Aufgrund dieses »digitalen Goldrausches« und der Zahl der Creators und Werbetreibenden, den er mit sich brachte, war YouTube nicht ausgestattet, auf diese Massen zu reagieren. An dieser Stelle kamen die Multi-Channel-Networks ins Spiel. MCNs boten sich als Vermittler für andere Beteiligte im YouTube-Ökosystem im Tausch gegen einen Teil vom Kuchen an. Sie halfen Creators und Unternehmen mit dem Publikumsaufbau, Produktionsmitteln und Markenchancen. Sie brachten Werbetreibende mit Kanälen zusammen, die am besten zu ihrem speziellen Produkt oder Service passten. Sie kümmerten sich um die Rechteverwaltung. Sie verschafften YouTube etwas Freiraum, sich um andere Dinge zu kümmern. MCNs hatten sowohl gute als auch schlechte Presse, aber sie haben in jedem Fall YouTubes Kopfschmerzen in jenen formgebenden Jahren des Ad Revenue Sharing gelindert.
Kürzlich traf ich Jim Louderback, CEO von VidCon und ehemaliger CEO des MCN-Unternehmens Revision 3, und sprach mit ihm über Multi-Channel-Networks auf meinem Podcast Creative Disruption. Er erläuterte, wie MCNs die frühen Jahre von YouTubes explodierenden Werbeeinnahmen bestimmt haben. Wir besprachen, inwiefern sie hilfreich waren, aber auch, welche Probleme sie verursacht haben. »Letzten Endes«, so sagte Jim, »haben viele MCNs nicht den Wert geliefert, den sie angeboten haben. Sie schafften zu viele Creators und Marken ran, die nicht mehr zu managen waren, und es gab nicht genug Einnahmen, um durchzustarten.«
Als YouTube sein Geschäft besser im Griff hatte, boten sie ihren eigenen Partnern Support, anstatt Creators an außenstehende MCNs zu verlieren. Im Jahr 2011 erwarb YouTube Next New Networks, ein Unternehmen, das viele von YouTubes frühen Creators gemanagt hatte. YouTube war bereit, die Kontrolle intern wieder zu übernehmen und das Geld wieder in die eigene Tasche zu stecken. Aus diesem und anderen Gründen – wie weniger Verträgen mit Creators und einer niedrigeren Gewinnspanne pro Aufruf – mussten MCNs in den letzten Jahren einen deutlichen Rückgang auf YouTube verzeichnen.
Ein sich entwickelndes, blühendes System
Wie du siehst, hat Ad Revenue Sharing das YouTube-Ökosystem komplett verändert. In jungen Jahren war YouTube ein gefährliches Terrain der Instabilität. Sie lernten auf die harte Tour, dass ihr Ökosystem ein heikler Balanceakt war – zwischen Urheberrechtsinhabern, Zuschauern, Partnern und Werbetreibenden. Es gab eine »Adpocalyse«, unzählige Probleme mit dem Algorithmus 2.0, Streitfragen im Zusammenhang mit FTC COPPA, der Vereinbarung mit der Federal Trade Commission (FTC) über den Schutz der Privatsphäre von Kindern im Internet (COPPA), der Adpocalypse 2.0 etc. YouTube hat gelernt, mit diesen Problemen umzugehen, und versucht, Veränderungen vorzunehmen, um die Masse zufriedenzustellen, aber es sind unaufhörliche Bemühungen vonnöten.
Wenn wir eine Kehrtwende zum Viewer machen, der ersten Komponente im Ökosystem, müssen wir berücksichtigen, wie sehr sich der Zuschauer verändert hat. YouTube wünscht sich zufriedene Viewer. Im Laufe der Zeit haben sie versucht, ihre Vorschlagsfunktion zu verändern, um herauszufinden, was der einzelne Zuschauer sehen wollen könnte. Sie wissen, dass glückliche Kunden länger dabeibleiben, und Zuschauer, die länger verweilen, erzeugen glückliche Content-Creators und glückliche Werbetreibende. Und je mehr die Viewer schauen, desto mehr Geld verdienen alle. Die tausende von Veränderungen des Algorithmus im Laufe der Jahre haben sich wortwörtlich ausgezahlt. Je besser der Algorithmus ist, desto glücklicher ist jeder Einzelne. Mach dich bereit, in den nächsten Kapiteln tief in den Algorithmus einzutauchen.
