PLATON - Gesammelte Werke. Platon. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Platon
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 4066338120939
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ich nicht, daß ich der Sokrates bin, dieser, der jetzt mit euch redet und euch das Gesagte einzeln vorlegt, sondern er glaubt, ich sei jener, den er nun bald tot sehen wird, und fragt mich deshalb, wie er mich begraben soll. Daß ich aber schon so lange eine große Rede darüber gehalten habe, daß wenn ich den Trank genommen habe, ich dann nicht länger bei euch bleiben sondern fortgehen werde zu irgend welchen Herrlichkeiten der Seligen, das, meint er wohl, sage ich alles nur so, um euch zu beruhigen und mich mit. So leget ihr denn eine Bürgschaft für mich ein beim Kriton, und zwar eine ganz entgegengesetzte, als er bei den Richtern eingelegt hat. Denn er hat sich verbürgt, ich würde ganz gewiß bleiben, ihr aber verbürgt euch dafür, daß ich ganz gewiß nicht bleiben werde, wenn ich tot bin, sondern abgezogen und fort sein, damit Kriton es leichter trage, und wenn er meinen Leib verbrennen oder begraben sieht, sich nicht ereifere meinetwegen, als ob mir arges begegne; und damit er nicht beim Begräbnis sage, er stelle den Sokrates aus, oder trage ihn heraus oder begrabe ihn. Denn wisse nur, sagte er, o bester Kriton, sich unschön ausdrücken ist nicht nur eben in so fern sündlich, sondern bildet auch etwas böses ein in die Seele. Sondern du mußt mutig sein, und sagen, daß du meinen Leib begräbst, und diesen begrabe (116) nur wie es dir eben recht ist, und wie du es am meisten für schicklich hältst. Dieses gesagt stand er auf, und ging in ein Gemach um zu baden, und Kriton begleitete ihn, uns aber hieß er dableiben. Wir blieben also und redeten unter einander über das Gesagte und überdachten es noch einmal; dann aber auch klagten wir wieder über das Unglück, welches uns getroffen hätte, ganz darüber einig, daß wir nun gleichsam des Vaters beraubt als Waisen das übrige Leben hinbringen würden. Nachdem er nun gebadet, und man seine Kinder zu ihm gebracht hatte – er hatte nämlich zwei kleine Söhne und einen größern – und die ihm angehörigen Frauen gekommen waren, sprach er mit ihnen in Kritons Beisein, und nachdem er ihnen aufgetragen, was er wollte, hieß er die Weiber und Kinder wieder gehen, er aber kam zu uns. Und es war schon nahe am Untergange der Sonne, denn er war lange drinnen geblieben. – Als er nun gekommen war, setzte er sich nieder nach dem Bade, und hatte noch nicht viel seitdem gesprochen, so kam der Diener der Eilfmänner, stellte sich zu ihm, und sagte, O Sokrates, über dich werde ich mich nicht zu beklagen haben, wie über Andere, daß sie mir böse werden und mir fluchen, wenn ich ihnen ansage, das Gift zu trinken auf Befehl der Oberen. Dich aber habe ich auch sonst schon in dieser Zeit erkannt als den edelsten, sanftmütigsten und trefflichsten von Allen, die sich jemals hier befunden haben, und auch jetzt weiß ich sicher, daß du nicht mir böse sein wirst, denn du weißt wohl wer Schuld daran ist, sondern jenen. Nun also, denn du weißt wohl was ich dir zu sagen gekommen bin, lebe wohl, und suche so leicht als möglich zu tragen, was nicht zu ändern ist. Da weinte er, wendete sich um, und ging. – Sokrates aber sah ihm nach, und sprach, Auch du lebe wohl, und wir wollen so tun. Und zu uns sagte er, Wie fein der Mensch ist. So ist er die ganze Zeit mit mir umgegangen, hat sich bisweilen mit mir unterredet und war der beste Mensch; und nun wie aufrichtig beweint er mich! Aber wohlan denn, o Kriton, laßt uns ihm gehorchen, und bringe einer den Trank, wenn er schon ausgepreßt ist, wo nicht, so soll ihn der Mensch bereiten. – Da sagte Kriton, Aber mich dünkt, o Sokrates, die Sonne scheint noch an die Berge, und ist noch nicht untergegangen. (117) Und ich weiß, daß auch Andere erst ganz spät getrunken haben, nachdem es ihnen ist angesagt worden, und haben noch gut gegessen und getrunken, ja einige haben gar noch Schöne zu sich kommen lassen, nach denen sie Verlangen hatten. Also übereile dich nicht; denn es hat noch Zeit. – Da sagte Sokrates, Gar Recht, o Kriton, hatten jene so zu tun, wie du sagst, denn sie meinten etwas zu gewinnen, wenn sie so täten, und gar Recht habe auch ich, nicht so zu tun. Denn ich meine nichts zu gewinnen, wenn ich um ein weniges später trinke, als nur, daß ich mir selbst lächerlich vorkommen würde, wenn ich am Leben klebte, und sparen wollte, wo nichts mehr ist. Also geh, sprach er, folge mir und tue nicht anders. – Darauf winkte denn Kriton dem