Gottvater: Dem Alten Testament zufolge gibt es nur noch einen Gott, der die Welt und die Menschen wie ein Handwerker nach seinem Bilde schuf und diesen dann Leben einhauchte. Das Bild zeigt „Die Erschaffung Adams“ (1511/12) von Michelangelo Buonarroti - Ausschnitt aus einem Deckenfresko in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan
„Die Wissenschaft hat den Menschen vom Gefühl der Angst und des Ausgeliefertseins befreit, und der Glaube an etwas Höheres scheint für viele in Mitteleuropa erloschen zu sein (...}. Religion und die Hinwendung zu Gott beschränken sich somit (...) auf Grenzsituationen des menschlichen Daseins, auf Situationen von unheilbarer Krankheit. Todesnähe oder Tod sowie auf Naturkatastrophen, schwere Unfälle oder Verbrechen, die den Menschen die Sprache verschlagen. In solchen Fällen bieten oft Religionen ihre Dienste an.“
Mittlerweile haben sich auch Hirnforscher der Sache angenommen: Vielleicht kann man ja eine biologische Erklärung für das Phänomen „Glauben“ finden. Der gebürtige Inder und Neurologe Vilayanur Ramachandran, der an der University of California lehrt, ist sicher, ein „Gottesmodul“ im menschlichen Gehirn gefunden zu haben. Beim Meditieren, das scheint erwiesen, werden bestimmte Bereiche der Schläfenlappen im Gehirn stärker als üblich aktiviert. Das Überraschende: Die Wissenschaftler stellten diese Hyperaktivität sowohl bei buddhistischen Mönchen als auch bei katholischen Nonnen fest, wenn sie meditierten oder beteten.
Ramachandran hat auch herausgefunden, dass in Momenten der Meditation oder des intensiven Betens die Gehirnfunktionen jenen ähneln, die ein Epileptiker bei einem Anfall hat. Viele derart Erkrankte sprechen von “Visionen“ die sie „gesehen“ und empfunden haben. Dies wäre auch eine Erklärung dafür, warum manchen Gläubigen die Muttergottes erschienen ist oder Heilige zu ihnen gesprochen haben. Und wenn jemand „im Gebet versunken“ ist so befindet er sich wohl in einem tranceähnlichen Zustand.
Martin Urban legt die Erkenntnisse der Forscher so aus: „Unser Weltbild hat also sehr viel mit den natürlichen Funktionen unseres Gehirns .zu tun. Denn im Menschen ist beides angelegt, sowohl das Bedürfnis zu beobachten als auch das Bedürfnis zu interpretieren. Beides gilt sowohl für den Blick nach außen wie für den nach innen. Der Mensch will die Welt verstehen und sich selbst (...). Er sucht also Antworten auf die Frage nach dem Warum und damit nach dem Sinn seines Lebens.“
Lebenslust: In einem fantastischen Götterhimmel schwelgen die „obersten Zehntausend“ bei reichlich Speis und Trank in ihrem antiken Paradies. So stellte sich zumindest der Maler Giulio Romano um 1532 das "Bankett der Götter“ vor (Fresko im Palazzo del Te in Mantua). Für die alten Griechen hatten die Unsterblichen oft sehr menschliche Eigenschaften; sie konnten so zornig, eifersüchtig, missgünstig, aber auch liebend und mildtätig sein wie ihre sterblichen Spiegelbilder auf Erden. Die Götter wohnten auf dem Olymp und waren für Glück und Unglück der Menschen verantwortlich
Während bei Ägyptern, Griechen und Römern noch viele Götter für alles zuständig waren, was an guten wie schlechten Dingen passierte, ist es erstmals bei der Religion der Israeliten und später der Juden nur ein Gott. Diese Glaubensausrichtung geht auch auf das Christentum und den Islam über. Neu ist die „Erfindung“ der Israeliten allerdings nicht: In ihrer Religion finden sich Elemente, die wohl aus Ägypten und Persien stammen. Unter Pharao Echnaton (1353 - 1336 v.Chr.) entstand zum Beispiel am Nil ein kurzlebiger Ein-Licht-Gott-Kult, und in Persien predigte Zarathusura (um 630 – 553 v. Chr.) eine stark monotheistisch geprägte Religion. Diese Ein-Goll-Religion mache das Glauben noch schwieriger, ja komplizierter. Der „Herr“, der nicht fassbar ist, macht Dinge, die gut, aber oft auch böse sind. Da er der einzige Gott ist, gibt es außer den Christen nur noch Heiden: der Islam unterscheidet zwischen Gläubigen und Ungläubigen. Noch heute meinen viele Christen, die Nicht-Christen bekehren zu müssen - wobei oft die indigene Kultur der „Heiden“ auf der Strecke bleibt.
