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Not an Mann ging, zu unterstützen. Er sollte mir auf der Stelle forterzählen, aber er wollte nicht und sagte: »Wir haben ja dazu genug Zeit und Muße; mein Kopf ist zu sehr im Taumel.«

      Den Tag darauf bekamen wir Besuch; und wer war es? Es war der Bräutigam der Cäcilia mit ihren Brüdern, die ihm bis Verona entgegenritten, welcher ein kleines Geschäft abmachen wollte. Sie selbst war einigemal mit ihrer Mutter bei uns gewesen, und ich hatte nichts gemerkt: so sehr konnten sie sich verstellen. Er gestand mir zwar damals ein, der Schalk, daß sie die schönste weibliche Gestalt wäre, die er je gesehen hätte, was Gesicht und Wuchs und Hand und Fuß beträfe; wenn das Verborgne dem Äußerlichen gleichkäme, so wüßte er nicht, ob die griechische Venus zu Florenz noch das Wunder bliebe; und bedaurte, daß so etwas ungenutzt für die Kunst vergehen sollte. Allein eben am Verborgnen habe Phryne so sehr die andern Mädchen übertroffen; vollkommne Bildung an diesen Teilen, der Reife nahe, ohne Überfluß und Magerkeit, die zarten häufigen und doch festen Schwingungen des Lebens in den reinsten Formen mit aller reizenden Mannigfaltigkeit zur größten harmonischen Einheit durch keine Kleidung und Stubenluft verdorben, immer in gehöriger Munterkeit und Bewegung erhalten, von hohem und heiligem und wollüstigem Geist beseelt, ein wenig Überfülle, wo sie sein müsse, üppige sanfte Wölbung und wieder straffer Umriß sei äußerst selten und ein Wunder in der Natur, und man könn es immer, wenn man es fände, als das Allergöttlichste auf diesem Erdenrund betrachten. Es fiel mir nun freilich ein, daß sie höher glühte, wenn er von fern im Schatten die Laute spielte oder mit seiner verführerischen Stimme zur Zithar sang; und sie selbst war es, was er bei mir schilderte.

      Ihr jüngster Bruder – sie war das letzte Kind – konnt ihn gleichwohl leiden. Sie besahen sein Gemälde und machten ihm darüber große Lobsprüche; nur der Bräutigam, eine kalte Staatsperücke von widrigem Gesichte, tadelte ihm einiges ohne rechten Verstand, um nach dem gewöhnlichen Kniffe der Großen sich damit ein Ansehen zu geben, welches Ardinghello jedoch gefällig aufnahm, indem er sich damit entschuldigte, daß die Malerei sehr schwer und selten einer in allen Teilen nur erträglich wäre; und rühmte dabei seine große Einsicht. Dies gefiel ihm denn; und er fragte ihn wie einen jungen Malergesellen, ob er ihn und seine Braut abkonterfeien wolle. Ardinghello verbeugte sich und erwiderte, daß ihm dies großen Ruhm zuwege bringen würde, wenn es nach Wunsch gelänge. Jener beschloß, ihn abrufen zu lassen, sobald es sich schickte. Darauf ritten sie fort, nachdem sie ohngefähr ein paar Stunden angehalten hatten.

      Den Abend blieben wir bei meiner Mutter. Sie freute sich über den Beifall für sein Gemälde und daß er durch diese Gelegenheit, besonders wenn noch die Porträte gefielen, in dem neuen Palaste des Bräutigams viel Arbeit bekommen könne. Geld sei da genug; und dies brauchten die Maler. Die gute Frau war fern, etwas weiter zu mutmaßen; aber Ardinghello stellte sich auch so fromm an. Wir mußten bis spät in die Nacht bei ihr aushalten; und er erzählte, um die Zeit auszufüllen, einige rührende Märchen.

      Wir machten noch vor Schlafengehen aus, den andern Morgen auf dem See ins Gebirg hinein zu schiffen und zum Mittagsmahl das Gehörige mitzunehmen; ich brannte vor Verlangen, mehr und alles von ihm zu erfahren.

      Die Vögel begrüßten vielstimmend den neuen Tag. Die Sonne kam herauf im herrlichen Lichtkreis am Ende der Bergstrecke des Monte Baldo und schritt kühn übers Gebirg bei Verona im gelben Feuer; die Stirn, womit sie sich emporwarf, war Majestät, die der Blick nicht aushielt; und je voller sie hereintrat: desto öfter mußte sich das geblendete Auge von dem göttlichen Glanze wegwenden, der doch so entzückend nach der blinden Dunkelheit war, daß es immer durstiger sich in den köstlichen Strahlen berauschte.

      Breit lag der See da im Morgenduft und die Hügel im dünnen Nebel; ein leises Wehen in der Mitte kräuselte die Wellen und weckte seine Schönheit wie auf und machte sie lebendig. Die Häuserchen zwischen den Bäumen am Ufer schienen allein zu schlummern mit ihrer Unbeweglichkeit und weil die Menschen noch nicht heraus waren.

      Unser Nachen wallte leicht mit voll geschwelltem Segel über die nassen Pfade.

