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Die Abfrage von Risikoprofilen im Ermittlungsverfahren, bspw. im Kontext von Vertriebsunregelmäßigkeiten (vgl. Rn. 19), ist u.a. durch die Kombination der Indikatoren „Zahlungen an Lieferanten mit Sitz in Steueroasen“ und „abweichender Sitz des Unternehmens und Bankland“, für nahezu unbegrenzt große Datenvolumina in kürzester Zeit durchführbar.
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Das zu exportierende Datenvolumen kann sowohl zeitlich als auch inhaltlich eingegrenzt werden. Sollen bspw. aus datenschutzrechtlicher Sicht sensible Personalstammdaten mit Kreditorenstammdaten auf übereinstimmende Bankverbindungen untersucht werden, ist es leicht möglich, jeweils nur Datenfelder für Bankleitzahlen und Kontonummern zu exportieren. Ergibt sich ein konkreter Verdacht, können zur Wahrung berechtigter Interessen des Unternehmens die fehlenden Daten durch einen zweiten Export oder Abfrageroutinen in den IT-Systemen ermittelt werden. Durch diese zweistufige Vorgehensweise werden mögliche datenschutzrechtliche Konflikte vermieden.
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Über Schnittstellen zum Datenexport steuerrelevanter Daten auf Knopfdruck verfügen mittlerweile alle marktüblichen ERP-Systeme. Sollte eine solche Schnittstelle bei einem proprietären System nicht zur Verfügung stehen, bietet sich die Abfrage der Daten über sog. Queries (bspw. SQL) auf Datenbankebene an.
ee) Unternehmensexterne Daten
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Unternehmensexterne Daten umfassen sämtliche Informationen Dritter, zu denen Fakten oder auch wertende Informationen zählen können. Hierzu gehören zunächst die teilweise öffentlich zugänglichen Unternehmensinformationen in Verbindung mit Berichts- und Offenlegungspflichten von Unternehmen, die in in- und ausländischen Handels- und Unternehmensregistern sowie dem Elektronischen Bundesanzeiger in Deutschland veröffentlicht werden müssen.
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Weiterhin zu nennen sind Anfragen an professionelle Unternehmensdatenbanken wie bspw. Dun & Bradstreet,[11] Hoppenstedt[12] oder Creditreform[13] und spezialisierte Wirtschaftsdetekteien, die Auskünfte von Unternehmen in Dossiersform aufbereiten und selbst Besichtigungen und Researchmaßnahmen vor Ort, auch in den abgelegensten Steueroasen, vornehmen. Besonders effizient kann der Einsatz kostenpflichtiger Metasuchmaschinen wie bspw. „GENIOS“[14] sein, welche auf Wirtschaftsinformationen zahlreicher externer Datenbanken zugreift. Zu nennen sind ebenfalls spezialisierte Suchmaschinen wie „Wer liefert was?“[15].
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Ein weiteres Mittel ist die direkte Ansprache externer Unternehmensbeteiligter wie bspw. wesentlicher Kunden, Lieferanten oder sonstiger Vertragspartner. Die Einholung von Informationen externer Unternehmensbeteiligter ist, gerade in einem öffentlich bekannten Untersuchungsumfeld, eine höchst sensible, aber keine seltene Angelegenheit und kommt überall dort zur Anwendung, wo die Klärung zweifelhafter Sachverhalte nicht mehr allein aus dem Belegnachweis erfolgen kann. Die Beweisfunktion externer Informationen steht und fällt hierbei mit der Integrität der angesprochenen Gegenseite, insbesondere wenn im Extremfall dort selbst Hinweise für Gesetzesverstöße vermutet werden.
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Denkbar sind schriftliche positive oder negative Bestätigungen und offene Erklärungen sowie direkte Befragungen über geschäftliche Beziehungen. In praktizierten Ermittlungsfällen wurden u.a. schriftliche Bestätigungen über den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang eines ausländischen Firmengeflechts von einem maßgeblich beteiligten Lieferanten eingeholt. Weitere praktizierte Anfragen wurden bspw. bei der Aufklärung potentieller Scheingeschäfte oder der Konkretisierung von Leistungsgegenständen von Vertragspartnern vorgenommen.
