Der Vesuv ist davon in seiner einfachsten, allergrößten und furchtbarsten Gestalt zu sehen, so stolz und erhaben, daß die höchsten Alpen davor verschwinden. Er sieht aus wie ein Wesen, das sich selbst gemacht hat, alles andre ist wie Kot dagegen, und der Dampf aus seinem offnen Rachen ist im eigentlichsten Verstand entsetzlich schön. An keinem andern Orte möcht ich seine Feuerauswürfe betrachten; es muß ein wahres Bild rasender Hölle sein. Unten am Fuß sind die Menschen mit ihren Wohnungen wie unschuldige Lämmer, die er sich zur Beute herschleppte; und die alte Mutter, die See, zieht vergebens zärtlich rauschend heran, sie zu retten.
Ein entzückender Morgen, wie wir wieder Portici hinüber schifften! Ein leichter Nebel deckte dasselbe wie eine zarte Bettdecke. Auf dem Gewässer waren tausend Nachen, die unbesorgten Fische zu fangen, welche aus ihren Tiefen sich dem neuen Lichte näherten. Leis wallend, wie ein unermeßlicher Lebensquell, verlor sich das Meer in ein Chaosdunkel, woraus Capri kaum sichtbar in grauem Duft noch hervortrat. In blassem Purpur rötete sich auf den Apenninen der Himmel, und der Vulkan atmete schrecklich der Sonn entgegen in majestätischer Ruhe seinen schweren Dampf aus, der sich an den Seiten herabwälzt. Und nun steigt sie empor in Strahlenglut, vollkommen und unveränderlich, der Geist ihrer Welt, die alles mit Liebe faßt, und in ihrem Glanze spielen die Wellen.
Was mir übrigens an Neapel doch nicht gefällt, ist, daß man weder Sonne noch Mond und Morgen- und Abendstern im Meer auf- und untergehen sieht.
Nachschrift: Wir müssen fort, noch heute. Coimbra brennt in lichterlohen Flammen und drang gestern in einem herzbrechenden Briefe darauf, Fiordimona solle sie entführen. Candida schlich sich diese Nacht, aller feinen Wendungen überdrüssig, in mein Zimmer schier nackend und überraschte mich mit Fiordimonen, deren Geschlecht sie erkannte. Und Häl, der so treue, daß er selbst seinen Genuß bei dem Kammermädchen der Spanierin drangibt, verkündigt uns Mord und Tod und die ausgestellten Wachten und Posten des getäuschten Liebhabers.
Diesen letztern Brief erhielt ich erst zu Florenz von seiner Tante, einer jungen Witwe ohne Kinder, voll Geist und Anmut im Umgang und mannigfaltigen Reizen. Ardinghello war noch nicht wiedergekommen bei meiner Ankunft daselbst, und sie erteilte mir anfangs über sein Ausbleiben zweifelhafte Nachrichten von fürchterlichen Begebenheiten, die sich hernach nur zu gewiß bestätigten. Doch vorher etwas von mir und meiner Reisegesellschaft! Ich habe aus seinen Briefen alles weggelassen, was meine Angelegenheiten betraf, um die Geschichte nicht zu verwickeln und weitläuftig zu machen.
Auch ich stand auf dem Punkte, mich zu verheuraten, als meine Geliebte von der Seuche weggerafft wurde, die von Trient nach Verona und von da nach Venedig kam und sich hernach durch die Lombardei verbreitete. Ich folgte nun mit Begier der Einladung meines Freundes, um mich von den traurigen Gegenständen zu entfernen, und sagte davon Cäcilien.
Sie konnte gleich vor Ungeduld nicht bleiben, die Reise mitzumachen. Noch hatt ich ihr immer nicht entdeckt, daß ich alles von ihr und Ardinghellon wußte; ich scheute die Lage, in welche mich dies versetzen würde. Nur gab ich ihr zuweilen von ihm Nachricht, mit Verschweigung seiner Liebesgeschichten, und sie hatten sich auch einander selbst geschrieben, welche Briefe mir aber nicht in die Hände gekommen waren, so daß ich nicht wußte, was für Wendungen er bei ihr brauchte und wie sie zusammen standen. Ich mochte mich nicht mehr dreinmischen und einem Tauben predigen, ließ aber nun doch, gewissermaßen dazu genötigt, der Sache ihren baldigen Ausgang.
Cäcilia beredete gleich ihren Vater und ihre Mutter zu einer Wallfahrt nach Loretto. Von ihren Brüdern war einer zu Korfu, und der andre blieb zu Hause. Und so brachen wir denn in der Geschwindigkeit zusammen auf. Sie nahm ihr Söhnchen mit, einen kleinen Engel. Wie ein Vogel, der dem neuen Frühling zueilt, war alles an ihr.
