2. Das Vorprüfverfahren (Phase I)
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Mit Eingang der vollständigen Anmeldung beginnt das sog. Vorprüfverfahren, in dem das Bundeskartellamt innerhalb eines Monats untersuchen muss, ob eine vertiefte Prüfung des Vorhabens im Hauptprüfverfahren erforderlich ist. Hält das Bundeskartellamt den Zusammenschluss für unbedenklich, so teilt es dies den Unternehmen durch ein nichtförmliches Schreiben ohne Begründung mit. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.[124] Bestehen allerdings Bedenken gegen den Zusammenschluss, leitet das Bundeskartellamt das Hauptprüfverfahren ein und teilt dies den betroffenen Unternehmen durch Verwaltungsmitteilung mit (sog. „Monatsbrief“). Die Mitteilung, die keiner Begründung bedarf und nicht anfechtbar ist, kann allerdings auch schon vor Ablauf der Monatsfrist erfolgen. Ergeht innerhalb der Monatsfrist überhaupt keine Entscheidung, gilt der Zusammenschluss als freigegeben. Eine Freigabe mit Bedingungen oder Auflagen sowie eine Untersagung sind im Vorprüfverfahren nicht möglich. Das Bundeskartellamt verfügt über weitreichende Ermittlungsbefugnisse und kann nicht nur von den beteiligten sondern auch von dritten Unternehmen umfangreiche Auskünfte über deren wirtschaftliche Verhältnisse verlangen (§ 59 Abs. 1 GWB). In der Praxis ist zu beobachten, dass das Bundeskartellamt von den Anmeldern zunehmend häufiger die Vorlage interner Unternehmensunterlagen, insbesondere Vorstands- und Aufsichtsratsvorlagen zu der Transaktion oder auch Marktstudien verlangt.
3. Das Hauptprüfverfahren (Phase II)
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Im Hauptprüfverfahren muss das Bundeskartellamt innerhalb von vier Monaten nach Eingang der Anmeldung durch Verfügung über den Zusammenschluss entscheiden (§ 40 Abs. 2 GWB). Die Frist verlängert sich um einen Monat, wenn ein anmeldendes Unternehmen dem Bundeskartellamt erstmals in einer Zusage Vorschläge für Bedingungen oder Auflagen unterbreitet (§ 40 Abs. 2 GWB). Haben die beteiligten Unternehmen ein Auskunftsverlangen nach § 59 GWB nicht rechtzeitig oder nicht vollständig beantwortet, wird die Frist solange gehemmt, bis die Auskunft auf erneute Anforderung vollständig erteilt worden ist. Die Frist kann zudem in bestimmten Fällen verlängert werden, insbesondere wenn die anmeldenden Unternehmen dem zugestimmt haben, was häufig in schwierigen Fällen erforderlich ist. Liegen die materiellen Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB vor, d.h. ist eine erhebliche Wettbewerbsbehinderung zu befürchten, muss das Bundeskartellamt den Zusammenschluss untersagen. Es handelt sich hierbei um eine gebundene Entscheidung bei der die Behörde kein Ermessen hat.
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Eine Untersagung kann durch eine Freigabe mit Bedingungen und Auflagen vermieden werden. Diese müssen darauf gerichtet sein, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Zusammenschlusses auf einzelnen Märkten zu beseitigen. Das frühere Verbot sog. Verhaltenszusagen wurde mit der 8. GWB-Novelle 2013 gelockert. Nunmehr kann das Bundeskartellamt neben strukturellen Zusagen (z.B. Entflechtungs- und Veräußerungszusagen) auch Verhaltenszusagen akzeptieren, wenn diese ebenso geeignet und wirksam sind wie Veräußerungszusagen, um das identifizierte Wettbewerbsproblem zu beseitigen.[125] Allerdings ist das Bundeskartellamt nur dann zur Annahme von Verhaltenszusagen verpflichtet, wenn es die Umsetzung der Zusagen auch effektiv kontrollieren kann, was bei einer laufenden Verhaltenskontrolle nicht der Fall ist. Das Bundeskartellamt kann allerdings nicht von sich aus Bedingungen und Auflagen anordnen, sondern diese müssen von den Beteiligten vorgeschlagen werden.
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Eine Freigabe im Hauptprüfverfahren kann entweder durch förmliche Verfügung erfolgen oder infolge der sog. Freigabefiktion, wenn das Bundeskartellamt den Beteiligten innerhalb der Vier-Monatsfrist keine Entscheidung zugestellt hat (§ 40 Abs. 2 S. 1 GWB). Alle Entscheidungen im Hauptprüfverfahren sind zu begründen und werden im Volltext (ohne Geschäftsgeheimnisse) auf der Internetseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht. Haben die beteiligten Unternehmen den Zusammenschluss nach der Freigabe vollzogen, so müssen sie dies dem Bundeskartellamt unverzüglich anzeigen (§ 39 Abs. 6 GWB).
