“ gibt es eine naturwissenschaftliche Erklärung, die der Wissenschaftsjournalist Bernd Harder erläutert: „Wegen der auch durch Dunst noch enormen Helligkeit der Sonnenscheibe versucht das Auge, ihr ständig auszuweichen. Dadurch scheint sich die Sonne zu bewegen. Das Sonnenwunder ist also nichts anderes als ein autokinetischer Effekt, der durch die Augenbewegungen entsteht. Der Farbwechsel der Umgebung ist auf den Nachbild-Farbumkehr-Effekt zurückzuführen. Die Umgebung nimmt die Farbe der Sonne im Nachbild an.“
Für die Marienerscheinungen an sich gibt es eine Erklärung aus dem Bereich der Psychologie: Einige Menschen verfügen über eine „eidetische Veranlagung“. Das bedeutet, dass sie innere Bilder in der Außenwelt sehen. Bernd Harder: „Eidetische Bilder brechen aus dem Unterbewusstsein hervor und lassen wegen ihrer Spontaneität und Kraft den Eindruck eines Eingreifens von außen entstehen.“ Der Psychiater Volker Faust erklärt Visionen als „szenisch ausgestaltete optische Halluzinationen“.
Als krankhafter Zustand kommen sie selten vor, häufiger hingegen während religiöser Ekstase oder bei der Meditation. Letztlich kann man nicht sagen, ob es sich bei einer „Erscheinung“ um ein übernatürliches Phänomen handelt. Selbst wenn sie übernatürlicher Herkunft sein sollte, ist nicht sicher, dass sie von Gott kommt. Der italienische Bischof und ehemalige Exorzist Andrea Gemma hat zum Beispiel die anfangs erwähnten Ereignisse in Medjugorje, das heute zu Bosnien-Herzegowina gehört, scharf verurteilt: Sie seien „vom Teufel“, und alles drehe sich nur ums Geld.
Die Kirche selbst hält sich in den meisten Fällen bedeckt: Marienerscheinungen gehören für sie zu den „Privatoffenbarungen“. Nach der katholischen Lehre ist Gottes Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels zu einem Ende gekommen. Nur sehr wenige Botschaften wurden von der Kirche anerkannt. Bedingung ist: Der Inhalt der Botschaft darf der Bibel nicht widersprechen und es müssen gute Gründe vorliegen, die Erscheinung zum Gegenstand eines Kultes werden zu lassen. Vorher werden die „Seher“ und die Umstände der Erscheinung geprüft. Für Medjugorje lautet das offizielle Statement des Vatikans: „Es steht nicht fest, ob es sich um Übernatürliches handelt.“
Die Marienerscheinungen, die 1981 dort im damals kommunistischen Jugoslawien begannen, sind jedoch politisch interessant. Mönche des Franziskanerordens, die sich während der jahrhundertelangen osmanischen Herrschaft um die geistigen Bedürfnisse der Katholiken gekümmert hatten, wurden seit 1881 durch vom Vatikan gesandte Geistliche unterstützt und zum Teil ersetzt. Damit war die Bevölkerung nicht einverstanden. Der Konflikt zog sich über ein Jahrhundert hin.
Die franziskanischen Priester in Medjugorje versuchten gerade, die charismatische Richtung des Katholizismus zu stärken, als in der 4300-Seelen-Gemeinde einer Gruppe von Jugendlichen die Jungfrau Maria erschienen sein soll. Der damalige Priester verlegte die „Erscheinungen“ in die örtliche Kirche, um mehr Kontrolle darüber zu haben. Die Gemeinde erblühte. Der Pilgertourismus nahm zu, sodass viele in der Region davon leben können. Selbst der Balkankrieg in den 1990er-Jahren hat Maria nicht verschreckt. Mittlerweile gibt es zwar keine täglichen Botschaften mehr, dafür treten die „Erscheinungen“ aber ortsungebunden auf.