»O unsern Ardinghello muß ich doch auch gleich sehen!« hieß es zu Florenz. Das Gerücht war schon in der Stadt, daß er einen jungen Anverwandten des Papsts ermordet und sich darauf aus dem Staube gemacht habe. Ich sagt es ihr geradezu, damit sie bei keinem andern durch ihre Leidenschaft Verdacht erregte. »O Gott!« war ihr Wort; und blaß wie eine Lilie und verstummend begab sie sich beiseite. Ihre Eltern befürchteten darauf, sie habe die Krankheit. Sie litt Todesqualen, als sie ferner erfuhr, die Tat sei um Mitternacht vor dem Palaste der Fiordimona geschehen. Die Unglückliche liebte ihn wahrhaftig, und von Grund der Seele.
Sonderbarerweise hielt sich in demselben Gasthofe Fulvia mit ihrem Gemahl auf; sie hatten Genua wegen der bürgerlichen Unruhen verlassen, worin schon verschiedne Edle dort ihr Leben einbüßten. Ein allgemeines Strafgericht schien wirklich über Italien nach dem Ausspruch der Gottesgelehrten wegen seiner Sünden und Bosheiten verhängt. Auch sie führte ihr Söhnchen, das sie aus voller mütterlichen Liebe selbst säugte, bei sich. Eine wahrhafte Bacchantinfigur, wie von einem griechischen Basrelief oder einer alten Gemme weg ins wirkliche Leben gezaubert! Die Glut schlug aus ihren schwarzen Augen, und ihre Lippen schienen berauscht zu dürsten. Auch sie mußte das Gerücht von Ardinghellon erfahren haben. Doch lief dabei noch ein andres herum: der Kardinal, Bruder des Großherzogs, habe den Anverwandten des Papsts ermordet, und nicht Ardinghello. Dieser sei entwichen, vermutlich, um nicht in Verhaft genommen zu werden und die Schuld für den mächtigen Kardinal zu büßen. So schwebten wir zwischen Furcht und Hoffnung.
Fulvia machte sich nach Rom auf, obgleich vor kurzem erst aus dem Kindbette und von der von Genua nach Florenz gemachten Reise ermüdet, und wir bald ihr nach, um an die Quelle zu gelangen. Ich ging gleich zu Demetrin, welcher von nichts weiter etwas wissen wollte, als was jedermann sagte, ob ich ihm gleich meine Freundschaft mit Ardinghellon aus deutlichen Proben anzeigte. So schlau und sicher betrug er sich. Auch glaub ich, daß Ardinghellos Tante der ganzen Begebenheit kundig war; aber beide liebten ihn schier wie sich selbst, und bei solchen Gefahren kann man nicht genug behutsam sein.
In Rom erfuhren wir noch, daß der Kardinal sich dieselbe Nacht, wo der Anverwandte des Papsts sei ermordet worden, die Hände und Arme von zwei der geschicktesten Chirurgen habe verbinden lassen, die ihm mit starken Wunden wären verhauen gewesen. Tags darauf hab er und Fiordimona Wache vor ihre Zimmer bekommen, seien aber bald wieder davon befreit worden; nur hätte der Papst ohne weitere Untersuchung Fiordimonen von Rom verbannt und auf ihre Güter verwiesen. Die Sache läge so vertuscht, und man laure Ardinghellon doch als dem Täter auf und habe Kundschafter allerorten nach ihm ausgesandt.
Gewissere Nachricht konnten wir nicht erhalten. Wir reisten von Rom ab nach Loretto und hielten uns Sommer und Herbst in den Gebirgen des Apennin auf; Cäcilia und ich mit tiefer Trauer in der Seele, daß der Kardinal unsern Liebling heimlich möchte aus dem Wege geräumt haben. Nach und nach wurden wir vertrauter über diesen Punkt; sie gestand mir endlich von selbst ihre Leidenschaft und faßte Mut auf meine tiefe Treue, weinte wie ein Kind über ihre unseligen Schicksale und daß sie endlich hatte, wo sie ihr angeschwollnes Herz erleichtern konnte. So umschlang uns beide das Band einer vertrauten und innigen Freundschaft.
Kapitel 46
Endlich im November erst empfing ich einen Brief von diesem, der schon im August geschrieben, aber von Demetri oder seiner Tante, denn von der letztern kam er zu mir, verspätet worden war. Mir dünkte, als ob ich von einem fürchterlichen Traum erwachte und den Glanz der Morgenröte schaute, als ich die Züge seiner Hand erblickte.
Brindisi, August.
Meine widerwärtigen Schicksale erheben mich mehr, als daß sie mich niederschlagen sollten; je stärker der Widerstand, desto gedrungner und geschwellter regt sich alles in mir. Ich glaubte schon in Genuß und Ruhe zu sein, und jetzt erst beginnen meine Arbeiten. Ich seh in ein neues Leben hin, und das hohe Getümmel ergreift meine Sinnen. Gut, daß ich nicht wie ein Kind hineinkomme! Das Leben des Jünglings ist Liebe, das Leben