Die von uns beschriebenen Unternehmen (und noch zahlreiche weitere, auf die wir nicht eingehen) vollbrachten oft wahrhaft unglaubliche Dinge. Sie implementierten völlig neue Strategien, mit denen sie triumphierend aus finanziellen Krisen hervorgingen. In nur 90 Tagen vollzogen sie einen Wandel mit wirtschaftlichen Ergebnissen, die sie zuvor selbst innerhalb von ein oder zwei Jahren noch für unmöglich gehalten hätten – ganz zu schweigen von einem derart kurzen Zeitraum. Diese Unternehmen verbesserten das Engagement ihrer Mitarbeiter und diese Anstrengungen spiegeln sich nun in Auszeichnungen als »Bester Arbeitsplatz« wider. Große, ältere Unternehmen, die mit Innovation zu kämpfen hatten, entwickeln heute bemerkenswert erfolgreiche Innovationen an ihren Produkten, Arbeitsweisen und Strategien. Einigen gelang die intelligente und rasche Veränderung so gut, dass sich ihr Aktienkurs innerhalb von zwei bis drei Jahren, manchmal gar in noch kürzerer Zeit, verdoppelte oder verdreifachte.
Addiert man nun die Zahl der Menschen, auf die sich solche Anstrengungen auswirken, wächst sie sehr schnell. Derartige Verbesserungen bilden den Kern der Vision von Kotter International, die da lautet: »Millions leading, billions benefiting« (»Millionen führen, Milliarden profitieren«). Echte Resultate wie diese sind nicht das Produkt von einfacher Forschung, sondern von praktisch angewandter Forschung. Aus diesem Grund haben wir das Buch so aufgebaut, dass Sie es unmittelbar für spezifische Veränderungen nutzen können, die Sie vielleicht gerade durchmachen oder in Betracht ziehen.
Der Einsatz
In einer Welt, in der weiterhin mehrere Milliarden Menschen ein Leben führen, das sich nur wenige von uns überhaupt vorstellen wollen, in der wir zunehmenden Umweltproblemen gegenüberstehen, die unsere Kinder und Enkelkinder mit katastrophalen Folgen bedrohen, in der neue Technologien in den falschen Händen, oder für den falschen Zweck eingesetzt, schreckliche Auswirkungen hätten, in der sich Bakterien und Viren in enormer Geschwindigkeit ausbreiten können und in der die herrschende Ungleichheit ernsthaft an der Tauglichkeit der Demokratien zweifeln lässt, brauchen wir sehr viel mehr erstaunliche Veränderungen (und wir können sie auch erschaffen).
Erfahrungen, nach denen Menschen enttäuscht, pessimistisch oder gar zynisch zurückblieben, lassen diese Behauptung vielleicht fraglich erscheinen. Aber es gibt ausreichende Beweise in der Forschung, und hier vor allem in den Erfolgsgeschichten, die den Optimismus stützen.
Diese Beweise stammen aus Fällen, in denen mutige neue Strategien nicht nur teilweise, sondern vollständig in beschleunigten Zeitrahmen umgesetzt werden; bei denen eine digitale Transformation nicht disruptiv verläuft, kein Vermögen kostet und auch nicht ewig dauert; in denen Restrukturierungen große Effizienzen erzeugen, ohne die Produktivität, die Moral und die Innovation abzuwürgen; in denen bemerkenswert rasch und glatt durchgeführte Fusionen oder Übernahmen einen Zusammenprall der Kulturen und die damit verbundenen Probleme gar nicht erst aufkommen lassen und – vielleicht das Schwerste überhaupt – in denen echte, substanzielle Kulturveränderungen Unternehmen voranbringen, sodass sie in eine wesentlich bessere Zukunft vorstoßen können.
Eine Denkschule, die gemeinhin auf den großen Ökonomen Joseph Schumpeter zurückgeführt wird, legt nahe, dass es für das Problem der Veränderung eine bessere Lösung gibt als die, die wir hier anbieten. Schumpeters Lösung heißt »schöpferische Zerstörung«. Wenn eine Regierung beispielsweise größere und ältere Unternehmen nicht mehr schützte und stattdessen jungen Unternehmern Erleichterungen böte, würden die nicht zur Anpassung fähigen Dinosaurier aussterben und durch innovative Jungunternehmen ersetzt. Dann müssten wir die langsamen, wirklichkeitsfremden Unternehmen nicht mehr zur Agilität erziehen, sondern würden sie einfach zurücklassen, sobald sie nicht mehr Schritt halten können.