      Es war ein heiter Wetter zu Anfang Oktobers und einer meiner unvergeßlichen Tage. Sirmio lag lieblich da in Strahlen und sonnte sich; und die unabsehliche Kette der Felsen dahinter, wie eine neue Welt, als ob sie bestimmt wäre, lauter Titanen zu tragen. Süßer rötlichter Dunst bekleidete glänzend den östlichen Himmel, und die wollichten Wölkchen schwebten still um den lichten Raum des Äthers, worin entzückt in hohen Flügen die Alpenadler hingen.

      Der See ist würklich einer der schönsten, die ich gesehen habe, so reizend sind dessen Ufer und zugleich majestätisch und wild, mit soviel Abwechslung von Lokalfarben; und Licht und Schatten macht immer neue Szenen. Die Halbinsel Sirmio liegt in der Tat da wie der Sitz einer Kalypso, um von da aus das Land zu beherrschen, und hat das prächtige Theater von ungeheuren Gebirgen vor sich.

      Wir kamen bei guter Zeit am bestimmten Ort an und machten uns noch in der Kühle den Berg hinauf. Als wir die erste Anhöhe erstiegen hatten, lagerten wir uns in dem Wäldchen von Kastanien unten an den Quell der mit Efeu bekleideten Felsenwand ins weiche Gras, von hohen dunkeln Eichen und Buchen hier umschattet, nachdem wir erst unsre Weinflaschen an den frischesten Platz gestellt, gerade wo der Sprung hervorstrudelte. Dem Schiffer sagten wir, er sollte vor Sonnenuntergang uns wieder abholen; und so blieben wir allein.

      Wir ruhten vom Aufsteigen aus und streckten uns die Länge lang auf die bequemsten Fleckchen; noch niedrig beim Aufgehen hatte schon die Sonne durch die Stämme den Tau weggeküßt, und es war nun alles trocken. Wir genossen vom neuen das Labsal des letzten Schlummers, als wir so früh aus den Betten mußten: und die einzelnen Lichtstrahlen zitterten süß von oben schräg durch die bewegten Zweige auf unsre Augenlider und schimmerten in die Dämmerung. »O Sonn und Erde«, rief endlich Ardinghello, »wie gut macht ihr's euern Kindern, wenn sie sich selbst das Leben nicht verbitterten!« und sprang auf. Auch ich rastete nicht länger: der frische Duft der fortrieselnden Quelle machte den ganzen Körper doppelt rege.

      Ich nahm ihn in Arm und ging mit ihm auf und nieder durch die Bäume und sagte: »Das ist doch nicht fein, da wir so lange beisammen sind und ich dich liebe wie mein ander Ich, daß du mir noch nichts von deinen Lebensumständen bekannt gemacht hast und immer damit hinter dem Berge hieltest! Sooft die Rede auf deine Familie kam, bogst du davon aus, als ob du aus dem Kraute gewachsen wärest; was Cäcilien betrifft, laß ich's noch angehen, und deine Entschuldigung wäre bei jedem andern gut gewesen.«

      »Lieber!« versetzte er darauf, »mein Schutzgeist hat mich davon abgehalten. Ich glaube, daß jeder Mensch einen Dämon hat, der ihm sagt, was er tun soll, und daß Sokrates nicht einen allein hatte; wenn wir nur dessen Stimme hören und uns nicht übereilen wollten. In jedem Menschen wohnt ein Gott; und wer sein inner Gefühl geläutert hat, vernimmt ohne Wort und Zeichen dessen Orakelsprüche; er kennt seinen eignen höhern Ursprung, sein Gebiet über die Natur und ist nichts untertan.

      Ich stamme aus einem der guten Häuser von Florenz: mein Vater war Astorre Frescobaldi und meine Mutter Maria von der verfolgten Familie der Albizi! Beide sind nicht mehr, und ich bin allein noch übrig, ihr erstes und letztes Kind. Mein Vater entbrannte in Leidenschaft für Isabellen, die dritte Tochter des Cosmus, vermählt mit dem Römer Paul Orsini: und sie gab ihm leicht Gehör; er war noch jung, wohlgebildet und hatte tausend Reize, sie zu fesseln. Sie wurde gleichfalls gegen ihn entzündet; und in Abwesenheit ihres Mannes, der von ihr wie geschieden lebte und sich meistens zu Rom aufhielt, hatten sie erwünschte Gelegenheit, ihr Liebesspiel zu treiben. So gebar sie denn zwei Töchter, von welchen wenigstens die erste meine natürliche Schwester ist. Sie hat sich hernach vielen preisgegeben und mag wohl selbst nicht wissen, mit wem sie die übrigen Kinder erzeugte; jung und schön über alle Weiber, voll Witz und Geist und Leben, und so durch Erziehung gebildet, daß sie Spanisch, Französisch und sogar Lateinisch spricht, verschiedne Instrumente spielt, wie eine Sirene singt, und Verse macht, oft aus dem Stegreif, herrschte sie am Hofe wie eine Göttin und tat, was sie wollte. Noch jetzt übt sie Gewalt aus, obgleich der Zepter ihres Vaters ihr nun entwandt ist.7 Ihre Liebhaber verfolgten sich einer den andern, und wie Sonne strahlte die Mutwillige, ungestört vom Krieg der Elemente um sie herum; immer mit neuen Vergnügungen beschäftigt, ließ sie ihre Geliebtesten im Elend verderben und machte sich darüber keine Sorge. Ein göttlich schönes Ding bloß für die Gegenwart! ein Feuer, das alles aufzehrt,