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Inwieweit Informationen Dritter ungeprüft verwertet oder übernommen werden können, ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden. Gerade bei der Entfaltung wesentlicher Beweisfunktionen wird der Ermittler nicht umhin kommen, die Hauptannahmen und -aussagen mindestens zu plausibilisieren.
a) IT-gestützte Auswertung digitaler Daten
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Der Einsatz von IT-gestützten Analysewerkzeugen kann zu einem erheblichen Effizienz- und Effektivitätsgewinn bei der Datensammlung, -aufbereitung und -auswertung von Massendaten im Rahmen einer Ermittlung führen. Die als Analysewerkzeuge einzusetzenden Anwendungen reichen von einfachen Tabellenkalkulations- und Datenauswertungsprogrammen mit Basis-Analysefunktionen über speziell für die Massendatenanalyse strukturierter Daten entwickelter Softwarelösungen bis hin zu selbstlernenden Systemen.
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Die Analyse und Auswertung von Massendaten ist ein Hauptanwendungsbereich von Softwarelösungen wie bspw. „WinIdea“, „ACL“[16], „FTK“[17] oder „Nuix“[18].
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Die Verknüpfung von strukturierten Daten und unstrukturierten Inhalten, die manche Werkzeuge unterstützen, bietet dem Anwender die Möglichkeit grundverschiedene Informationsquellen integriert für die Analyse zu nutzen. Beispielsweise wäre die Suche nach einer personellen Identität in einem bestimmten Zeitintervall in Kombination mit handschriftlichen Notizen, E-Mails oder Telefonanrufen auf verschiedenen Datenträgern denkbar. Die Suchalgorithmen können hierbei bestimmte Zusammenhänge von Datensätzen aufzeigen, dokumentieren und den Analyseprozess entscheidend unterstützen.
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Im Idealfall zeigen die Prüfungsergebnisse gewisse Risikomuster auf, die als Benchmarks selbstlernender Analysetools dienen, durch statistische Auffälligkeiten kenntlich gemacht sowie weiterentwickelt werden und somit auch auf unbekannte Risikomuster angewendet werden können.
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Selbst Lösungen für den Fall, dass Informationen lediglich in Papierform oder in Form handschriftlicher Notizen zur Verfügung stehen, können von moderner Software geliefert werden. So können Scansysteme und professionelle OCR-Software eingesetzt werden, um Informationen zu digitalisieren, in verwertbare Formate zu konvertieren und somit elektronisch analysefähig zu machen.
b) WinIdea
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WinIdea ist eine speziell für die Massendatenanalyse entwickelte Softwarelösung und findet hier aufgrund ihrer Verbreitung am Markt Beachtung. Sie wird in Deutschland seit 2002 von der Finanzverwaltung mittlerweile nahezu flächendeckend bei steuerlichen Außenprüfungen eingesetzt. Dies hat zur Folge, dass die steuerrelevanten Daten aufgrund der gesetzlichen Vorschriften regelmäßig in einer für IDEA lesbaren Form in Unternehmen vorliegen und grds. unverzüglich übergeben werden können (Z3-Zugriff). Das Programm bietet neben der individuellen Programmierung von Prüf-Makros standardisierte Funktionalitäten wie bspw. den Chi-Quadrat-Test oder die Benford-Analyse. Die Nutzung von Suchalgorithmen ist abhängig von den Prüffeldern und der Aufgabenstellung im Rahmen der internen Ermittlungen. Als Indikatoren für Unregelmäßigkeiten können hier exemplarisch Bankkonten im Ausland (Bankland ungleich Sitzland, Bankland in Steuerparadies), hohe Barzahlungen, glatte Buchungsbeträge oder andere mathematisch-statistische Auffälligkeiten auf