Soziale ErträgeErträge: Mit Texten lassen sich Regeln für das Zusammenleben der Menschen aufstellen. Gesetzestexte sind wohl das beste Beispiel. Der Textproduzent präsentiert die Sachverhalte als juristisch verbindlich, indem er einen juristischen StilStiljuristischer herstellt. Bei Dienstanweisungen, Steuerbescheiden und Verwaltungsvorschriften präsentiert sich der Textproduzent als Amtsperson oder als Institution, ausdrücklich nicht als Privatperson. Er stellt einen amtlichen Stil her, und dazu gehört, amtliche Autorität zu erzeugen. Die Texte müssen demnach rollengestaltende Merkmale aufweisen. Mit Texten lassen sich auch soziale Kontakte knüpfen und pflegen. Zu denken ist an Kontaktanzeigen oder an die Übermittlung von Urlaubsgrüßen und Festtagswünschen. Stilistisch relevant sind dabei u.a. beziehungsgestaltende Textmerkmale. Einen hohen Stellenwert können Anrede-, Gruß- und WunschformelnWunschformel haben. Gestalterisch stellt sich aber auch die Frage, wie der Textproduzent mit textkommunikativen Mustern umgeht. Ob er es sich einfach macht und seinen Text aus kommunikativen Fertigteilen zusammensetzt oder ob er es vorzieht, den Textrezipienten mit OriginalitätOriginalität zu überraschen. Dann kann ein formbezogener ErtragErtragformbezogener hinzukommen.
Formbezogene Erträge: Sie können sich mit Bezug auf künstlerisch Gestaltetes einstellen: textproduzentenseitig beim Hervorbringen ästhetischer Gestaltungsweisen im Rahmen poetischerPoetizität/poetisch TextsortenTextsorte (z.B. Ballade, Novelle, Komödie), textrezipientenseitig bei ihrer Wahrnehmung und Interpretation. Kommunikativ wichtig werden betrachtungsstimulierende Textmerkmale. Formbezogene Erträge können für Produzenten von Gebrauchstexten darin bestehen, dass es gelungen ist, die Aufmerksamkeit des Rezipienten gerade auf die Textpassagen zu lenken, die besonders wichtig sind, oder dass es gelungen ist, die AttraktivitätAttraktivität eines Textes zu erhöhen und damit Rezeptionslust zu wecken. Ausschlaggebend für den kommunikativen Erfolg können rezeptionssteuernde bzw. rezeptionsstimulierende Textmerkmale sein.
PersuasivePersuasion ErträgeErtragpersuasiver: Im Ertragsmodell nicht verzeichnet, aber zu berücksichtigen sind Texterträge, die in der Beeinflussung des Textrezipienten liegen und mehr oder weniger vordergründig die Interessen des Textproduzenten bedienen können. Sie werden beispielsweise anvisiert mit Werbetexten kommerzieller oder politischer Art. Werbetexte sind typischerweise von entscheidungsstimulierenden Merkmalen geprägt. Deren Funktion ist es, den Erwerb eines bestimmten Produkts, die Nutzung einer bestimmten Dienstleistung, die Wahl einer bestimmten Partei zu begünstigen. Auch die Verfasser von Bewerbungsschreiben produzieren entscheidungsstimulierende Texte. Man will sich schließlich erfolgreich auf eine Stelle bewerben, hat aber keine Erfolgsgarantie. Wichtig wird deshalb v.a. eine geeignete Art der SelbstpräsentationSelbstpräsentation. Für das Erzielen persuasiver Erträge sind strategische Überlegungen erforderlich. Zur TextkompetenzTextkompetenz des Rezipienten gehört die Fähigkeit, persuasive Textstrategien zu durchschauen.
Metakommunikative Erträge: Kommunikative Kenntnisse und Fähigkeiten kann man mit der Produktion eigener und der Rezeption fremder Texte erwerben oder erweitern. Das heißt, man kann etwas über Kommunikation durch Kommunikation lernen, durch eigenes kommunikatives Tun, auch dadurch, dass man sich im Gestalten und Analysieren von Texten übt. Zu fragen ist, was Bücher über Stil (Stilistiken) für das Erzielen metakommunikativer Erträge leisten können. Der Gedanke an praktische Stillehren liegt nahe, deren Anliegen es ist, stilistische Textmerkmale stilnormativ zu fixieren. Ein metakommunikativer ErtragErtragmetakommunikativer kann sich dabei aber nur dann einstellen, wenn bei der Beschreibung von Stilnormen kommunikative Gesichtspunkte ausdrücklich berücksichtigt werden. Das ist nicht immer der Fall (siehe 1.2.1). Stilistiken anderen Zuschnitts sind theoretisch fundierte Abhandlungen zum Stil authentischer Texte. Hier geht es darum, stilistische Textmerkmale stilanalytisch herauszuarbeiten, um Einsichten in das Wesen von Gestaltungsweisen zu gewinnen. Insgesamt gesehen kommt es darauf an, Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, ohne die Beschreibung von Gestaltungserfordernissen zu vernachlässigen. Diesem komplexen Anliegen ist das vorliegende Buch verpflichtet.