Manchmal, so scheint es, kann man an Gott verzweifeln oder ihn in Frage stellen. Denn er verlangt viel von seinen Gläubigen. "Der Priester“, schrieb der Atheist und Philosoph Friedrich Nietzsche (1844 - 1900), „herrscht durch die Erfindung der Sünde.“
Dazu hat der Gott der katholischen Kirche ein Sündenregister parat:
Es gibt schwere Vergehen (Todsünde) und leichtere (lässliche Sünde). Bei den Ersteren droht dem Verstorbenen die Hölle, wo man, so die Vorstellung im Mittelalter, unsäglichen Qualen ausgesetzt ist. Die "lässlichen Sünden“ muss der Katholik im „Fegefeuer“ büßen. Ähnliches kennt auch der Protestantismus. Alle Sünden können aber schon im irdischen Leben vergeben werden - heute geschieht das durch die Beichte beim Geistlichen. Doch das war nicht immer so: Den Erlass der Sündenstrafen konnte der Sündige lange Zeit auch durch die Zahlung von Geld erlangen. Der besonders in der Renaissancezeit ausgeprägte Ablasshandel (zur Finanzierung des Neubaus der Peterskirche in Rom) führte letztlich zur Reformation.
Das Sündenverständnis hat auch mit Sexualität zu tun, glauben die Wissenschaftler herausgefunden zu haben. Dazu Martin Urban: „Das Christentum hat wie das Judentum (...) und der Islam die orientalisch-patriarchalische Gesellschaftsstruktur übernommen, und dies, obwohl es in der christlichen Urgemeinde zunächst anders aussah und Jesus selbst die Vorurteile seiner Zeit gegen Frauen nicht hegte. Das Herrschaftsinstrument „Sünde“, mit dem die Gläubigen in Angst gehalten werden sollen, wird deshalb in den monotheistischen Religionen bis heute vorzugsweise von Männern und auf die Sexualität bezogen definiert.“
Festzustellen bleibt, dass die katholische Kirche ein gestörtes Verhältnis zur Sexualität hat. Da gibt es einmal die Lehre von Maria, die als Jungfrau ihren Sohn empfangen und geboren hat. Das muss man als Katholik glauben, ob einem das als absurd erscheint oder nicht. 1854 legte dies Papst Pius IX. in einem Dogma fest. Dogmen sind in der katholischen Kirche unumstößliche Glaubensgrundsätze. 1870 beschloss derselbe Papst in einem weiteren Dogma die Unfehlbarkeit des Papstes, wenn er in höchster Lehrgewalt spricht und entscheidet.
Christophorus mit dem Jesuskind auf der Schulter ist der Schutzheilige der Reisenden (Mitteltafel eines Triptychons von Hans Memling, 1484). Die Heiligenverehrung ist im Volk beliebt
Und dann gibt es noch die Heiligen, die Mittler und Fürsprecher hei Gott sein sollen. Der Islam kennt Märtyrer, denen die Aufnahme in das Paradies garantiert ist. In der katholischen Religion gibt es lausende von Märtyrern, Heiligen und Seligen, sie alle hüben entweder Wunder vollbracht oder sich für ihren Glauben geopfert. Viele von ihnen sind für irdische Probleme zuständig: Christophorus beschützt die Reisenden und die Autofahrer, Florian soll Brandkatastrophen verhindern. Hubertus ist der Heilige der Jäger, und Nepomuk kümmert sich um die Brücken. Papst Johannes Paul II.
der medienbewusste Prediger aus Polen, hat allein in seiner Amtszeit 482 irdische Frauen und Männer zu Heiligen erhoben - so viele wie noch kein Pontifex vor ihm.
Wer einmal im bayerischen Wallfahrtsort Altötting gewesen ist und dort all die weggeworfenen Krücken, Prothesen und Votivtafeln bestaunt hat - auf Letzteren wird oft in einfacher, fast kindlicher Sprache beschrieben, wie sieh das „Wunder" der Heilung ereignete, kommt unweigerlich ins Grübeln. Warum lässt Gott Nebengeschäfte zu, bei denen geweihtes Wasser, Amulette und Muttergottesfiguren an die Gläubigen verkauft werden und für einen guten Umsatz ähnlich dem Ablasshandel sorgen? Warum hat er seinen Sohn Jesus nicht erneut zum Ausmisten dieses Tempels geschickt?
Reliquien werden verehrt, Bruchstücke von Knochen oft, Fetzen von Tüchern, Teile von Holzkreuzen, an denen Märtyrer starben - gibt es also neben dem christlichen Gott noch andere Personen und Dinge, die man verehren kann? Götzen etwa im Sinne der Bibel?
Jungfrau Maria, der Heilige Geist, das Paradies, die Hölle, die Sünden, die Auferstehung, Heilige - der gläubige Katholik scheint viel Geisteskraft und Fantasie zu benötigen, um all das auf einen (irdischen) Nenner zu bringen. Glauben, ohne etwas beweisen zu können, ist das Grundprinzip der Ein-Gott-Religionen. Das ist wie mit dem „Urknall“,