4. Beteiligung Dritter/Beiladung
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Auf Antrag kann das Bundeskartellamt dritte Unternehmen, deren Interessen durch den Zusammenschluss erheblich berührt werden, also insbesondere Wettbewerber, Abnehmer oder Lieferanten, zum Verfahren beiladen (§ 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB). Beigeladene haben als Verfahrensbeteiligte ein Recht auf Akteneinsicht, können zum Verfahren Stellung nehmen und müssen vor Erlass einer Entscheidung gehört werden.
5. Ministererlaubnis
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Nach § 42 Abs. 1 GWB kann der Bundesminister für Wirtschaft und Energie einen vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss aus gesamtwirtschaftlichen Gründen auf Antrag der beteiligten Unternehmen erlauben. Der Antrag auf Erteilung der Erlaubnis muss innerhalb eines Monats ab Zustellung der Untersagungsverfügung bzw. nach Rechtskraft einer ablehnenden Beschwerdeentscheidung gestellt werden. Die Prüfung des Antrages soll dann innerhalb von vier Monaten abgeschlossen sein (§ 42 Abs. 4 GWB). Entscheidet der Minister nicht innerhalb des Soll-Zeitraumes von vier Monaten nach Antragstellung, hat er dies gegenüber dem Bundestag zu begründen. Ist nach sechs Monaten keine Entscheidung getroffen, gilt dies als Ablehnung. Die Frist kann auf Antrag um bis zu zwei Monate verlängert werden
Der Minister kann die Erlaubnis erteilen, wenn entweder die gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses die damit verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Er hat dabei, was dem Bundeskartellamt nicht möglich ist, auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten zu berücksichtigen. Die Erlaubnis kann mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden (§ 42 Abs. 2 GWB).[126] Gegen die Entscheidung des Ministers können die Unternehmen Beschwerde beim OLG Düsseldorf einlegen. Drittbeschwerden gegen eine erteilte Ministererlaubnis sind dagegen nur eingeschränkt möglich. Beschwerdebefugt ist nur noch derjenige, der geltend machen kann, in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 63 Abs. 2 S. 2 GWB). Die Betroffenheit allein wirtschaftlicher Interessen, die für eine Beiladung ausreicht, genügt also nicht mehr. Anträge auf Erteilung einer Ministererlaubnis sind selten. Bislang wurden erst 23 Anträge gestellt, von denen nur 10 erfolgreich beschieden wurden.
6. Vollzugsverbot
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Ein fusionskontrollpflichtiger Zusammenschluss darf auch nach seiner Anmeldung erst dann vollzogen werden, wenn er vom Bundeskartellamt freigegeben wurde oder er aufgrund Fristablaufs als freigegeben gilt (§ 41 Abs. 1 S. 1 GWB). Wird eine Freigabe unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt, endet das Vollzugsverbot erst mit Eintritt der Bedingung. Das Vollzugsverbot richtet sich gegen alle Maßnahmen, die den Zusammenschluss vollenden und damit vor allem gegen die (dinglichen) Erfüllungsgeschäfte. Unzulässig sind damit u.a. die Übertragung von Anteilen oder Vermögenswerten aber auch tatsächliche Handlungen die diese vorwegnehmen, wie etwa die Neubesetzung der Geschäftsführung oder des Vorstandes des Zielunternehmens, die Bindung bestimmter geschäftspolitischer Maßnahmen an die Zustimmung des Erwerbers, ein gemeinsamer Marktauftritt oder der Einsatz von Ressourcen des Erwerbers für das Zielunternehmen. Der Abschluss von Kaufverträgen über Anteile oder Vermögensgegenstände sowie der Abschluss von Gesellschaftsverträgen sind als den Zusammenschluss bloß vorbereitende Maßnahmen zulässig. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH soll allerdings nicht nur jede (teilweise) Verwirklichung eines Zusammenschlusses einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot begründen. Unzulässig sind auch Maßnahmen, durch die der Erwerber bereits Befugnisse erhält, die er nach dem beabsichtigten Zusammenschluss nur kraft seiner Position als Inhaber der Geschäftsanteile und Gesellschafterrechte ausüben könnte, sowie Maßnahmen, die die mit dem Zusammenschluss erstrebte Integration der beteiligten Unternehmen teilweise vorwegnehmen.[127] Danach verstößt beispielsweise die Begründung