Der streiflichtartige Überblick über einige Möglichkeiten, textkommunikative Erträge zu erzielen, und – damit im Zusammenhang – über stilistische Textmerkmale, die für den kommunikativen Erfolg auschlaggebend sein können, lässt die Frage nach dem Verhältnis von Text- und StilkompetenzStilkompetenz aufkommen. Nach unserer Auffassung ist Stilkompetenz alles andere als eine Anhängselkompetenz. Im Unterschied zu einem Modell von TextkompetenzTextkompetenz, das dies nahelegt (vgl. Weidacher 2007: 48f.), betrachten wir Stilkompetenz als einen wesentlichen Aspekt von Textkompetenz. Es kann sich sogar um den entscheidenden Aspekt handeln. Textkompetenz gilt mittlerweile als eine Schlüsselkompetenz (vgl. den Buchtitel von Schmölzer-Eibinger/Weidacher 2007), doch immer noch strittig ist, in welche Teilkompetenzen sich Textkompetenz aufgliedert und welchen Stellenwert die einzelnen Teilkompetenzen haben (vgl. u.a. Adamzik/Heer 2009). Wir sprechen im Hinblick auf Stilkompetenz bewusst von einem Aspekt der Textkompetenz und vermeiden es, Stilkompetenz als eine Teilkompetenz neben andere (z.B. Sachkompetenz, Vertextungskompetenz, TextsortenkompetenzTextsortenkompetenz) zu stellen. Wir sind der Auffassung, dass Stilkompetenz Kenntnisse und Fähigkeiten umfasst, die untrennbar mit textuellen Teilkompetenzen verknüpft sind. Nehmen wir als Beispiel die Verknüpfung von TextsortenTextsorte- und Stilkompetenz: Ertragsorientiert zu kommunizieren schließt in vielen Fällen die Beachtung textsortengebundener Gestaltungserfordernisse ein. In einigen Fällen kann Ertragsorientiertheit in der Ausnutzung textsortengebundener Gestaltungsoptionen bestehen, in vergleichsweise seltenen Fällen in der AbweichungAbweichen von textsortengebundenen Vorgaben.
Es ginge zu weit, wollten wir uns in die Diskussion über textuelle Teilkompetenzen einschalten. Stattdessen werfen wir einen Blick auf einige textstilistische Teilkompetenzen.
1.2 Textstilistische Teilkompetenzen
Nicht nur Text-, auch StilkompetenzStilkompetenz lässt sich in Teilkompetenzen aufgliedern. Wir gehen im Folgenden ein auf die Formulierungs-, die Visualisierungs- sowie die Sprach- und TextspielkompetenzTextspielkompetenz.
1.2.1 FormulierungskompetenzFormulierungskompetenz
Der Begriff FormulierungFormulierung nimmt Bezug auf „das Resultat in der Verwendung von Sprache durch einen Autor beim Herstellen eines Textes“ (Michel 2001: 36). Die FormulierungskompetenzFormulierungskompetenz umfasst u.a. Kenntnisse darüber, wie man Sachverhalten eine angemessene sprachliche Form geben kann. AngemessenheitAngemessenheit ist ein kommunikatives Grundprinzip; es gehört zum Kanon der Schulrhetorik (vgl. Plett 2001: 27ff.). Seine Befolgung erfordert die Wahl einer Ausdrucksweise, die
der Persönlichkeit des Textproduzenten, darunter seinem Ethos entspricht;
den sozialen Status, den Verstehenshorizont und die Textverarbeitungskapazität des Rezipienten berücksichtigt;
auf den Redeanlass zugeschnitten ist;
zur Art und Bedeutsamkeit des Redeinhalts passt.
Formulierungsleistungen sind folglich in mehrfacher Hinsicht textkommunikativ relationiert. Insofern kann es keine allgemeingültigen Grundsätze für einen guten, d.h. angemessenen Stil geben. Gerade dies wird aber häufig von praktischen Stillehren bzw. Stilratgebern postuliert. Da heißt es z.B. in einem umfangreichen populärwissenschaftlichen Zeitungsbeitrag mit dem Titel „Eine Deutsch-Stilkunde in 20 Lektionen“, verfasst von Wolf Schneider (Die Zeit, Nr. 20/2012, Beilage, 8–31): „Verachten wir den Wissenschaftsjargon“ (S.