Knaben, der ihm zunächst stand, und der Knabe ging heraus, und nachdem er eine Weile weggeblieben, kam er und führte den herein, der ihm den Trank reichen sollte, welchen er schon zubereitet im Becher brachte. – Als nun Sokrates den Menschen sah, sprach er, Wohl, Bester, denn du verstehst es ja, wie muß man es machen? – Nichts weiter, sagte er, als wenn du getrunken hast, herumgehn bis dir die Schenkel schwer werden, und dann dich niederlegen, so wird es schon wirken. Damit reichte er dem Sokrates den Becher, und dieser nahm ihn, und ganz getrost, o Echekrates, ohne im mindesten zu zittern oder Farbe oder Gesichtszüge zu verändern, sondern, wie er pflegte, ganz grade den Menschen ansehend, fragte er ihn, Was meinst du von dem Trank wegen einer Spendung? darf man eine machen oder nicht? – Wir bereiten nur soviel, o Sokrates, antwortete er, als wir glauben daß hinreichend sein wird. – Ich verstehe, sagte Sokrates. Beten aber darf man doch zu den Göttern, und muß es, daß die Wanderung von hier dorthin glücklich sein möge, worum denn auch ich hiermit bete, und so möge es geschehen. Und wie er dies gesagt, setzte er an, und ganz frisch und unverdrossen trank er aus. Und von uns waren die meisten bis dahin ziemlich im Stande gewesen sich zu halten, daß sie nicht weinten; als wir aber sahen, daß er trank und getrunken hatte, nicht mehr. Sondern auch mir selbst flossen Tränen mit Gewalt, und nicht tropfenweise, so daß ich mich verhüllen mußte, und mich ausweinen, nicht über ihn jedoch, sondern über mein eigenes Schicksal, was für eines Freundes ich nun sollte beraubt werden. Kriton war noch eher als ich, weil er nicht vermochte die Tränen zurückzuhalten, aufgestanden. Apollodoros aber hatte schon früher nicht aufgehört zu weinen, und nun brach er völlig aus, weinend und unwillig sich gebärdend, und es war keiner, den er nicht durch sein Weinen erschüttert hätte, von allen Anwesenden, als nur Sokrates selbst, der aber sagte, Was macht ihr doch, ihr wunderbaren Leute! ich habe vorzüglich deswegen die Weiber weggeschickt, daß sie dergleichen nicht begehen möchten; denn ich habe immer gehört, man müsse stille sein, wenn einer stirbt. Also haltet euch ruhig und wacker. Als wir das hörten, schämten wir uns und hielten inne mit Weinen. Er aber ging umher, und als er merkte, daß ihm die Schenkel schwer wurden, legte er sich gerade hin auf den Rücken, denn so hatte es ihn der Mensch geheißen. Darauf berührte ihn eben dieser, der ihm das Gift gegeben hatte, von Zeit zu Zeit, und untersuchte seine Füße und Schenkel. Dann drückte er ihm den Fuß stark, und fragte, ob er es fühle; er sagte nein. Und darauf die Knie, und so ging er immer höher hinauf, und (118) zeigte uns, wie er erkaltete und erstarrte. Darauf berührte er ihn noch einmal, und sagte, wenn ihm das bis ans Herz käme, dann würde er hin sein. Als ihm nun schon der Unterleib fast ganz kalt war, da enthüllte er sich, denn er lag verhüllt, und sagte, und das waren seine letzten Worte, O Kriton, wir sind dem Asklepios einen Hahn schuldig, entrichtet ihm den, und versäumt es ja nicht. – Das soll geschehen, sagte Kriton, sieh aber zu, ob du noch sonst etwas zu sagen hast. Als Kriton dies fragte, antwortete er aber nichts mehr, sondern bald darauf zuckte er, und der Mensch deckte ihn auf; da waren seine Augen gebrochen. Als Kriton das sah, schloß er ihm Mund und Augen. Dies, o Echekrates, war das Ende unseres Freundes, des Mannes, der unserm Urteil nach, von den damaligen mit denen wir es versucht haben, der trefflichste war, und auch sonst der vernünftigste und gerechteste.

      Tetralogie II

       Inhaltsverzeichnis

      Kratylos

       (Über die Sprachkunde)

       Inhaltsverzeichnis

      Einleitung

      Viel Mühe hat den Freunden des Platon von altem Schrot und Korn dieses Gespräch immer gemacht. Denn schwer schien es zu bestimmen, zu welcher Meinung über die Sprache er sich eigentlich bekenne, ob wirklich entweder zu der, welche die Sprache durch Verabredung und Vertrag entstehen läßt und also alles Einzelne in ihr für gleichgültig und zufällig ansieht, oder zu der, welche ihr als einem Naturerzeugnis innere Wahrheit und Richtigkeit zuschreibt; oder ob er vielleicht gar heimlich jene andere Meinung zum Rückhalt habe von einer göttlichen Einsetzung der Sprache. Eben so wie man immer nicht recht wissen kann im »Menon«, ob die Tugend bloß geübt werde, also durch Gewöhnung zu einer verabredeten Weise entstehe, oder vielmehr gelehrt, also eingesehen als innere Notwendigkeit, oder ob sie gar als eine Gabe der Götter über den Menschen komme nach