Selbstverständlich findet schöpferische Zerstörung auch in der heutigen Welt statt, jedoch nicht in ihrer reinen Form, die von einigen befürwortet wird. Diese Reinform ist unrealistisch, weil die Kapital- und Produktmärkte sich nur sehr schwer an eine solche konstante Dynamik aus Geburt und Sterben anpassen könnten – und die Arbeitsmärkte wahrscheinlich überhaupt nicht. Ihnen gelänge es sicherlich nicht, Massen von Arbeitslosen an andere Arbeitsplätze mit ganz neuen Aufgaben zu verschieben, die sehr unterschiedliche Fähigkeiten erfordern und zudem noch an anderen Orten des Landes oder der Welt angesiedelt sind. Wenn Arbeitslosigkeit über einen bestimmten Punkt hinaus immer weiter ansteigt, schafft sie nicht nur massives Leid für den Einzelnen und für Familien, sondern untergräbt auch den Glauben an den Kapitalismus und die Demokratie – vielleicht sogar den Glauben an jegliche Form der Regierung oder jegliches Wirtschaftssystem.
Die Uhr tickt. Die Kluft zwischen dem, was erforderlich ist, und dem, was die meisten Organisationen leisten können, wird immer breiter. Wenn sich eine Organisation, die bisher schlechte Leistungen erbrachte, zur Norm hin entwickelt, ist das selbstverständlich nützlich und wahrscheinlich profitieren auch viele Menschen davon. Aber eine Verbesserung von Note 4 oder 5 auf eine 2 reicht in unserer Welt nicht mehr aus. Gut ist heute nicht mehr gut genug. Für eine riesige Zahl von Unternehmen steht »gut« weiterhin für verschwendete Ressourcen, zu spät eintreffende Ergebnisse, unrealisierten Wohlstand und letztendlich Menschen, die leiden. Und auch ein Aufstieg von der Norm in die obersten zehn Prozent, der sich aber über einen Zeitraum von 20 Jahren hinzieht, ist keine Lösung. Zu vieles bewegt sich viel zu schnell, als dass wir heute noch in Zeiträumen von zwei Jahrzehnten denken könnten.
Mit Blick auf Veränderungen bedeutete Risikominderung bisher immer eine Neigung zur Vorsicht. Doch heute bedeutet eine Verringerung des Risikos immer öfter ein rasches Fortschreiten, damit einem möglichst keine Chance entgeht. In der heutigen Welt besteht das größte Risiko in der Unfähigkeit zu ausreichend schneller Anpassung. Ja, Sie sollten überlegt vorgehen und die neuesten Forschungsergebnisse als Richtschnur verwenden. Setzen Sie Erkenntnisse aus herausragenden Erfolgsstorys um. Lernen Sie von den Menschen, die an diesen Geschichten beteiligt waren. Aber machen Sie vorwärts.
Wir wollen Sie mit diesem Buch dazu animieren, sich auf Veränderungen einzulassen und »vorwärtszumachen«!
Warum auch nicht? In den weitaus meisten Fällen profitieren Menschen, die andere erfolgreich bei der Bewältigung von Veränderungen unterstützen, auch selbst sehr stark davon. Ihre Karriere verläuft nicht nur meistens erfolgreicher, sondern sie haben auch ein besseres Lebensgefühl. Sie erhalten nicht nur materiellen Lohn dafür, sondern auch Anerkennung und Respekt. Sie überleben nicht nur, sie entwickeln sich sehr positiv weiter. Und sie hinterlassen ein Erbe, auf das sie zutiefst stolz sind.
Die Herausforderungen, die vor den Unternehmen – und im weitesten Sinn vor der ganzen Menschheit – liegen, sind keineswegs gering. Wie die Coronaviruspandemie gezeigt hat, lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass unsere Anpassungs- und Reaktionsfähigkeit im Hinblick auf derartige Probleme nicht nur über unseren Wohlstand, sondern über unser Überleben entscheidet.
Wir brauchen so viel mehr – und, wie Sie in Kürze sehen werden, es ist mit einem besseren Verständnis einiger Kernbestandteile der menschlichen Natur, der Grenzen der modernen Organisationen und der Art von Führung, die in unserem Zeitalter nötig und möglich ist, auch sehr viel mehr möglich.
Notes
1 1 https://www.manager-magazin.de/unternehmen/autoindustrie/volkswagen-wortlaut-rede-herbert-diess-16-01-2020-radikal-umsteuern-a-1304169.html