Dennoch muss YouTube ein paar Dinge verstanden haben, denn sie konnten innerhalb eines Jahres ein Wachstum von 31 % verzeichnen! Im Jahr 2020 veröffentlichte YouTube zum allerersten Mal seinen Umsatz. Im Jahr 2019 verdienten sie 15,15 Milliarden US-Dollar, was fast doppelt so viel war wie im Jahr zuvor! Das ist atemberaubend, sowohl der Betrag als auch das prozentuale Wachstum.
Menschen schauen über fünf Milliarden YouTube-Videos täglich. Milliarden! Um richtig erfassen zu können, wie viel größer eine Milliarde als eine Million ist, sieh es mal so: Eine Million Sekunden sind ungefähr 11 Tage, während eine Milliarde Sekunden 31 ½ Jahre sind. Denk jetzt noch mal an die Zahl 15,15 Milliarden US-Dollar für YouTubes Umsatz im Jahr 2019 und schnapp nach Luft. Und das ist erst der Anfang!
YouTube begann 2005 in Kalifornien als Dating-Website für eine Handvoll College-Studenten. Heute erreichen sie jeden Winkel des Globus auf jedem Gerät. Grob ein Drittel der gesamten Weltbevölkerung schaut regelmäßig YouTube. Und wieder sprechen wir über Milliarden. Während es früher eine bestimmte demografische Gruppe war, so ist heute jeder YouTube-Viewer.
Creators und Unternehmen können sich proaktiv in Stellung bringen, um auf YouTube zu gewinnen, indem sie etwas über ihre eigene Rolle im YouTube-Ökosystem und die Funktionsweise eines guten Kanals lernen. Das ist nicht verhandelbar, wenn du auf der Plattform erfolgreich sein willst. Versuch nicht, das System auszutricksen; versuch, dich an YouTubes Zielen auszurichten, damit weniger Probleme entstehen und du deinen Fokus auf gute Content-Erstellung richten kannst. YouTube hat sich seit seiner Gründung exponentiell verändert, und das Ökosystem hat sich ebenfalls verändert. Wenn du Teil dieses Ökosystems sein willst, musst du verstehen, wie es funktioniert und wie du dich anpassen kannst, weil es sich auch weiterhin verändern wird. Du kannst dich intelligent anpassen, indem du dir die Daten anschaust, die dir YouTube zur Verfügung stellt. Ich werde dir zeigen, wie der Algorithmus funktioniert und wie man auf der Basis dieser Daten kreativ wird und sich anpasst.
3 Die YouTube-KI: eine Deep-Learning-Maschine
Ein YouTube-Creator, der die Notwendigkeit erkennt, sich auf die Daten einzustellen, aber keine Ahnung hat, was zu tun ist, ist wie ein Gärtner, der selbst angebautes Obst und Gemüse ernten möchte, aber nie Samenpflanzen gesetzt hat. Man wird nicht über Nacht zum erfolgreichen Gärtner, und auch nicht zum YouTube-Profi. Man muss sich eine Schaufel greifen und umgraben. Am Anfang wirst du Blasen an deinen metaphorischen Händen haben, aber in dem Maße, in dem du deine Daten-grabe-Muskeln aufbaust, beginnst du ein Netz aus unterirdischen Verbindungen freizulegen und entdeckst eine vollständig neue Welt des Wie und Warum von YouTube und was man braucht, um erfolgreichen Content zu produzieren.
YouTubes künstliche Intelligenz (KI) ist eine sich entwickelnde Struktur im digitalen Ökosystem, und man muss daran arbeiten, sie zu verstehen und zu verwenden, weil sie formbar ist. Auch du musst formbar sein, das heißt, du musst deine Strategien an das anpassen, was aktuell funktioniert. Wie gut deine Chancen stehen, dies erfolgreich zu tun, hängt davon ab, wie viel du über das Spielsystem weißt.
Die Evolution der KI
Als zeitgenössische YouTube-Nutzer haben wir uns daran gewöhnt, dass die Seite uns ungefragt auftischt, was wir mögen, aber so war es nicht immer. Anfangs war YouTube in erster Linie ein Ort, wo man Antworten auf Fragen fand, beispielsweise wie man einen Reifen wechselt, und wo man unterhalten wurde, beispielsweise mit Videos von Katzen, die Keyboard spielen, oder lustigen Kindervideos wie »Charlie bit my finger«. Es baute auf einem einfacheren System auf, das nicht gut darin war, Vorschläge zu machen. Heute hat YouTube aber ein komplexes maschinelles Lernsystem, das recht gut darin geworden ist, zu erraten, was Menschen wollen. Lass uns mal einen genaueren Blick darauf werfen, wie sich die KI im Laufe der Zeit verändert hat und warum das für dich