Die für die ganze Welt bestimmten Botschaften werden von der „Seherin“ Marija Pavlovic-Lunetti am 25. jeden Monats aus Italien übermittelt, wo sie mit ihrem Mann und vier Kindern lebt. Nachzulesen sind sie auch im Internet. Die Botschaft vom 25. Juli 2008 lautet zum Beispiel: „Liebe Kinder! In dieser Zeit, wo ihr an die körperliche Erholung denkt, rufe ich euch zur Bekehrung auf. Betet und arbeitet so, dass euer Herz sich nach Gott dem Schöpfer sehne, der die wahre Erholung eurer Seele und eures Körpers ist. Er möge euch Sein Angesicht offenbaren, und Er möge euch Seinen Frieden geben.“
Obwohl die Worte Marias auch von einem ganz normalen Pfarrer in der Sonntagspredigt verkündet werden könnten, kommen jährlich mehr als eine Million Pilger nach Medjugorje. Sie berichten von tiefen Bekehrungen und Heilungen von seelischen Verletzungen.
Was an diesen Erscheinungen Wahres dran ist, muss wohl jeder für sich entscheiden. Maria, die Mutter von Jesus, hat sich stets im Hintergrund gehalten. Kann sie wirklich wollen, dass „Tempel“ zu ihrer Ehre errichtet werden? So einfach lassen sich die „Wunder“ manchmal erklären, man braucht nur dazu die Wissenschaft oder hilft selbst etwas nach. Wie auch beim nächsten „Wunder“ von der weinenden Maria.
„Papa, die Madonna weint Blut!“, rief die fünf jährige Jessica am Abend des 2. Februar 1995. Und Fabio Gregori, ein Angestellter aus Civitavecchia, stellte fest, dass seine Tochter nicht log: Auf den Augen der rund 40 Zentimeter hohen Statue bildeten sich Blutstropfen - und liefen ihr übers Gesicht. "Die Madonna weint, weil sie getröstet werden will“, soll Papst Johannes Paul II. erklärt haben, als er von dem Wunder - 60 Kilometer vor den Toren des Vatikans - hörte.
Der Staatsanwalt des Städtchens reagierte kritischer: Er ließ die Terracotta-Statue beschlagnahmen und im rechtsmedizinischen Labor untersuchen. Und siehe da: Es war echtes Blut - von einem Mann! Hatte sich Fabio aus Versehen verletzt? War sein Blut getropft? Einen DNA-Vergleichstest verweigerte er. Die Erklärungen für vermeintlich übernatürliche Marientränen sind vielfältig:
Manchmal halten Gläubige optische Täuschungen, flackerndes Kerzenlicht auf glänzenden Lasuren, für glitzernde Tränen. In den Niederlanden waren die Bluttränen das Harz, das als Klebstoff für die Kunstaugen diente und in der Sonne schmolz. Tränen auf Heiligenbildern entstehen durch Kondenswasser, manchmal kommen sie durch undichte Dächer oder Mauern - die meisten sind jedoch einfach nur Betrug. In Kanada brachte ein Mann sein mit Schweineschmalz vermischtes Blut an einer Marienstatue an, die kräftig weinte, wenn der Raum geheizt wurde. Der italienische Chemiker Luigi Garlaschelli von der Universität Pavia hat das Phänomen der weinenden Madonna nachgestellt: Man nehme eine hohle Statue aus porösem Material wie Gips oder Keramik, glasiere sie mit einer undurchlässigen Beschichtung, fülle dann (heimlich) die Statue mit Flüssigkeit und schabe (wieder heimlich) um die Augen etwas Glasur ab. Hat sich das poröse Material mit der Flüssigkeit vollgesogen, treten an gewünschter Stelle tränenartige Tropfen aus. Der Trick dabei: Ist der Hohlraum hinter den Augen klein genug, lassen sich kaum Spuren finden, wenn die ganze Flüssigkeit ausgetreten ist.
Auf wundersame Weise rollen Tränen von einigen Marienbildern herab. Was steckt hinter diesem Phänomen?
Das Rätsel um die Wundmale Christi
Unter dem Titel „Vier Jahre Nulldiät“ beschreibt ein Artikel des Wochenmagazins „Der Spiegel“ im Juli 2008 ein mittelalterlich anmutendes Szenario: Es handelt sich um den Fall einer Berliner Architektin, die in der Karwoche 2004 die Wundmale Christi empfangen haben will. Eine Anhängerin der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners, die im Namen Jesu aus Händen und Füßen blutet und seit ihrer Verwandlung angeblich keinen Bissen mehr gegessen hat. Eine weltgewandte Frau Anfang dreißig, die von sonderbaren Sinneswahrnehmungen und visionären Zeitreisen auf den Berg Golgatha berichtet.
Der Fall der blutenden Steiner-Jüngerin aus jüdischer Familie